Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Besonders begehrt in der Automobilbranche
Bei Herstellern und Zulieferern steigt die Nachfrage nach IT-Fachkräften und Akademikern mit entsprechenden Qualifikationen
lektronik ist die wichtigste Technologie im Auto. Sie bringt die wesentlichen Innovationen. Daher brauchen Mitarbeiter in der Automobilbranche zunehmend IT-Wissen. Ob Hersteller oder Zulieferer, Facharbeiter oder Akademiker.
Bosch ist der weltweit größte Automobilzulieferer. 44 Milliarden Euro setzte das Unternehmen in seiner Sparte Mobilitätslösungen 2016 um. Und die Wachstumsperspektive scheint bei Bosch gut zu sein, denn Ende März kündigte der Elektronikkonzern an, in diesem Jahr weltweit rund 20 000 neue Mitarbeiter einstellen zu wollen. Beinahe jede zweite ausgeschriebene Stelle habe einen Bezug zu Software, teilt das Unternehmen mit. Das macht eines klar: Software im Auto nimmt weiter zu. Schon heute entwickeln bei Bosch rund 20 000 IT-Spezialisten Software. Den höchsten Personalbedarf hat das Unternehmen in Deutschland. Etwa 3400 neue Stellen sollen in diesem Jahr hier entstehen.
Ob Daimler, Porsche oder Mahle – überall werden Mitarbeiter mit IT-Kenntnissen gesucht. Schon heute entfallen je nach Modell und Ausstattung 50 bis 70 Prozent der Entwicklungskosten im Bereich Elektronik auf die Software. Elektronik insgesamt ist wahrscheinlich jetzt schon die Technologie, die in einem Auto am häufigsten vorkommt. Präsent ist sie allemal: beim Fenster öffnen, in der Motorsteuerung, im Multimedia-System.
Elektromobilität und Industrie 4.0 Künftig geht es um die Vernetzung der Autos – mit dem Internet und mit anderen Fahrzeugen. Der Trend zu noch mehr Elektronik im Auto spiegelt sich am Arbeitsmarkt wider. „Die Unternehmen der Automobilbranche suchen händeringend nach Informatikern und Elektroningenieuren mit Hard- und Softwarekenntnissen“, sagt Michael Eiberger. Er ist Geschäftsführer der Personalberatung Dr. Scharff und Eiberger in Stuttgart. Die Dienstleistungsgesellschaft sucht im Auftrag von Unternehmen Fach- und Führungskräfte, oft für die Automobilindustrie. „Hersteller und Zulieferer suchen gleichermaßen Spezialisten für Hard- und Software, wobei die Hersteller im Ranking weiter oben stehen und sie es deshalb leichter haben, Spezialisten für sich zu gewinnen“, erklärt Eiberger. Dasselbe gelte für bekannte Unternehmen. „Weniger bekannte gehen oft leer aus.“Gegenwärtig gebe es zwei große Bereiche, für die Leute mit IT-Know-how gesucht würden. „Der eine ist die Elektromobilität, die durch die VW-, beziehungsweise DieselKrise beschleunigt wird, der andere Industrie 4.0, die vernetzte Automobilproduktion.“Grundsätzlich sollten Spezialisten für beide Aufgaben Techniker oder Ingenieur in den Fachrichtungen Elektrotechnik oder Informatik sein. „Ohne Kopf keine Idee und ohne handelnde Arme können die tollsten Entwicklungen nicht umgesetzt werden.“Deshalb werden in der Automobilbranche Akademiker wie Facharbeiter gebraucht.
Bei den Herstellern findet eine Verschiebung des Produktportfolios statt, sagt Felix Kuhnert, Leiter Automotive Europe im Beratungshaus Price Waterhouse Coopers in Stuttgart. „Sie fragen sich, welche Kompetenzen bei ihnen selbst und welche bei den Zulieferern sein sollten. Die Antwort darauf ist wichtig, denn dementsprechend bauen sie die Expertise selbst auf oder erwarten sie von ihren Lieferanten.“
Gründung von innovativen Tochtergesellschaften Wenn ein Hersteller sich dann dazu entschließt, eine innovative IT-Lösung selbst zu übernehmen, dann wird häufig eine Tochtergesellschaft gegründet, ähnlich Moovel, der Mobilitäts-App von Mercedes. Die Töchter bekommen mehr Freiheit oder eine progressivere Kultur als der Mutterkonzern. Das macht sie schnell in der Entwicklung kreativer Lösungen. Die Hersteller werden sich wahrscheinlich um die ITPlattformen im Auto und die Integration der IT kümmern, ebenso um Connectivity und autonomes Fahren, mutmaßt Kuhnert. „Zulieferer werden auch künftig zuliefern: Sensorik, Hard- und Software für Steuergeräte.“
Bei beiden Fällen brauchen die IT-Experten Überblickswissen über die gesamte Integration der Software im Fahrzeug. Wichtig sind zudem Kenntnisse zum Human Machine Interface, also Bedienelemente in jeder Form: Tasten, Sprache, Gesten. Und drittens ist es durch die Vielzahl an Daten, die im Auto gewonnen werden, wichtig, diese in gewinnbringende Geschäftsmodelle umzuwandeln. Der Druck auf den Arbeitsmarkt in Bezug auf IT-Spezialisten werde höher, sagt Kuhnert. Denn diese würden von ganz vielen Branchen gesucht. Für Digitalisierung von Produkten in anderen Branchen sowie dem Energiewandel, um zwei gewichtige Wettberber zu nennen. Und es wächst Konkurrenz aus dem Silicon Valley. Manche bekannte Unternehmen von dort haben Niederlassungen in Deutschland und anderen europäischen Staaten gegründet.
Auch Michael Böhm, Abteilungsleiter Automotive beim Personaldienstleister Hays in Stuttgart stellt fest, dass die Automobilindustrie in den vergangenen Jahren zunehmend Mitarbeiter mit IT-Wissen sucht. „Jährlich werden die Anfragen mehr, in denen IT-Wissen vorausgesetzt wird.“Im Geschäftsbereich Contracting, das sind Dienstleistungsverträge, die etwa Freiberufler mit ihren Auftraggebern schließen, liegen die Anfragen mit IT-Bezug bei gut 70 Prozent. Hays bringt Auftraggeber und Auftragssuchende zusammen. „Wir sehen eine Steigerung in der Nachfrage nach IT-Spezialisten sowohl bei den Herstellern als auch bei den Zulieferern – aufgrund häufiger Auslagerung suchen Zulieferer tendenziell mehr IT-Fachleute als die OEMs“, sagt Böhm.
Mehr Spezialisten als Generalisten An der Nachfrage bei Hays zeigt sich, dass deutlich mehr IT-Spezialisten als Generalisten gebraucht werden. Was
nicht verwundert bei Themen wie Radar, Sensorik, Bildverarbeitung, etwa für Parkpiloten Damit kennen sich nur Spezialisten aus. Generalisten vernetzten die Systeme im Auto. Dafür werden aber wesentlich weniger Leute gebraucht. Typische Aufgaben für Hard- und Softwarespezialisten in der Automobilindustrie sind nach Angaben von Böhm Softwareentwicklung, Aufbau von Softwarearchitekturen und Systemintegration.