Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kehrtwende beim Freibad-Ärger
Nach SZ-Bericht: Stadtverwaltung denkt über Wiedereinführung der Familienkarte nach
Stadtverwaltung erwägt Wiedereinführung der Familienkarte in Weingarten.
WEINGARTEN - Beim Ärger um die Weingartener Freibad-Preise bahnt sich eine Wende an. So überlegt die Stadtverwaltung, nun doch wieder eine Familienkarte einzuführen. Erst zum Jahreswechsel war ein Angebot für Familien mit vielen Kindern gestrichen und nur noch für sozial schwache Familien angeboten worden. Doch ein SZ-Bericht und die damit verbundenen teils wütenden Leser-Reaktionen haben nun scheinbar für ein Umdenken gesorgt. „Weiterhin wäre nun die Einführung einer Familienkarte denkbar, mit der bis zu zwei Erwachsene mit bis zu drei eigenen Kindern das Freibad zu einem vergünstigten Gesamtpreis nutzen könnten“, schreibt die Stadt auf SZAnfrage. „Alternativ prüft die Stadt die Aufnahme einer Vergünstigung im Rahmen des Landesfamilienpasses.“
Laut Stadtverwaltung können einen Landesfamilienpass Familien mit mindestens drei kindergeldberechtigenden Kindern erhalten, wenn diese zusammen mit ihren Eltern in einem Haushalt leben. „Natürlich liegen uns die Familien als Gäste unseres Freibads besonders am Herzen“, erklärt Bürgermeister Alexander Geiger. „Allerdings dürfen wir auch die betriebswirtschaftlichen Grundlagen nicht außer Acht lassen.“Im Gegensatz zu anderen Bädern verfüge Weingarten ausschließlich über beheizte Becken. Das wiederum kostet. Jährlich muss die Stadt 1,2 Millionen Euro zu den städtischen Eigenbetrieben des Hallenund Freibads hinzu schießen.
Aus Sicht der Stadtverwaltung habe die Abschaffung des Rabattsystems für Großfamilien – bis Jahresbeginn gab es eine 10er-Karte für 7,50 Euro pro Kind – auch nicht zu einer Abwanderung geführt. „Die aktuellen Besucherzahlen mit rund 33 000 Besuchern (Vorjahr: 12 010) sprechen dafür, dass das Freibad äußerst attraktiv ist und über die Stadtgrenzen hinaus gut angenommen wird“, schreibt die Stadt. Allerdings war das Wetter im vergangenen Jahr im Frühsommer deutlich schlechter und längst nicht so heiß wie in diesem Jahr.
Und auch die Leser-Reaktionen auf schwaebische.de und Facebook lassen andere Schlüsse zu. „Weingarten ist das einzige Freibad, das keine Saisonkarte oder Familiensaisonkarte anbietet. Das nervt. Da hat man ein wunderschönes Bad direkt vor der Haustür und wird gezwungen, auf andere Bäder wie Bad Waldsee oder Tettnang auszuweichen. Dort kosten Familiensaisonkarten nur 95 Euro bzw. 80 Euro. Das ist echt traurig“, beschwert sich ein User. Das sieht eine andere Leserin ähnlich: „Weingarten war noch nie familienfreundlich. In Ravensburg hat man immer Freikarten für Hallen- und Freibad wie auch Eisstadion erhalten, ohne Zuzahlung“, schreibt sie.
Saisonkarte kein Thema Schon Familie Bulling, über welche die SZ berichtet hatte, sucht mit ihren vier Kindern nun meist andere Bäder auf. Doch dieses Argument will die Stadtverwaltung nicht zählen lassen. Aktuelle Befragungen hätten ergeben, dass zahlreiche Urlauber aus der Bodenseeregion das Freibad besuchen. „Wenn wir also eine weitere Familienförderung prüfen, dann nicht in erster Linie, um dadurch mehr Gäste für unser Bad zu gewinnen, sondern um die Weingartener Familien zu unterstützen und ihre Bindung an das Freibad aufrechtzuerhalten“, fasst Geiger zusammen. Über die verschiedenen Möglichkeiten soll der Gemeinderat voraussichtlich im Herbst beraten. Eine Saisonkarte, die ebenfalls von vielen Lesern gefordert wird, ist dann laut Stadtverwaltung aber kein Thema. Und das, obwohl fast alle anderen Bäder in der Region solch ein Angebot haben.
Nutzer fordern mehr Sauberkeit Doch gab es in den sozialen Medien auch andere Stimmen, die sich beispielsweise über die Sauberkeit in Nessenreben aufregten. „Preise erhöhen ist das eine, aber dann sollte man vielleicht auch mit den Mehreinnahmen mal in die Sauberkeit der Sanitäranlagen investieren. Überquellende Mülleimer, kein Toilettenpapier, alles widerlich dreckig. Beschwert man sich an der Kasse, interessieren sich die Aushilfsdamen null“, lautet der Vorwurf an einer Stelle. „Da sollte sich dringend mal jemand drum kümmern, denn die Toiletten sind eklig. Und wenn alle Warmduschen kaputt sind, geht das leider auch nicht, sorry.“
Das will die Stadtverwaltung so nicht stehen lassen. Die Prüfung auf Sauberkeit erfolge mehrmals täglich durch Mitarbeiter des Bäderteams. Normalerweise werde jeden Tag, bei Bedarf auch mehrmals am Tag, geputzt. Die Warmwasserdusche sei wegen altersbedingtem Verschleiß eine Woche außer Betrieb gewesen. „Während der Lieferzeit des Ersatzteils, wurden andere Warmwasserduschen kostenfrei zur Verfügung gestellt“, schreibt die Stadtverwaltung. Allerdings: Die Warmwasserduschen in Nessenreben kosten normalerweise 50 Cent für wenige Minuten.
Doch gibt es der Vollständigkeit halber auch einige Gegenstimmen. Manch ein Leser auf schwaebische.de und Facebook ärgert sich nicht über zu hohe Eintrittspreise, sondern über zu hohe Kindergelder. So meint ein User, dass in Deutschland 200 Milliarden Euro für Familienpolitik ausgeben werden. „Und hier jetzt wegen 6 Euro jammern, obwohl 80% des Eintrittspreises der öffentlichen Bäder steuerfinanziert werden“, schreibt er.
So entwickelt sich auf den verschiedenen Kanälen eine Debatte über die gerechte Verteilung von Kindergeld. Andere Leser rechnen derweil die Fahrt- gegen die Eintrittskosten auf. „Nachdem die Kohle locker auszureichen scheint, nicht unerhebliche Fahrtkosten zu generieren, ist davon auszugehen, dass sich die veröffentlichte finanzielle ,Notlage’ in erträglichen Grenzen hält“, schreibt ein Nutzer.