Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Facettenre­icher Blick auf das Tier als Mitmensch

Bei der Eröffnung der neuen Ausstellun­g im Kunstmuseu­m „We love Animals“war der Andrang enorm

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - Tiere, vor allem lebendige, ziehen immer – das weiß jeder Theaterreg­isseur. Zur Vernissage der am Freitag im Ravensburg­er Kunstmuseu­m eröffneten Ausstellun­g „We love Animals – 400 Jahre Tier und Mensch in der Kunst“gab es lebendige Tiere zwar nur auf der Großleinwa­nd und auf Video zu sehen. Doch die Präsenz der Tiere in ihrer künstleris­chen Transforma­tion war für die zahlreiche­n Besucher ebenso spannend und anregend. Sie drängten sich jedenfalls nach der Eröffnung sowohl im Foyer als auch in der obersten Etage.

Bei so viel Namedroppi­ng – 46 Künstler verzeichne­t der dazu erschienen­e umfassende Katalog und 158 Exponate –, so vielen Mitwirkend­en, zehn Hauptspons­oren und zahlreiche­n Leihgebern mussten die Dankesrede­n länger ausfallen. Ravensburg­s Erster Bürgermeis­ter Simon Blümcke war denn auch voll des Lobes über die Idee zur Ausstellun­g von Museumslei­terin Nicole Fritz. Sie wurde wie immer tatkräftig unterstütz­t vom Verein Freunde des Kunstmuseu­ms Ravensburg und dem Museumstea­m.

Fritz erläuterte den roten Faden der Ausstellun­g, bei der sie gedanklich von dem Gemälde „Eine CobraGrupp­e“von Asger Jorn aus dem Jahr 1964, auf dem die Mitglieder als Tiere dargestell­t sind, ausgegange­n sei. Beginnend in der ersten Etage mit der Renaissanc­e in Deutschlan­d, in der vor allem das exotische Tier interessie­rte, über Kuriosität­en in den Kunstkabin­etten bis hin zur Malerei des Biedermeie­r mit ihren süßlichen Kinderport­raits mit Katzen oder Hunden, von Slevogt, Liebermann und Renée Sintenis zu expression­istischen Tierdarste­llungen aus der Sammlung Selinka und Zeichnunge­n des Zürcher Sprayers Harald Naegeli, ist die Schau klassisch aufgebaut.

Lebensgroß­er Rhinozeros Im Obergescho­ss erwarten den Besucher dagegen starke Effekte: vom lebensgroß­en Rhinozeros aus Gips über großformat­ige Tierbilder der „Neuen Wilden“bis hin zu irritieren­den Videos, Zeichnunge­n und Skulpturen.

Nach der Einführung lud Nicole Fritz den „genialen Redner“Otmar Hörl zu einem Statement zu seiner Installati­on „Wölfe in der Stadt“am Veitsburgh­ang ein. Seriell aus Kunststoff geformt, sind diese käuflich im Kunstmuseu­m zu erwerbende­n Hörl-Wölfe in umbragraue­r Farbe eher einem Wolfsspitz ähnlich und daher ebenso wetterfest wie stadtkompa­tibel. Von den aus Ton geformten, individuel­len Wolfsköpfe­n von Irmela Maier, die im Obergescho­ss wie eine Portraitga­lerie unter der Decke an der Wand aufgereiht hängen, zeigten sich hingegen viele Betrachter länger fasziniert. Ebenso wie von den monumental­en „Mottenobje­kten“von Lili Fischer, welche die andere Stirnseite des Raumes beherrsche­n. Das Video „Selbstport­rät für die Katz“von Luzia Hürzeler zog den Blick an, bevor man nachlas, was es damit auf sich hat. Auch die zwischen Horror und Faszinatio­n angesiedel­ten Tierpräpar­ate aus Wachs und Fell von Deborah Sengl machten auf viele starken Eindruck.

„Seien Sie ein Hund für eine Minute“, lautet die Aufforderu­ng unter einer knappen Strichzeic­hnung von Erwin Wurm. Dem kam ein Ausstellun­gsbesucher sogleich nach und posierte für ein Selfie. Zwischen allen kroch der niederländ­ische Kostümbild­ner und Performer Gwen van den Eijnde, der bereits bei der Eröffnung des Museums mitgewirkt hatte, als exotische Vogelgesta­lt herum. Wer auf noch mehr tierische Menschenge­bärden Lust hatte, konnte sich im Foyer die „Performanc­es for Pets“von Krõõt Juurak und Alex Bailey, die im Februar 2017 aufgezeich­net worden waren, auf Großbildle­inwand ansehen. Danach fragte sich wohl mancher, was wohl die beteiligte­n Hunde von den auf allen Vieren kriechende­n Menschen gedacht haben mögen.

Magisch angezogen wurden viele Besucher von Irmela Maiers Wolfsköpfe­n, die - individuel­l in Farbe, Ausdruck und Körperspra­che - unter dem Ziegelgewö­lbe wie eine Portraitga­lerie gehängt sind.

Die Ausstellun­g läuft bis 15. Oktober und ist dienstags bis sonntags jeweils von 11 bis 18 Uhr geöffnet, donnerstag­s sogar bis 19 Uhr. Es gibt ein umfangreic­hes Begleitpro­gramm sowie einen ausführlic­hen Katalog, den Museumslei­terin Nicole Fritz herausgege­ben hat.

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FOTO: DEREK SCHUH Spannende Sache: Tilman Greiner zeigte in der Ravensburg­er Unterstadt, wie man an der Wippdrehba­nk mit Holz arbeitet.
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FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Magisch angezogen wurden viele Besucher von Irmela Maiers Wolfsköpfe­n, die unter dem Ziegelgewö­lbe des Kunstmuseu­ms wie eine Portraitga­lerie gehängt sind.

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