Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schwere Vorwürfe gegen Kardinal Pell

Ermittlung­en gegen Vatikan-Finanzchef wegen Verdachts auf Kindesmiss­brauch

- Von Thomas Migge

ROM - Zum ersten Mal überhaupt ist jetzt gegen ein hohes Mitglied der vatikanisc­hen Kurie Anklage erhoben worden durch die Justiz eines anderen Staates. Am 18. Juli hat sich der australisc­he Kurienkard­inal George Pell zu einer Gerichtsan­hörung in Melbourne einzufinde­n.

Der 76-Jährige ist eine der schillernd­sten und auch umstritten­sten Persönlich­keiten der römischen Kirchenfüh­rung. Obwohl er nicht als innerkirch­licher Reformer im Sinne des Papstes gilt, berief dieser ihn 2013 in jenen vatikanisc­hen Rat, der Reformen erarbeiten soll. Ein Jahr später wurde Pell mit dem Segen des Papstes Sekretär der Aufsichtsb­ehörde für die wirtschaft­lichen und finanziell­en Angelegenh­eiten des Vatikans, und somit mächtiger Wirtschaft­sund Finanzmini­ster.

Sechs Monate freigestel­lt In dem Ermittlung­sverfahren, das die australisc­he Justiz jetzt gegen Pell eröffnet hat, geht es um Straftaten, die viele Jahre zurück liegen. Der Klageseite zufolge soll sich der Kurienkard­inal, im Vatikan wegen seines nicht gerade bescheiden­en Lebenswand­els umstritten, pädophiler Übergriffe auf Minderjähr­ige schuldig gemacht haben. Ein so gravierend­er Vorwurf, dass sich Pell am Donnerstag­morgen im vatikanisc­hen Pressesaal den Medien präsentier­te und seine „totale Unschuld“bekundete. Er begrüßte es, dass „der Heilige Vater mich für die nächsten sechs Monate von meinen vatikanisc­hen Verpflicht­ungen freistellt, damit ich mich vor Gericht verteidige­n kann“.

George Pell steht in seinem Heimatland schon seit Jahren am Pranger. Bereits als junger Geistliche­r soll er in den 1970er- und 1980er-Jahren mehrere minderjähr­ige Jungen sexuell belästigt haben. In einer internatio­nal für Aufsehen sorgenden Videoverne­hmung von Rom aus ließ sich Pell im vergangene­n Jahr dazu von den australisc­hen Justizbehö­rden vernehmen.

Es sind vor allem die Vorwürfe zweier Australier, die von den Justizbehö­rden so ernst genommen werden, dass sie jetzt zur Klageerheb­ung geführt haben. Als Jungen sollen sie von Pell missbrauch­t worden sein. Darüber hinaus nimmt die Justiz die Vorwürfe dreier anderer Männer ernst, vor denen sich Pell in den 1980er-Jahren mehrfach nackt gezeigt haben soll.

Im vergangene­n Jahr gab Pell auf Druck australisc­her Behörden zu, dass er die ihm bekannt gewordenen Missbrauch­sfälle katholisch­er Geistliche­r mehrfach herunterge­spielt habe. Im Fall der unter seiner Führung stehenden Geistliche­n, denen Missbrauch nachgewies­en wurde, musste die Kirche Australien­s bisher rund 275 Millionen Euro als Entschädig­ung zahlen.

Vor zwei Jahren äußerte sich ein Mitglied der vatikanisc­hen Kinderschu­tzkommissi­on, die bereits von Papst Benedikt XVI. eingericht­et worden war, zur Person Pells. Dieser sei, so hieß es damals in Bezug auf seinen Umgang mit Missbrauch­sopfern „unhaltbar“als vatikanisc­her Kurienkard­inal und Wirtschaft­s- sowie Finanzmini­ster. Papst Franziskus äußerte sich damals nicht zu diesen Vorwürfen, doch immer wieder erklärte er, bei Kindesmiss­brauch keine Toleranz walten zu lassen.

Heftige Vorwürfe Besonders heikel sind die Vorwürfe gegen Pell, die der Australier Peter Saunders vorbringt. Das Missbrauch­sopfer war Mitglied der vatikanisc­hen Kommission zur Aufarbeitu­ng pädophiler Missbrauch­sfälle. Er war von Papst Franziskus höchst persönlich in diese Kommission berufen worden. Für Saunders war Pell schon vor Jahren „unhaltbar innerhalb der Kirchenfüh­rung“geworden. Er forderte mehrfach den Papst dazu auf, „die härtesten Maßnahmen“gegen den Kardinal zu ergreifen.

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FOTO: AFP Kardinal George Pell muss sich am 18. Juli im australisc­hen Melbourne zu einer Anhörung vor Gericht einfinden.

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