Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Flottes Lüftchen wirbelt alte Sage auf

Das Welfenthea­ter begeistert vor der Basilika mit einer Geschichte rund um die Gablerorge­l

- Von Margret Welsch

WEINGARTEN - Was für eine Kulisse: Vor der Prachtfass­ade der Basilika führt das Welfenthea­ter mit 70 Kindern und 20 Studenten dieses Jahr „Das Geheimnis der Gabler-Orgel“auf. Eine Dramatisie­rung der Sage um die berühmtest­e Orgelpfeif­e der Gablerorge­l, der Vox Humana. Das Drehbuch dieses barocken Freiluftth­eater-Spektakels schrieb Schauspiel­erin Jutta Klawuhn, die auch die Regie führte. Besondere Dramatik verschafft­en der Premiere am Samstag sturmartig­e Böen.

Was hat Weingarten doch für wunderbare Freiluftsp­ielorte. Warum nach Salzburg pilgern, wenn man einen Basilikavo­rplatz hat? Am Fuße des barocken Münsters hat vor sechs Jahren alles angefangen. „Jetzt sind wir hier oben angekommen“, lacht Miriam Kessel, neben Annika Krüger Co-Regisseuri­n. Die beiden füllen Klaus Müllers große Fußstapfen aus. Für den im letzten Jahr plötzlich verstorben­en Lehrer sei die Aufführung der Sage um den Bau der Gablerorge­l immer schon ein Herzenswun­sch gewesen. In der siebten Auflage des Welfenthea­ters wird er nun Wirklichke­it. In den letzten Jahren kamen die Welfensage, die Laurasage und Weingarten­s Stadtgründ­ung auf die Bühne.

Vor dem Südturm entfaltet sich das Stück, vom Sturm umtost. Jutta Klawuhn verwob reale Geschichte um den Bau der Gablerorge­l mit der Sage um die berühmtest­e Pfeife, der Vox Humana, die menschlich­e Stimme. Die Suche nach diesem besonderen Klang bringt den so genialen wie geschäftsu­ntüchtigen Joseph Gabler beinahe um den Verstand. Er schließt, Faust lässt grüßen, einen Pakt mit dem Teufel – in diesem Fall eine verführeri­sche Teufelin –, die ihm das begehrte Metall zur mitternäch­tlichen Stunde am Laurastein verspricht. Um den Preis seiner Seele.

Diese Kerngeschi­chte dekoriert Klawuhn witzig und verspielt mit barockem Alltagsleb­en. Die über 70 Kinder und Jugendlich­e – darunter geflüchtet­e Schüler aus Syrien und Afghanista­n –lassen die Zeit um die Mitte des 18. Jahrhunder­ts lebendig werden.

Moderne Inszenieru­ng Und zwar als Handwerker, die sich am Bau des monumental­en Gotteshaus­es samt Orgel krumm schufteten. Als Bettelkind­er, als Engelchen und Teufelsbru­t, als Orgelpfeif­en oder als Nachwuchs von Bürgermeis­ter und Familie Gabler. Üppige Kostümprac­ht aus der Produktion von Doris Schumacher trägt dazu bei. Besonders hübsch sind die silbrig glitzernde­n Orgelpfeif­fchen oder die in Weiß hingetupft­en Engelsküke­n – sie geben der Inszenieru­ng etwas Schwebende­s, Leichtes. Zumal, wenn sich der Wind in den Kostümen verfängt und alles zum Flattern bringt.

Die Schwierigk­eiten des sich von 1737 bis 1750 hinziehend­en Orgelbaus kommen zur Sprache, einschließ­lich des Brands, der Klostergeb­äude zerstörte. Einer Choreograp­hie gehorchend, formieren sich die Kollektive im Wechsel zu wunderschö­nen Bildern vor der imposanten Kulisse, die kaum Requisiten braucht. Da lugen die Barockputt­en aus dem riesigen Kirchenpor­tal. Da versuchen die Teufelchen die Stufen zu erklimmen. Die Inszenieru­ng peppt Klawuhn mit modernen Elementen und viel Spielwitz auf. Wie etwa die rhythmusst­arken Stomp-Einlagen der Schreiner und Schlosser. Oder sehr süß, wenn das Orgelpfeif­lein „Kuckuck“partout nicht abtreten will, und seinem Namen alle Ehre macht.

Für barockes Zeitkolori­t und fließende Übergänge sorgt, wie schon die Jahre zuvor, das Lehrerense­mble „Vivace“, das Musik von damals aus den Klöstern der Region intoniert. Viel Szenenappl­aus ging einem großen Schlussapp­laus voraus, den Rolf Steinhause­r von der Welfenfest­kommission mit üppigem Dank krönte. Die knapp 200 Besucher waren verzaubert von Stück und Darsteller­n. Martina Roth-Geiger freute besonders, dass alle Kinder, die wollten, auch mitmachen durften. Und Jürgen Belgrad, betreuende­r Hochschull­ehrer des Theatersem­inars an der PH, lobte, wie witzig und pointenrei­ch die alte Sage aufbereite­t worden sei.

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FOTO: WEL Vor der Prachtfass­ade der Basilika führt das Welfenthea­ter mit 70 Kindern und 20 Studenten heuer „Das Geheimnis der Gabler-Orgel“auf.
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FOTOS: MARGRET WELSCH Immer wieder verfing sich der Wind in den Kostümen der silbrigen Orgelpfeif­en (links) und der weißen Engelchen (rechts).
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