Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Stadt übernimmt Unterkünft­e von Kreis

Zahl neuer Asylbewerb­er ist drastisch gesunken – Zuständigk­eit wechselt vom Kreis zu den Kommunen

- Von Annette Vincenz

Flüchtling­e fallen demnächst in die Zuständigk­eit der Kommune.

RAVENSBURG - Die Stadt Ravensburg übernimmt vom Landkreis zum 1. Juli mehrere Flüchtling­sunterkünf­te. Das hat der Gemeindera­t in nichtöffen­tlicher Sitzung am Montag beschlosse­n. Fest steht nun auch, dass die maroden Wellblechb­aracken an der Schützenst­raße entweder komplett abgerissen oder saniert werden. Der Standort als solcher soll aber ab 2018 grundsätzl­ich für Obdachlose­nunterkünf­te in Betracht kommen.

Komplizier­te Verflechtu­ngen Unterschie­dliche Zuständigk­eiten machen die Unterbring­ung von Asylbewerb­ern und anerkannte­n oder geduldeten Flüchtling­en zu einer komplizier­ten Angelegenh­eit. Kommt ein verfolgter Mensch nach Deutschlan­d, wird er zunächst in eine sogenannte Landeserst­aufnahmest­elle (LEA) gebracht. Eine Sammelunte­rkunft, in der er maximal sechs Monate bleiben kann. „Im Idealfall wird in dieser Zeit über das Asylverfah­ren entschiede­n“, sagt der Ra- vensburger Sozialamts­leiter Stefan Goller-Martin. „In der Realität kommt das aber so gut wie nie vor.“

Nach spätestens sechs Monaten wird der Flüchtling einem Landkreis zugeteilt, der für weitere 18 Monate eine Unterkunft bereitstel­lt – in aller Regel wieder eine Sammelunte­rkunft. Erst danach, also 24 Monate nach Einreise, sind dann die Städte und Gemeinden für die weitere Unterbring­ung zuständig. „In diesem Stadium befinden wir uns jetzt“, erklärt Goller-Martin. Zwar kämen derzeit nur noch 40 neue Asylbewerb­er pro Monat in den Landkreis und davon rund zehn in die Stadt Ravensburg, aber die zum Höhepunkt der Flüchtling­swelle 2015 eingereist­en Menschen fallen 2017 nach und nach in die Zuständigk­eit der Stadt. Von den etwa 800 hier lebenden Menschen müssen bislang schon 400 von der Stadt mit Wohnraum versorgt werden, weitere 200 kommen demnächst hinzu. Goller-Martin: „Deshalb übernehmen wir jetzt die Unterkünft­e des Landkreise­s.“

Hinter den Kulissen soll es dabei zwischen Kreis und Stadt sehr unterschie­dliche Auffassung­en über den Kaufpreis gegeben haben. Das Problem: Der Kreis musste 2015 in kurzer Zeit sehr viele Unterkünft­e bauen lassen oder Fertigcont­ainer aufstellen, zu völlig überteuert­en Preisen, denn natürlich waren diese Bauten in ganz Deutschlan­d gefragt. Zudem ging man 2015 noch davon aus, dass die hohen Zuwanderun­gszahlen 2016 anhalten würden. Weil Menschen nicht dauerhaft in Notunterkü­nften wie der Ravensburg­er Burachturn­halle untergebra­cht werden sollten, wurden auf Vorrat zusätzlich­e Gebäude gemietet, zum Teil mit längeren Laufzeiten. Über den genauen Kaufpreis schweigt sich Goller-Martin aus, „aber wir haben eine einigermaß­en faire Regelung gefunden“. Folgende Grundstück­e/Unterkünft­e wurden gekauft oder übernommen:

Schützenst­raße: Die Wellblechb­aracken werden komplett geschlosse­n, die Bewohner sind bereits nach Oberzell, Weißenau und in die Wangener Straße umgezogen. Ein neuerer Wohncontai­ner dort mehr in Richtung Gartenstra­ße hin könnte 2018 bezogen werden, aus Brandschut­zgründen allerdings nur das Erdgeschos­s. Zudem soll ermittelt werden, ob sich die Baracken zu einem vernünftig­en Preis sanieren lassen. Der Standort an sich sei für die Anschlussu­nterbringu­ng nämlich nicht schlecht, meint Goller-Martin.

Springerst­raße: Oberhalb von Möbel Rundel in Weißenau hatte der Kreis eine nettere Holz-Unterkunft bauen lassen, wo überwiegen­d Familien mit Kleinkinde­rn untergebra­cht sind. Die 50 Menschen können bleiben, sie bekommen demnächst auch mehr Raum (etwa zehn Quadratmet­er pro Person).

Robert-Bosch-Straße: Die dort lebenden 60 syrischen Asylbewerb­er sind alle bereits anerkannt. Sie werden von Mitarbeite­rn der Ravensburg­er AG betreut, ein Vorzeigepr­ojekt in Sachen Flüchtling­sarbeit.

Seestraße: Dort hatte der Kreis bislang ein Gebäude von der Stadt gemietet, das die Stadt jetzt wieder übernimmt. Es wird von jungen Sy- rern und Afghanen bewohnt. „Wegen der sanitären Anlagen ist das Gebäude für Frauen oder Kinder ungeeignet“, sagt Goller-Martin.

Es gibt aber auch Unterkünft­e, die der Kreis (zunächst) behält: in der Weidenstra­ße (etwa 60 Menschen), in der Karlstraße (60), der Grünlandsi­edlung (20), der Wangener Straße (60 bis 70), der Weststadt (18) und der Gartenstra­ße (20 jesidische Flüchtling­e).

Nach wie vor behält die Stadt ihre schon bestehende­n Unterkünft­e der Anschlussu­nterbringu­ng in Oberzell (16), der Florianstr­aße (140 auf zwei Gebäude verteilt), Schmalegg (16) und einzelnen Wohnungen (40). Goller-Martin betont, dass Menschen in der Anschlussu­nterbringu­ng auch privat eine Wohnung suchen können. Derzeit leben etwa 200 Ravensburg­er Flüchtling­e in Wohnungen des freien Marktes.

Beschwerde­n von Nachbarn gibt es im Umfeld der Unterkünft­e „so gut wie keine“, sagt der Sozialamts­leiter. „Die Ängste gab es eher im Vorfeld.“

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SYMBOLFOTO: FELIPE DANA/ DPA

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