Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Verteidiger zweifelt Beweiskraft von Indizien an
Berger Mordprozess: Ende der Anträge seitens des Angeklagten ist nicht abzusehen
RAVENSBURG - Mit einer Fülle neuer Anträge seitens des Angeklagten und seines Pflichtverteidigers musste sich die Große Strafkammer des Landgerichts Ravensburg am gestrigen Prozesstag im Berger Mordprozess auseinandersetzen. Zweimal unterbrach der Vorsitzende Richter Jürgen Hutterer die Verhandlung, damit das Gericht alte Anträge beraten und der Verteidiger angekündigte neue Anträge ausformulieren konnte.
Sie zielten darauf ab, die Beweiskraft von Indizien zu erschüttern, wonach der Angeklagte vor knapp einem Jahr seine getrennt von ihm lebende Ehefrau ermordet haben soll. Die Staatsanwaltschaft stützt sich in ihrer Mordanklage unter anderem darauf, dass bei der Getöteten unter drei Fingernägeln Hautpartikel des Ehemanns gefunden wurden, obwohl dieser bereits im Februar 2016 aus dem gemeinsamen Haus in Berg ausgezogen war. Solche Hautschuppen müssten sich auch in Ritzen der Polstermöbel befunden haben und noch befinden, erklärte der Anwalt. Daher sei es wahrscheinlich, dass sie unter die Fingernägel der Frau gelangten, als sie am Tag vor ihrem Tod die Polstermöbel säuberte.
Der Staatsanwalt hält diese Annahme für ziemlich abwegig. Er misst auch einem weiteren Beweisantrag der Verteidigung keine Aussagekraft zu. Hier ging es um die Frage, ob der Angeklagte im fraglichen Zeitraum von dem Hotel in Erding, in das er sich übers Wochenende mit seinen Kindern eingemietet hatte, nach Berg gefahren und gegen 6 Uhr wieder im Hotel eingetroffen sein könnte.
Nach den Recherchen des Verteidigers hätte der Angeklagte mehr als sieben Stunden für die Hin- und Rückfahrt benötigt, zumal auf der A 96 zwischen Buchloe und München drei Baustellen mit einem Tempolimit von 60 Kilometern pro Stunde bestanden. Überwachungskameras in zwei Autobahntunnels haben zwar zu den fraglichen Zeitpunkten einen weißen Scoda Yeti aufgenommen, wie ihn der Angeklagte damals fuhr. Darauf waren aber die Autokennzeichen nicht lesbar.
Keine Beweiskraft misst das Gericht mehreren Fotos bei, welche die Tochter des Angeklagten vom Hotelzimmer aus aufgenommen hat. Darauf sind mehrere weiße Autos zu sehen, die auf dem Hotelparkplatz standen. Der Angeklagte wollte anhand dieses Fotos nachweisen, dass sein Wagen in der Tatnacht nicht bewegt worden ist.
Abschließend verlangte der Angeklagte eine Stimmenanalyse der Tonbandaufnahme, die er heimlich in dem Haus in Berg anfertigte. Davon verspricht er sich den Nachweis, dass zwischen seiner Frau und seinem Schwiegervater ein sexuelles Verhältnis bestanden habe.
Die Verhandlung wird am Donnerstag, 13. Juli, um 9 Uhr fortgesetzt.