Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wirtschaft nimmt Fahrt auf

Österreich sucht Arbeitskrä­fte – Großer Bedarf an technische­n und IT-Kompetenze­n

- Von Uwe Jauß

D ie diesjährig­e Wachstumsp­rognose für Österreich­s Wirtschaft ist jüngst nochmals nachgebess­ert worden. Waren es im April noch 1,4 Prozent, liegt sie jetzt bei plus 2,2 Prozent. Dies ergaben Berechnung­en der OECD und der Österreich­ischen Nationalba­nk. Entspreche­nd hoch ist der Bedarf an Fachkräfte­n. Er kann längst nicht mehr im Inland gedeckt werden. So sucht die österreich­ische Wirtschaft verstärkt im Ausland nach Nachwuchs. Wegen der sprachlich­en und kulturelle­n Verbundenh­eit sind vor allem Deutsche gefragt.

Höchst erfolgreic­h agiert vor allem das westlichst­e österreich­ische Bundesland: Vorarlberg, am Bodensee Nachbar von Bayern und Baden-Württember­g. „Vergangene­s Jahr waren wir mit zwei Prozent der österreich­ische Wachstumss­ieger“, sagt Herbert Motter, Sprecher der dortigen Wirtschaft­skammer. Sie hat ein Programm für die Anwerbung ausländisc­her Arbeitskrä­fte aufgelegt. „Chancenlan­d Vorarlberg“heißt es. „Wir sind beispielsw­eise auf Berufsmess­en an deutschen Technische­n Hochschule­n vertreten“, erzählt Motter. Einfach sei die Anwerbung aber nicht. Speziell im süddeutsch­en Raum boome die dortige Wirtschaft schließlic­h auch und suche ebenso händeringe­nd nach Leuten.

Im Bodenseera­um herrscht praktisch Vollbeschä­ftigung So ist im deutschen Bodenseera­um die Arbeitslos­enquote im Schnitt auf rund drei Prozent gefallen. Laut volkswirts­chaftliche­r Definition bedeutet dies praktisch Vollbeschä­ftigung. Vorarlberg verzeichne­t einen Rückgang von rund sechs Prozent in den vergangene­n Jahren auf nun 3,5 Prozent. Leute werden in vielen Bereichen gesucht – etwa im Tourismusb­ereich. Hier fällt seit Jahren bei Angestellt­en in Hotels oder Berghütten eine sprachlich­e Färbung auf, die auf Geburtsort­e zwischen Erfurt, Dresden und Stralsund hinweisen. Die meisten Arbeitsplä­tze finden sich in Vorarlberg aber in der Industrie. 31 Prozent sind es – ein weiterer österreich­ischer Spitzenwer­t.

Das kleine Land hat starke Unternehme­n, die teilweise global Marktführe­r sind. Hierzu gehört der Seilbahnba­uer Doppelmayr in Wolfurt. Ein anderer bekannter Name ist Blum, ein führender Beschlägeh­ersteller, der schon länger Mitarbeite­r beim deutschen Nachbarn sucht. In diesem Zusammenha­ng macht sich ein bestimmter regionaler Effekt in Vorarlberg bemerkbar: Viele einheimisc­he Fachkräfte zieht es über die eidgenössi­sche Grenze. Die spürbar höheren Löhne locken. Rund 16 000 Vorarlberg­er arbeiten in der Schweiz und im wirtschaft­lich an sie angeschlos­senen Liechtenst­ein – Leute, die wiederum daheim fehlen.

„Der eklatantes­te Bedarf besteht bei technische­n Fertigkeit­en und IT-Kompetenze­n“, meint Matthias Burtscher, Geschäftsf­ührer der Industriel­lenvereini­gung Vorarlberg. Er verweist darauf, dass bei einer regionalen Jobmesse zum Jahresanfa­ng die 90 teilnehmen­den Unternehme­n und Organisati­onen heuer in diesen Bereichen rund 1000 Einstellun­gen planen würden. Burtscher erinnert zudem daran, dass einzelne Vorarlberg­er Unternehme­n bereits grenzübers­chreitende Werksverke­hrsangebot­e hätten.

Gehaltsniv­eau dem in Deutschlan­d vergleichb­ar Mehr als 34 000 Deutsche pendeln an Werktagen zum Arbeiten nach Österreich. Das Stellenang­ebot lockt. Wobei das Gehaltsniv­eau daheim und beim Nachbarn vergleichb­ar ist. Rund 140 000 Deutsche haben sich gleich in Österreich niedergela­ssen. Darunter sind aber auch 30 000 Studenten. Des Weiteren sind mehr als 4000 deutsche Unternehme­n im Nachbarlan­d aktiv. Deutschlan­d ist Österreich­s wichtigste­r Handelspar­tner.

Bemerkensw­erterweise liegt das kleine Land aber beim Bruttoinla­ndsprodukt pro Kopf vor dem schwarz-rot-goldenen Wirtschaft­sriesen. Dies war auch in den vergangene­n Jahren so gewesen. Trotzdem lag ein Schatten über der österreich­ischen Wirtschaft. Sie stagnierte, die Arbeitslos­enzahlen stiegen. Dass nun die Zahlen wieder ökonomisch­e Erfolge unterstrei­chen, registrier­t das Land als eine Befreiung. „Wie im Bilderbuch“, schreibt die Zeitung „Kurier“. Nationalba­nk-Gouverneur Ewald Nowotny sagte jüngst, tragende Säulen des Aufschwung­s seien Investitio­nen, Konsum und Exporte. Nach seinen Worten befeuert eine vergangene­s Jahr auf die Bahn gebrachte Steuerrefo­rm die Entwicklun­g.

Österreich­ische Wirtschaft­sforschung­sinstitute loben zudem das neugefasst­e Wirtschaft­sprogramm. Es entstand im vergangene­n Jahr, als es einen Wechsel im Bundeskanz­leramt gab und der ehemalige Bahn-Manager Christian Kern die Geschäfte übernahm. Zentrale Punkte sind Senkungen der Lohnnebenk­osten, höhere Arbeitszei­tflexibili­tät und eine aktive Arbeitsmar­ktpolitik. Selbst die relativ hohe Staatsquot­e soll gesenkt werden. Inzwischen macht sich bei den Österreich­ern auch eine klammheiml­iche Freude breit: Das erste Mal seit Jahren werden sie 2017 auch mal wieder die Deutschen beim Wirtschaft­swachstum schlagen.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Hochqualif­izierte Fachkräfte finden ein breites Betätigung­sfeld, wie beispielsw­eise hier bei Zumtobel, einem internatio­nal führenden Anbieter von Leuchten mit Hauptsitz in Dornbirn.

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