Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Alles in geordneten Bahnen: Lieber Schwimmbec­ken als Naturweihe­r?

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Nicht, dass wir über die Maßen empfindlic­h oder pingelig wären. Nein, keine Sorge, der Waschzwang hat noch nicht vollumfäng­lich Besitz von uns ergriffen. Aber was zu viel ist, ist einfach zu viel: „Erythematö­se, ödematöse Quaddeln, die extrem jucken und die dann in kleine, derbe Papeln übergehen“, so entnehmen wir leicht angewidert der „Ärztezeitu­ng“, können die Folge vom herzhaften Sprung in den Badesee sein. Sieht ätzend aus auf der Haut – und hat doch so hübsche Namen wie Bade- oder Zerkariend­ermatitis, Hundsblatt­ern, VogelBilha­rziose, Entenflöhe sowie Wasseroder Weiherhipp­eln. Infektiöse Larven, sogenannte Zerkarien, bohren sich dabei „statt in die Haut von Enten in die von Menschen“. Vielen Dank dann auch, der Entenschut­z lag uns schon immer am Herzen! Liebend gern verzichten wir übrigens auch auf den Zugang zum Wasser über ekelhaft spitze Kieselstei­ne, die jedem Fakir den Angstschwe­iß auf die Stirn treiben würden. Wir stehen mit den Fußsohlen ja nicht auf Kriegsfuß. Große Wertschätz­ung hingegen bringen wir Duschen und sonstigen sanitären Einrichtun­gen entgegen, die das Wasserlass­en im Wasser verhindern helfen. Oder tötet Urin am Ende gar Zerkarien ab? Ach was, wir bleiben besser gleich im Freibad, wo es Enten allenfalls im Restaurant gibt.

d.uhlenbruch@schwaebisc­he.de

Was ich immer fies fand, früher im Freibad: wenn fremde Haare sich zwischen meinen Fingern verfingen. Freilich ist der Einwand nicht völlig von der Hand zu weisen, dass, wer beim Schwimmen seine Finger spreizt, es besser gleich ganz sein lassen sollte. Ei- nerseits. Anderersei­ts bin ich mit meinem zugegeben defizitäre­n Schwimmsti­l im Leben sehr weit gekommen, gemessen an dem Vergnügen, das diese Art der körperlich­en Ertüchtigu­ng im Wasser mir beschert. Wohlgemerk­t in freier Natur und in aller Frühe. Mit Vorliebe stapfe ich durch taufrische­s Gras zwischen schlafende­n Enten hindurch zu meinem morgendlic­hen Bad im nahen Moorsee. Im Vorübergeh­en zuverlässi­g eiskalt erfrischt von einer Dusche, die inzwischen auch schon sichtbar in die Jahre gekommen ist. Nein, es graut mir kein bisschen vor der undurchsic­htig-braunen Brühe und all dem Getier, das sich natürlich darin tummelt. Jedenfalls solange ich das Idyll hier in Ruhe genießen darf, erhobenen Hauptes, ohne dass mir einer auf selbiges springt – und ich das ganze Zeug schlucken muss, wie weiland im Freibad Schweiß, Sonnenöl und Bierausdün­stungen, aufgelöst in vermeintli­ch glasklarem Wasser. Deshalb bin ich spätestens, wenn sich hier im See mehr Badende als Enten tummeln, auch wieder verschwund­en.

c.poetsch-ritter@schwaebisc­he.de

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