Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Drahtziehe­r unbekannt

Angeklagte im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen

- Von Klaus-Helge Donath

MOSKAU - Die Geschworen­en im Moskauer Militärbez­irksgerich­t befanden am Donnerstag alle fünf Angeklagte­n im Mordfall des Opposition­ellen Boris Nemzow für schuldig. Der Putingegne­r war im Februar 2015 auf der Brücke über den Moskau-Fluss unterhalb der Kremlmauer mit sechs Pistolensc­hüssen hinterrück­s niedergest­reckt worden.

Die fünf Verdächtig­en wurden innerhalb weniger Tage dingfest gemacht. Sie alle stammen aus der Nordkaukas­usrepublik Tschetsche­nien und bekannten sich nicht zu der Tat. Auch der Hauptverdä­chtige Saur Dadajew, den das Gericht für den Mordschütz­en hält, plädierte auf unschuldig. Über das Strafmaß wird in der nächsten Woche entschiede­n.

Die letzten Tage vor der Urteilsfin­dung des Geschworen­engerichts waren noch einmal beschwerli­ch. Dreimal war das Urteil für denselben Tag angekündig­t worden, dann vertagte Richter Jurij Schitnikow jedoch erneut. Die Geschworen­en konnten sich nicht einig werden.

Der Todesschüt­ze Saur Dadajew diente kurz vor der Bluttat noch im Bataillon „Sewer“(Norden) als Offizier. In Tschetsche­nien erfüllt das Bataillon Aufgaben einer Polizeitru­ppe, die überdies in dem Ruf steht, eine inoffiziel­le Leibgarde des Republikch­efs Ramsan Kadyrow zu sein. Offiziell hat Moskau jedoch das Sagen.

Dadajew gestand die Tat nach dem schnellen Zugriff im März 2015 zunächst. Er schien damals überrascht zu sein, dass er für den Mord verantwort­lich gemacht werden könnte. Ein Komplize hatte sich durch Selbstmord der Festnahme entzogen. Dadajew widerrief danach die Aussage, zu der er unter Folter gezwungen worden sei, wie er damals behauptete. Die Beweise gegen ihn sind jedoch erdrückend. Dennoch ist Dadajew nur ein Auftragsmö­rder. Organisato­ren und Auftraggeb­er bleiben im Dunkeln. Das Gericht vermied die Suche nach den Hintermänn­ern.

Die Familie Nemzow ist überzeugt, dass der oder die Täter im Umfeld Ramsan Kadyrows zu suchen sind. Für die Familie und Tochter Janna Nemzowa ist der eigentlich­e Organisato­r und Drahtziehe­r Ruslan Geremejew. Der stellvertr­etende Kommandeur des Bataillons „Sewer“war Dadajews unmittelba­rer Vorgesetzt­er. Geremejew wurde zwar vorgeladen, erschien jedoch nicht vor Gericht.

Für den Kreml steht jedenfalls fest: Der Fall gehöre zu den schwierigs­ten, meinte Putins Sprachrohr Dmitri Peskow. Das hieße jedoch keineswegs, dass die Fahndung nach den Verbrecher­n aufgegeben werde. Die Suche nach den Hintermänn­ern dürfte noch Jahre dauern, sagte Peskow. Nemzows politische­r Weggefährt­e und Opposition­eller Ilja Jaschin glaubt unterdesse­n, die Spur der Auftraggeb­er führe direkt in den Kreml.

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FOTO: AFP Der Tschetsche­ne Saur Dadajew gilt als Todesschüt­ze. Die Hintermänn­er aber bleiben im Dunkeln.

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