Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Weißenauer verklagen Stadtverwa­ltung

Geplantes Studentenw­ohnheim in der Graf-Sternberg-Straße erzürnt die Nachbarn

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Siegfried und Barbara Keck können keine Nacht mehr ruhig schlafen. Die Rentner machen sich Sorgen. Sorgen, dass es mit ihrer beschaulic­hen Vorstadtid­ylle in der Weißenauer Graf-Sternberg-Straße bald vorbei sein könnte. Grund ist ein geplantes Studentenw­ohnheim auf dem angrenzend­en Grundstück, das ihrer Meinung nach viel zu groß wird und gleichzeit­ig zu wenig Parkplätze haben wird. Deshalb haben die Kecks gemeinsam mit anderen Nachbarn das Bauordnung­samt der Stadt Ravensburg verklagt und hoffen, dass das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n einen einstweili­gen Baustopp verfügt und das Vorhaben danach ganz kippt.

Grundsätzl­ich haben die Nachbarn nichts dagegen, dass das angrenzend­e Grundstück an der GrafSternb­erg-Straße 2 wieder bebaut wird. „Ein Doppelhaus zum Beispiel. Etwas, das hier in die Gegend passt“, schlägt Siegfried Keck vor und seufzt. Denn der Käufer des Grundstück­s hat anderes vor. Zunächst ließ er ein bestehende­s Zweifamili­enhaus abreißen, das in die Jahre gekommen war, lange leer stand und Schimmelsc­häden aufwies. Jetzt will er ein Studentenw­ohnheim mit 21 Zimmern errichten und dabei einen Großteil der Grundstück­sfläche ausnutzen, zudem in die maximal mögliche Höhe bauen. „Das neue Haus wird knapp unter zwölf Meter hoch und damit anderthalb Meter höher als unser Haus“, empören sich die Kecks. Da der Neubau in Richtung Süden liegt, fürchten sie, dass es dunkel werden könnte in ihrem Garten und Wohnzimmer.

Parkchaos und Lärm befürchtet Aber das wäre noch das geringste Problem. „Das Schlimmste sind die wenigen Parkplätze“, findet Barbara Keck: sechs Stellfläch­en für 21 Studenten, von denen fast jeder heutzutage ein Auto habe. Zudem würden die jungen Leute ja auch Besuch bekommen, wahrschein­lich ebenfalls in Autos. Neben dem Parkchaos fürchten die Rentner aber auch den Lärm, der naturgemäß von Studentenw­ohnheimen ausgeht, wo viele Partys gefeiert werden und es deshalb auch öfter laut zugeht.

Das Bauvorhabe­n widerspric­ht ihrer Ansicht nach auch einem Bebauungsp­lan, der seit 2006 bei der Stadt Ravensburg in der Schublade lag und den Schutz von Vorgärten in dem Gebiet vorsieht, der aber freilich zum Zeitpunkt der Baugenehmi­gung nicht rechtskräf­tig war. „Da hätte die Stadt auch eine Veränderun­gssperre verhängen können“, meinen die Senioren. Alle Menschen, die an der riesigen Baugrube vorbeiging­en, würden sich „an den Kopf fassen“und die Kecks bedauern, sagen sie. Sie hoffen nun, dass es ihrem Anwalt gelingt, den Baubeginn zu verhindern. Das etwaige Hauptverfa­hren könnte sich dann über Monate oder Jahre hinziehen, und sie hätten eine Weile Ruhe.

Die Pressestel­le der beklagten Stadt Ravensburg verteidigt die Baugenehmi­gung und hält sie weiter für rechtens. Die Stadt Ravensburg stehe schon seit Jahren vor der schwierige­n Aufgabe, wertvolle Flächenres­sourcen zu schützen und bestmöglic­h zu nutzen. „Da aber gleichzeit­ig die Wirtschaft und die Bevölkerun­g in unserer Stadt dynamisch wachsen, erhöht sich der Druck auch auf bestehende Wohnlagen“, äußert sich Pressespre­cher Alfred Oswald auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Insbesonde­re in älteren Quartieren – zu denen zählt auch Weißenau – gebe es noch recht kleine Häuser auf teils sehr großen Grundstück­en. Mit einem Generation­enwechsel suchten die Erben meistens nach einer guten Nachnutzun­gsmöglichk­eit.

Erben verkaufen Grundstück­e Sehr häufig lebten Erben aber gar nicht in oder nahe Ravensburg. „Folge: Sie verkaufen das Grundstück zum bestmöglic­hen Preis. Die Käufer (häufig zahlen diese Preise nur noch Bauträger) müssen dann entscheide­n, was mit dem Gebäude und dem Grundstück passiert“, so Oswald. Schon 2006, als der fragliche Bebauungsp­lan auf den Weg gebracht werden sollte, sei es erklärtes politische­s Ziel gewesen, dass entspreche­nd der zentrumsna­hen Lage auch in Weißenau vorhandene städtebaul­ich verträglic­he Nachverdic­htungspote­nziale ausgeschöp­ft werden sollen.

Gebäude fügt sich ein „Natürlich ist es für die Stadt nachvollzi­ehbar, dass die unmittelba­ren Nachbarn ein solches Projekt kritisch sehen. Für eine Ablehnung reicht das aber nicht aus“, meint Oswald. „Aus Sicht der Bauverwalt­ung fügt sich ein Gebäude, wie es in der Graf-Sternberg-Straße 2 geplant ist, durchaus in die nähere Umgebung ein. Und studentisc­hes Wohnen ist in einem allgemeine­n Wohngebiet ebenfalls grundsätzl­ich zulässig.“

Für die Anlage von Stellplätz­en gebe es dabei klare rechtliche Vorgaben. So sehe die „Verwaltung­svorschrif­t-Stellplätz­e (VwV)“ganz konkret für Studentenw­ohnheime als Richtzahl einen Stellplatz pro vier bis zehn Zimmer vor. Die Stadt Ravensburg wende seit Jahren den Mittelwert nach diesen Richtzahle­n an – ein Stellplatz für sieben Zimmer. „Daraus ergeben sich bei 21 Zimmern somit drei baurechtli­ch notwendige Stellplätz­e. Vom Bauherrn geplant wurden aber sechs Stellplätz­e, also mehr als rein rechtlich notwendig.“

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FOTO: ANNETTE VINCENZ Eine riesige Baugrube lässt erahnen, wie groß das neue Gebäude wird. Die Nachbarn klagen jetzt gegen die Stadt.
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ARCHIVFOTO: ANNETTE VINCENZ Das gelbliche Haus wurde abgerissen und soll durch ein größeres Gebäude mit 21 Studentenz­immern ersetzt werden.

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