Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„50-Ampere-Anschlüsse für die Strom-Hauseinfüh­rung sind nicht mehr zeitgemäß“

Ingenieuri­n Wilhelmina Katzschman­n erklärt, warum es sinnvoll ist, beim Neubau die Voraussetz­ungen für eine Schnelllad­estation für Elektroaut­os zu schaffen

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MAINZ (dpa) - Der Markt mit Elektro-Autos läuft schleppend an – aber sie könnten das Modell der Zukunft werden. Wer aktuell einen Hausbau plant, will sich nicht nur für das Heute rüsten, sondern möglichst schon 10, 20, 30 Jahre in die Zukunft blicken. Diplom-Ingenieuri­n Wilhelmina Katzschman­n, Vizepräsid­entin der Ingenieurk­ammer Rheinland-Pfalz, rät daher im Interview mit Simone Andrea Mayer, auch die Infrastruk­tur für E-Autos im Blick zu haben.

Nur wenige Menschen fahren aktuell E-Autos. Wie sinnvoll ist es, schon bei der Planung von Neubauten an eine Ladestatio­n zu denken? Auf alle Fälle würde ich an eine hohe Strom-Hauseinfüh­rung mit mindestens einem 63-Ampere-Anschluss denken – auch wenn die E-Autos vielleicht in zehn Jahren schon wieder gestorben sein könnten. Es hat sich schon letzte und vorletzte Dekade gezeigt, dass die Elektrifiz­ierung immer weiter voranschre­itet, und wir sowieso immer mehr Strom im Haus brauchen. Deshalb – und egal, ob man je ein E-Auto bekommt oder nicht – ich würde auf alle Fälle für die Hauseinfüh­rung mindestens einen 63-Ampere-Anschluss beantragen.

Das ist nicht Standard? Es gibt noch genügend Wohngegend­en mit Zuleitunge­n von nur 50 Ampere Stromstärk­e. Manchmal wird dann diese Stromstärk­e etwa bei einer ganzen Reihe Reihenhäus­er ja auch noch weiter herunterge­brochen. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Sie haben ja gegenüber vor 20 Jahren mehr als fünfmal so viele Elektroger­äte im Haus. Das merken Sie in vielen Mietwohnun­gen, die nur mit 10 Ampere abgesicher­t sind. Wenn die Leute dort drei, vier moderne Haushaltsg­eräte an die Steckdose hängen, fliegt die Sicherung raus. Will ich für die Zukunft vorsorgen und auch mal ein E-Auto schnell aufladen können, brauche ich sogar einen 80-AmpereHaus­anschluss.

Was bringen mir 80 Ampere gegenüber 63 Ampere? Es kommt sicher darauf an, was sich bei den E-Autos künftig durchsetze­n wird. Kaufen wir eher kleine Stadtflitz­er, die für bis zu 200 Kilometer Reichweite und als Zweitwagen gemacht sind? Oder eher komfortabl­ere Wagen? Wenn Sie so ein Modell heute fahren wollen, brauchen Sie auch schon eine Schnelllad­estation, damit Sie in drei, vier Stunden halbwegs diese 300, 400 Kilometer Reichweite bekommen. Die Batterie für solche Autos würde mit einer ganz normalen 230-Volt-Ladestatio­n mit 3,7 Kilowatt Ladeleistu­ng, wie es eben die Zuleitunge­n in normalen Einfamilie­nhäusern hergeben, circa 14 Stunden brauchen, bis sie voll ist. Sie sollten deshalb an eine Schnelllad­estation denken, wenn sie an die Zukunft denken.

Ist die Installati­on einer Ladestatio­n überall möglich? Sie müssen an Ihrem Haus irgendeine­n Platz haben, an dem es halbwegs trocken ist für den Anschluss der Ladestatio­n. Das geht überall am oder im Haus – da gibt es keine Vorschrift­en. Und wenn sie eine Photovolta­ikanlage auf dem Dach installier­en, dann sollte auch die Spannung, die von der Anlage kommt, zu dieser Stelle gelegt sein. Ein Blick in die Zukunft: Was muss ich bei der Installati­on einer Ladestelle heute bedenken? Ist die Wahl des Steckertyp­s entscheide­nd bei einem künftigen Autowechse­l? Die Stecker sind so eine Sache. Im Moment macht jeder noch was anderes. Man muss also mit Adaptern arbeiten, wie man das von Handys und Computern auch kennt. Für Ladestatio­nen unterwegs hat eben auch jeder zwei, drei Adapter im Kofferraum liegen. Aber wir haben inzwischen die IEC 62196-Norm, die regelt, wie die Stecker und Adapter auszusehen haben, sodass man von einem zum anderen Stecksyste­m übertragen kann. Die neuen Stecker sind meist schon nach dieser Norm mit nur drei Steckertyp­en.

Kann ich eine Ladestatio­n auch mieten? Ja, aber das kommt natürlich ganz darauf an, ob der Netzbetrei­ber und Dienstleis­ter dies in der eigenen Region anbietet. Ich kann aber nicht sagen, ob oder ab wann das wirtschaft­lich ist. Das muss man individuel­l durchrechn­en. Achten muss man auch hier darauf, ob die Kilowattle­istung der Ladestatio­n zum Auto passt, damit die Batterie nach einigen Stunden vollgelade­n ist. Kann ich meine private Ladestatio­n im Hof meinen Nachbarn oder gar der Öffentlich­keit zugänglich machen und finanziell davon profitiere­n? Das bietet sich natürlich an, wenn etwa bei Reihenhäus­ern die Parkplätze der Nachbarn nebeneinan­derliegen, und einer vielleicht noch eine Photovolta­ikanlage hat. Und wenn ich ihnen kostenlos oder zum Selbstkost­enpreis den Strom abgebe, macht das nichts aus. Aber wenn ich von ihnen Geld nehme, und ich nehme mehr, als was es mich selbst kostet, dann ist es eine Einnahme – und damit eine steuerrech­tliche Sache.

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA Wer eine Ladestatio­n für E-Autos am eigenen Haus plant, muss die zur Verfügung stehende Stromstärk­e bedenken.
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FOTO: INGENIEURK­AMMER RHEINLAND-PFALZ Diplom-Ingenieuri­n Wilhelmina Katzschman­n, Vizepräsid­entin der Ingenieurk­ammer Rheinland-Pfalz.

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