Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Millionen an eine Zehnjährige
Viele Details, keine Beweise: Enthüllter Garcia-Report zeigt die Abgründe des Fußballs
FRANKFURT (SID/dpa) - Zwei Millionen Dollar, die auf das Konto der zehnjährigen Tochter eines FIFAFunktionärs überwiesen werden. Drei stimmberechtigte Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees, die in einem Privatjet des katarischen Fußball-Verbandes QFA zu einer Lustreise nach Rio de Janeiro geflogen werden. Ein Funktionär, der sich bei den Scheichs via Mail für eine Überweisung über mehrere Hunderttausend Dollar bedankt habe: Was wie Szenen aus einem Mafia- oder Korruptionsfilm wirkt, hat sich genau so zugetragen und ist nun offiziell dokumentiert. All das sind Details aus dem bisher geheimgehaltenen Untersuchungsbericht des früheren FIFA-Chefermittlers Michael Garcia, die vor allem den künftigen WMGastgeber Katar erneut unter Druck setzen. Die am Dienstag zuerst von der „Bild“publizierten Erkenntnisse legen einen Stimmenkauf aber mal wieder nahe.
Der Münchner Richter Hans-Joachim Eckert, der beim Fußball-Weltverband unlängst von seinem Amt als Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer der Ethikkommission entbunden worden war, hatte bei seiner Überprüfung des brisanten Dokuments, das die 2010 erfolgten Vergaben der WM-Endrunden 2018 (Russland) und 2022 (Katar) untersucht, keine stichhaltigen Beweise für eine Manipulation gefunden. Oder zumindest nicht so gravierende, dass eine Neuvergabe der Endrunde im Wüstenstaat nötig gewesen wäre. Dem Topjuristen fehlten dingfeste, justiziable Beweise für Bestechung.
Komplett schwarz auf weiß vorliegend, liest sich der Bericht wie ein erschreckendes Sittengemälde und gewährt Einblick in die Abgründe der Fußball-Welt in des Ex-FIFAChefs Joseph Blatter, in die auch das mittlerweile vom eigenen VergabeSkandal betroffene deutsche WMSommermärchen fiel.
Garcia trat im Dezember 2014 von seinem Posten als Chef der ermittelnden Kammer der FIFA-Ethikkommission zurück. Er empfand seine Erkenntnisse im Abschlussbericht von Eckert nicht richtig interpretiert.
Die Veröffentlichung des Berichts wurde später vielfach gefordert, auch von Blatter, aber juristische Bedenken verhinderten dies schließlich – bis zur Enthüllung der „Bild“. Die FIFA veröffentlichte den Report komplett auf ihrer Webseite. „Im Sinne der Transparenz begrüßt die FIFA die Neuigkeit, dass dieser Bericht nun endlich veröffentlicht wurde“, schrieb der Weltverband. Die Entscheidung habe die neue Spitze der FIFA-Ehtikkommission getroffen.
Überraschen dürften die jetzt veröffentlichten Details wahrlich nicht, seit geraumer Zeit wird die WM-Vergabe von Korruptionsvorwürfen begleitet. Dass die Arbeiter auf den WM-Baustellen massiv „ausgenutzt und ausgebeutet“werden, wie Amnesty International berichtete, stellt die Vergabe ebenso infrage.
All das sind für die FIFA jedoch (noch) keine Gründe, um dem Wüstenstaat die WM zu entziehen. Ganz im Gegenteil: Der Weltverband hofft durch die WM auf eine Verbesserung der Situation. „Wenn der Fußball einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, werde ich nicht zögern, meine Hilfe anzubieten“, sagte Präsident Gianni Infantino zuletzt.