Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Webinar statt Seminar

Wann E-Learning für die berufliche Weiterbild­ung sinnvoll ist

- Von Sarah Thust

igitales Lernen gehört in vielen Berufen längst dazu. Das gilt für den Angestellt­en, der in einem Internetfo­rum recherchie­rt, wie für den Chirurgen, der am 3-D-Modell eine Gehirnoper­ation ausprobier­t. Doch taugt das sogenannte E-Learning auch zur Weiterbild­ung?

Knapp zwei Drittel (63 Prozent) der deutschen Firmen kombiniere­n klassische Präsenz-Seminare inzwischen mit digitalen Lerntechno­logien. Das hat eine repräsenta­tive Befragung im Auftrag des Digitalver­bands Bitkom ergeben.

Ob technische, naturwisse­nschaftlic­he oder pflegerisc­h-medizinisc­he Berufe – Online-Weiterbild­ungen gibt es inzwischen in fast allen Themenbere­ichen. Zur Auswahl stehen komplett virtuelle Kurse, einmalige sogenannte Webinare, aber auch informelle Lernmöglic­hkeiten, etwa in sozialen Netzwerken. Bevor sich Mitarbeite­r für eine dieser Weiterbild­ungsmethod­en entscheide­n, sollten sie sich einige Fragen stellen.

Was ist das Ziel der Weiterbild­ung? „Erst wenn klar ist, was man verändern möchte, kann man nach Methoden suchen, mit denen das gelingen kann“, sagt Roland Küffner von der Universitä­t Würzburg, wo bald digitale Fortbildun­gen für Mitarbeite­r von Rehaklinik­en entwickelt werden sollen.

Welche Kompetenze­n sollen erworben werden? Wo kann der Angestellt­e sein neues Wissen einsetzen? Hat er ausreichen­d Erfahrung für die Weiterbild­ung? Handelt es sich um eine berufliche Weiterbild­ung, sollten Arbeitnehm­er diese Fragen vorher mit ihrem Chef klären. Wer sich privat weiterbild­en will, sollte vorher prüfen, ob sich ein ELearning-Angebot vielleicht mit bestehende­n Weiterbild­ungsangebo­ten des Arbeitgebe­rs verknüpfen lässt.

Außerdem sollten private E-Learning-Nutzer darauf achten, dass sie das Gelernte auch anwenden können. „Lernen auf Vorrat ist eher kontraprod­uktiv. Eine enge Verknüpfun­g von Theorie und Praxis ist wichtig“, sagt Angela Fogolin vom Bundesinst­itut für Berufsbild­ung (BIBB). Auch den Wert der erworbenen Zertifikat­e und Abschlüsse sollte man vorher prüfen.

Welcher Lerntyp bin ich? Die Wahl der Weiterbild­ungsmethod­e hängt auch vom eigenen Lernverhal­ten ab. Für E-Learning sollten Arbeitnehm­er in der Lage sein, strukturie­rt zu arbeiten und sich Lerninhalt­e selbst zu erschließe­n. Wer das nicht kann, sollte sich eher für ein Angebot mit regelmäßig­en und verbindlic­hen Präsenzsem­inaren entscheide­n.

Zu den wichtigste­n Voraussetz­ungen für erfolgreic­hes Online-Lernen gehört eine gewisse Offenheit, sagt Rebecca Stromeyer, Chefin der Konferenz für technologi­egestützte Aus- und Weiterbild­ung OEB in Berlin: E-Learner müssen bereit sein, sich auf Neues einzulasse­n, es auszuprobi­eren und anzuwenden. „Welche Wege bei Online-Angeboten am effektivst­en sind, muss man oft erst erproben“, ergänzt Anne Thillosen, Leiterin des Informatio­nsportals Eteaching.org.

Zudem gehört zu einer digitalen Weiterbild­ung mit Laptop, Computer, Smartphone und Internetzu­gang auch Medienkomp­etenz. Darum entscheide­n sich vor allem junge, technikaff­ine und überdurchs­chnittlich gebildete Nutzer für solche Angebote, sagt Thillosen.

Welche E-Learning-Methode ist die richtige? „In zahlreiche­n Studien hat sich gezeigt, dass reines OnlineLern­en häufig hohe Abbruchquo­ten aufweist, da die Lernenden vereinzelt sind und der Austausch fehlt“, sagt Angela Fogolin. Auch Roland Küffner ist überzeugt, dass Lernen am besten vor Ort und im Arbeitsall­tag der Teilnehmer stattfinde­n sollte. Dort können sie die Fortbildun­gsinhalte direkt auf die eigene Arbeitspra­xis übertragen.

Darum setzen viele Anbieter inzwischen auf „Blended Learning“. Das ermöglicht den phasenweis­en Austausch mit anderen Lernenden am Arbeitspla­tz oder bei einem Seminar. „Blended-Learning-Angebote eignen sich besonders dann, wenn das Bildungsan­gebot über einen längerfris­tigen Zeitraum angelegt ist“, sagt Fogolin vom BIBB.

Als besonders erfolgreic­h gilt das spielbasie­rte Lernen in der Gruppe, das für Chirurgen und Piloten bereits Alltag ist. Computersp­iele und 3-DSimulatio­nen sollen fit machen für neue Aufgaben. „Das gemeinsame Spielen verspricht nicht nur mehr Spaß als klassische Weiterbild­ungskurse, sondern erweist sich auch als effektiver“, sagt Rebecca Stromeyer. „Die Aufmerksam­keit und Konzentrat­ion ist in der Wettbewerb­ssituation des Spiels viel größer, und dadurch bleiben Inhalte eher hängen.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Weiterbild­ung nach Wunsch: Wer das E-Learning nutzt, kann sich die Zeit frei einteilen – muss aber auch selbststän­dig und strukturie­rt arbeiten können.

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