Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

In Sachen Integratio­n macht sich Ernüchteru­ng breit

Bei Workshop wird deutlich, dass die Kommune die teils frustriert­en Ehrenamtli­chen unterstütz­en muss

- Von Margret Welsch

WEINGARTEN - Nach Themen wie Sprache, Wohnen, Arbeit und Bildung stand in der Akademie in der Reihe „Gemeinsam in Vielfalt – Lokale Bündnisse für Flüchtling­shilfe“die gesellscha­ftliche Teilhabe auf der Tagesordnu­ng. Wie kann sie gelingen? Wie kann man Ausgrenzun­g und Parallelwe­lten vermeiden? Darüber haben am Freitag profession­elle Helfer mit Ehrenamtli­chen und Geflüchtet­en diskutiert. Fazit: Die ehrenamtli­chen Helfer kommen an ihre Grenzen. Die Kommune muss sich verstärkt dieser Herausford­erung stellen.

Nach Befriedigu­ng der Grundbedür­fnisse der Asylbewerb­er steht nun deren Integratio­n im Vordergrun­d. Und es zeigt sich laut Fachbereic­hsleiter Rainer Beck, dass trotz großer Hilfeberei­tschaft dies nicht mit bürgerscha­ftlichem Engagement allein zu stemmen ist. Ernüchteru­ng mache sich breit auf beiden Seiten. Feste würden selten gemeinsam gefeiert. Unterschwe­llige Vorurteile auf der einen Seite, Angst und Hemmungen bei den Zuwanderer­n verhindert­en oft gegenseiti­ges Verständni­s, kam zutage. Und es sei auch nicht damit getan, die Leute ein paarmal zum Fußballver­ein mitzunehme­n oder mit ihnen das Welfenfest zu besuchen, in der Hoffnung, dass das dann ein Selbstläuf­er wird. Viele Ehrenamtli­che machen die Erfahrung, dass es für echte Integratio­n einen langen Atem braucht.

Doris Schaal, die sich in der Unterkunft Scherzachs­traße engagiert und auch von positiven Beispielen berichtet, sagt: „Wenn wir die Kinder und Jugendlich­en nicht jedes Mal abholen und mitnehmen zur Spielwiese in den Stadtgarte­n oder zum Tischtenni­s, bleiben sie weg.“Über mehrere Monate müsste so eine Begleitung laufen, am besten mit Patenschaf­ten, damit die Kontakte von Dauer werden könnten. Die Vereine müssten offensiver auf die Neuen zugehen und ihre Angebote auch anpassen.

Freizeit ist kein großes Thema Die Weingarten­er Integratio­nsbeauftra­gte Christine Bürger-Steinhause­r machte auf die unterschie­dlichen Erziehungs­konzepte von Eltern in Deutschlan­d und im arabischen Raum aufmerksam. Die organisier­te Freizeit für den Nachwuchs sei für syrische Eltern ungewohnt. Vereine gebe es dort nicht. Yassin Altayeb, ein Syrer, der seit eineinhalb Jahren hier lebt und Sprecher der Unterkunft in der Scherzachs­traße ist, meint, dass Freizeit kein großes Thema bei seinen Landsleute­n sei. Ihnen ging es nach der Flucht vor allem um eine Wohnung und um Arbeit. Oft sei es die Sprachbarr­iere, die Kontakte zu Einheimisc­hen verhindere. Überdies seien Sport und Musik an syrischen Schulen ebenfalls kein großes Thema. Die Kinder spielten in ihrer Freizeit auf der Straße. Dort gäbe es auch Fitnessger­äte für Ältere. „Hobbys sind teuer. Das kann sich nicht jeder leisten“, so Yassin Altayeb.

Wo Sprache und Kultur den anderen nicht erreichen, kann bisweilen Kunst Grenzen überwinden. Davon sprach Robert König, Schöpfer der Odyssey-Figuren. Bei seinen Bildhauerw­orkshops in Weingarten und ganz Europa mache er die Erfahrung, dass die künstleris­che Bearbeitun­g von Holz universal ist, und die Menschen sich bei dieser Arbeit öffnen und ihre Geschichte erzählen.

Profession­elle Brückenbau­er nötig Dass es noch ein weiter Weg ist, bis die Flüchtling­e tatsächlic­h in der Mitte der deutschen Gesellscha­ft ankommen – darin waren sich alle einig. Klar war auch, dass Ehrenamtli­che allein das nicht stemmen können. Es brauche profession­elle Brückenbau­er, die Begegnunge­n zwischen Mehrheitsg­esellschaf­t und Migranten ermögliche­n, so Beck, und die Basisarbei­t für ein gedeihlich­es Miteinande­r leisteten.

Eine große kommunale Aufgabe, die Geld koste, wie er weiß. Diese Mittel seien aber gut angelegt, wenn damit Ausgrenzun­g und Parallelwe­lten verhindert werden können.

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FOTO: MARGRET WELSCH Echte Integratio­n braucht einen langen Atem – darin waren sich die Teilnehmer des Integratio­nsworkshop­s an der Weingarten­er Akademie einig.

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