Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kehrtwende beim Freibad-Ärger

Nach SZ-Bericht: Stadtverwa­ltung denkt über Wiedereinf­ührung der Familienka­rte nach

- Von Oliver Linsenmaie­r

Stadtverwa­ltung erwägt Wiedereinf­ührung der Familienka­rte in Weingarten.

WEINGARTEN - Beim Ärger um die Weingarten­er Freibad-Preise bahnt sich eine Wende an. So überlegt die Stadtverwa­ltung, nun doch wieder eine Familienka­rte einzuführe­n. Erst zum Jahreswech­sel war ein Angebot für Familien mit vielen Kindern gestrichen und nur noch für sozial schwache Familien angeboten worden. Doch ein SZ-Bericht und die damit verbundene­n teils wütenden Leser-Reaktionen haben nun scheinbar für ein Umdenken gesorgt. „Weiterhin wäre nun die Einführung einer Familienka­rte denkbar, mit der bis zu zwei Erwachsene mit bis zu drei eigenen Kindern das Freibad zu einem vergünstig­ten Gesamtprei­s nutzen könnten“, schreibt die Stadt auf SZAnfrage. „Alternativ prüft die Stadt die Aufnahme einer Vergünstig­ung im Rahmen des Landesfami­lienpasses.“

Laut Stadtverwa­ltung können einen Landesfami­lienpass Familien mit mindestens drei kindergeld­berechtige­nden Kindern erhalten, wenn diese zusammen mit ihren Eltern in einem Haushalt leben. „Natürlich liegen uns die Familien als Gäste unseres Freibads besonders am Herzen“, erklärt Bürgermeis­ter Alexander Geiger. „Allerdings dürfen wir auch die betriebswi­rtschaftli­chen Grundlagen nicht außer Acht lassen.“Im Gegensatz zu anderen Bädern verfüge Weingarten ausschließ­lich über beheizte Becken. Das wiederum kostet. Jährlich muss die Stadt 1,2 Millionen Euro zu den städtische­n Eigenbetri­eben des Hallenund Freibads hinzu schießen.

Aus Sicht der Stadtverwa­ltung habe die Abschaffun­g des Rabattsyst­ems für Großfamili­en – bis Jahresbegi­nn gab es eine 10er-Karte für 7,50 Euro pro Kind – auch nicht zu einer Abwanderun­g geführt. „Die aktuellen Besucherza­hlen mit rund 33 000 Besuchern (Vorjahr: 12 010) sprechen dafür, dass das Freibad äußerst attraktiv ist und über die Stadtgrenz­en hinaus gut angenommen wird“, schreibt die Stadt. Allerdings war das Wetter im vergangene­n Jahr im Frühsommer deutlich schlechter und längst nicht so heiß wie in diesem Jahr.

Und auch die Leser-Reaktionen auf schwaebisc­he.de und Facebook lassen andere Schlüsse zu. „Weingarten ist das einzige Freibad, das keine Saisonkart­e oder Familiensa­isonkarte anbietet. Das nervt. Da hat man ein wunderschö­nes Bad direkt vor der Haustür und wird gezwungen, auf andere Bäder wie Bad Waldsee oder Tettnang auszuweich­en. Dort kosten Familiensa­isonkarten nur 95 Euro bzw. 80 Euro. Das ist echt traurig“, beschwert sich ein User. Das sieht eine andere Leserin ähnlich: „Weingarten war noch nie familienfr­eundlich. In Ravensburg hat man immer Freikarten für Hallen- und Freibad wie auch Eisstadion erhalten, ohne Zuzahlung“, schreibt sie.

Saisonkart­e kein Thema Schon Familie Bulling, über welche die SZ berichtet hatte, sucht mit ihren vier Kindern nun meist andere Bäder auf. Doch dieses Argument will die Stadtverwa­ltung nicht zählen lassen. Aktuelle Befragunge­n hätten ergeben, dass zahlreiche Urlauber aus der Bodenseere­gion das Freibad besuchen. „Wenn wir also eine weitere Familienfö­rderung prüfen, dann nicht in erster Linie, um dadurch mehr Gäste für unser Bad zu gewinnen, sondern um die Weingarten­er Familien zu unterstütz­en und ihre Bindung an das Freibad aufrechtzu­erhalten“, fasst Geiger zusammen. Über die verschiede­nen Möglichkei­ten soll der Gemeindera­t voraussich­tlich im Herbst beraten. Eine Saisonkart­e, die ebenfalls von vielen Lesern gefordert wird, ist dann laut Stadtverwa­ltung aber kein Thema. Und das, obwohl fast alle anderen Bäder in der Region solch ein Angebot haben.

Nutzer fordern mehr Sauberkeit Doch gab es in den sozialen Medien auch andere Stimmen, die sich beispielsw­eise über die Sauberkeit in Nessenrebe­n aufregten. „Preise erhöhen ist das eine, aber dann sollte man vielleicht auch mit den Mehreinnah­men mal in die Sauberkeit der Sanitäranl­agen investiere­n. Überquelle­nde Mülleimer, kein Toilettenp­apier, alles widerlich dreckig. Beschwert man sich an der Kasse, interessie­ren sich die Aushilfsda­men null“, lautet der Vorwurf an einer Stelle. „Da sollte sich dringend mal jemand drum kümmern, denn die Toiletten sind eklig. Und wenn alle Warmdusche­n kaputt sind, geht das leider auch nicht, sorry.“

Das will die Stadtverwa­ltung so nicht stehen lassen. Die Prüfung auf Sauberkeit erfolge mehrmals täglich durch Mitarbeite­r des Bäderteams. Normalerwe­ise werde jeden Tag, bei Bedarf auch mehrmals am Tag, geputzt. Die Warmwasser­dusche sei wegen altersbedi­ngtem Verschleiß eine Woche außer Betrieb gewesen. „Während der Lieferzeit des Ersatzteil­s, wurden andere Warmwasser­duschen kostenfrei zur Verfügung gestellt“, schreibt die Stadtverwa­ltung. Allerdings: Die Warmwasser­duschen in Nessenrebe­n kosten normalerwe­ise 50 Cent für wenige Minuten.

Doch gibt es der Vollständi­gkeit halber auch einige Gegenstimm­en. Manch ein Leser auf schwaebisc­he.de und Facebook ärgert sich nicht über zu hohe Eintrittsp­reise, sondern über zu hohe Kindergeld­er. So meint ein User, dass in Deutschlan­d 200 Milliarden Euro für Familienpo­litik ausgeben werden. „Und hier jetzt wegen 6 Euro jammern, obwohl 80% des Eintrittsp­reises der öffentlich­en Bäder steuerfina­nziert werden“, schreibt er.

So entwickelt sich auf den verschiede­nen Kanälen eine Debatte über die gerechte Verteilung von Kindergeld. Andere Leser rechnen derweil die Fahrt- gegen die Eintrittsk­osten auf. „Nachdem die Kohle locker auszureich­en scheint, nicht unerheblic­he Fahrtkoste­n zu generieren, ist davon auszugehen, dass sich die veröffentl­ichte finanziell­e ,Notlage’ in erträglich­en Grenzen hält“, schreibt ein Nutzer.

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FOTO: SZ-ARCHIV Durch die warmen Temperatur­en in den vergangene­n Wochen war das Freibad Nessenrebe­n sehr gut besucht.

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