Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Flächenmanagerinnen spüren Baulücken auf
Angelika König und Barbara Gruber sollen Eigentümer innerstädtischer Areale zu An- und Neubauten motivieren
RAVENSBURG - Die Weststadt haben Barbara Gruber und Angelika König schon geschafft: Seit 1. April agieren die beiden in der Ravensburger Stadtverwaltung als Flächenmanagerinnen. Und sind eifrig dabei, die gesamte Stadt systematisch nach Baulücken, Gewerbebrachen oder unbebauten Grundstücken abzusuchen. Sobald Ende 2017 alle Zipfelchen erfasst sind, auf denen man noch anbauen, ausbauen oder aufstocken könnte, wird es spannend: Dann gehen die beiden auf Eigentümer zu. Und versuchen, sie für Neubau- oder Erweiterungsprojekte zu gewinnen.
Ziel der vom Bundeswirtschaftsministerium zwei Jahre lang mit 60 000 Euro bezuschussten Stelle, die König und Gruber sich teilen, ist: „Durch Innenstadtentwicklung wollen wir Flächen gewinnen“, sagt Ravensburgs Baubürgermeister Dirk Bastin. Weil die Kommunen im Zuge der anstehenden Fortschreibung des Flächennutzungsplans dokumentieren müssen, welche Gebiete innerorts noch verfügbar sind, damit möglichst wenig Wiesen und Wälder dran glauben müssen, arbeiten die beiden Flächenmanagerinnen auf Hochtouren.
Sobald die Baulücken mittels Auswertung von Katasterplänen, Luftbildern und Vor-Ort-Terminen erhoben sind, liefern König und Gruber eine Einschätzung, wo sich eine Nachverdichtung am unkompliziertesten anbietet. Am Ende bekommt der Gemeinderat eine Handlungsempfehlung. Er kann dann darüber entscheiden, was die Stadt alles in die Waagschale wirft, um einen Grundstücksbesitzer zum An- oder Ausbau zu motivieren. Die bereits ausgearbeitete Konzeption eines bestimmten Gebietes könnte etwa ein Anreiz sein, stellt Bastin in Aussicht. Zuvor wird Kontakt mit Eigentümern aufgenommen – idealerweise über persönliche Anschreiben. Ein weiterer Weg sind Infoveranstaltungen. „Wir wollen mit den Grundstücksbesitzern ins Gespräch kommen, ihnen Ideen und Impulse geben oder die Beratung durch einen Architekten anbieten“, erläutert König.
Baulückenbörse ist angedacht Auch eine Baulückenbörse, die Flächen(besitzer) und Investoren zusammen bringt, steht zur Diskussion. Denn Investoren gibt es derzeit wie Sand am Meer – mehr als Flächen.
Immer wieder hat Bastin jedoch erlebt, dass Eigentümer den Aufwand eines Neubau- oder Sanierungsprojektes scheuen oder ihr Grundstück als Geldanlage still legen und horten. Hier nun sollen die Flächenmanagerinnen ansetzen und die Besitzer „dazu bewegen, Baulücken zu nutzen“, weiß Christian Storch, Abteilungsleiter Stadtentwicklung im Stadtplanungsamt. Nicht zuletzt könnte das Argument der Wertschöpfung Eigentümer verlocken, hofft Bastin. Gruber betont, es gehe nicht darum, die gesamte Innenstadt auf Teufel komm raus zuzupflastern – vielmehr werde eine „maßvolle Nachverdichtung“angestrebt. Diese soll sich an der vorhandenen Infra- und Sozialstruktur orientieren. Das kann durchaus bedeuten, dass es hinterher nicht nur mehr Wohnraum, sondern auch mehr Grün gibt. Wie in den Ziegelhöfen, die auf dem ehemaligen Post-Areal zwischen Zwerger-, Rudolf- und Ziegelstraße hochgezogen werden. Zu den fünf fünfstöckigen Häusern gesellen sich anstelle des bis dato zu 100 Prozent versiegelten Innenhofs nämlich auch Rasenflächen.
Als weiteres Positiv-Beispiel führt König das Bauprojekt zwischen Garten-, Möttelin-und Kuppelnaustraße ins Feld: An der Stelle, die laut Bastin früher mit einem Video-Laden samt Parkplatz völlig „unternutzt“gewesen sei, entstehen nun fünf mehrstöckige Gebäude inklusive Tiefgarage. „Das ist ein Riesengewinn – dort kann man künftig super zentral wohnen, und obendrein hat sich die Freiraumqualität verbessert“, freut sich der Baubürgermeister im Hinblick auf die neu angelegten Grünflächen. Das Projekt sei in Abstimmung mit dem Eigentümer auf den Weg gebracht worden.
Flächenrecycling anstoßen So soll’s nach Möglichkeit künftig oft laufen. Wobei Storch darauf setzt, dass das Thema Flächenrecycling immer stärker ins Bewusstsein der Menschen kommt – und dadurch bei Grundstücksbesitzern die Bau-Bereitschaft wächst. Abgesehen davon gibt es immer wieder kuriose Fälle: Als Bastin etwa den Besitzer des C&A-Gebäudes in der Ravensburger Unterstadt auf eine Modernisierung angesprochen hat, stellte sich heraus, dass dieser gar nicht wusste, dass eine seiner zahlreichen Immobilien in Ravensburg steht.
Momentan werden in BadenWürttemberg jeden Tag 10 Hektar Natur zugebaut. Laut Baubürgermeister Dirk Bastin will die Bundesregierung diesen enormen Flächenverbrauch zumindest auf bundesweit 30 Hektar pro Tag reduzieren. Allein die Stadt Ravensburg bräuchte derzeit jedes Jahr 250 neue Wohnungen – insgesamt liegt der Bedarf bei 40 Hektar für Wohnbau und 65 Hektar für Gewerbe.
In einem Video erläutert Christian Storch vom Ravensburger Stadtplanungsamt, was es mit der Arbeit der beide neuen Flächenmanagerinnen auf sich hat: www.schaebische.de/flachenrecycling