Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
In Sachen Integration macht sich Ernüchterung breit
Bei Workshop wird deutlich, dass die Kommune die teils frustrierten Ehrenamtlichen unterstützen muss
WEINGARTEN - Nach Themen wie Sprache, Wohnen, Arbeit und Bildung stand in der Akademie in der Reihe „Gemeinsam in Vielfalt – Lokale Bündnisse für Flüchtlingshilfe“die gesellschaftliche Teilhabe auf der Tagesordnung. Wie kann sie gelingen? Wie kann man Ausgrenzung und Parallelwelten vermeiden? Darüber haben am Freitag professionelle Helfer mit Ehrenamtlichen und Geflüchteten diskutiert. Fazit: Die ehrenamtlichen Helfer kommen an ihre Grenzen. Die Kommune muss sich verstärkt dieser Herausforderung stellen.
Nach Befriedigung der Grundbedürfnisse der Asylbewerber steht nun deren Integration im Vordergrund. Und es zeigt sich laut Fachbereichsleiter Rainer Beck, dass trotz großer Hilfebereitschaft dies nicht mit bürgerschaftlichem Engagement allein zu stemmen ist. Ernüchterung mache sich breit auf beiden Seiten. Feste würden selten gemeinsam gefeiert. Unterschwellige Vorurteile auf der einen Seite, Angst und Hemmungen bei den Zuwanderern verhinderten oft gegenseitiges Verständnis, kam zutage. Und es sei auch nicht damit getan, die Leute ein paarmal zum Fußballverein mitzunehmen oder mit ihnen das Welfenfest zu besuchen, in der Hoffnung, dass das dann ein Selbstläufer wird. Viele Ehrenamtliche machen die Erfahrung, dass es für echte Integration einen langen Atem braucht.
Doris Schaal, die sich in der Unterkunft Scherzachstraße engagiert und auch von positiven Beispielen berichtet, sagt: „Wenn wir die Kinder und Jugendlichen nicht jedes Mal abholen und mitnehmen zur Spielwiese in den Stadtgarten oder zum Tischtennis, bleiben sie weg.“Über mehrere Monate müsste so eine Begleitung laufen, am besten mit Patenschaften, damit die Kontakte von Dauer werden könnten. Die Vereine müssten offensiver auf die Neuen zugehen und ihre Angebote auch anpassen.
Freizeit ist kein großes Thema Die Weingartener Integrationsbeauftragte Christine Bürger-Steinhauser machte auf die unterschiedlichen Erziehungskonzepte von Eltern in Deutschland und im arabischen Raum aufmerksam. Die organisierte Freizeit für den Nachwuchs sei für syrische Eltern ungewohnt. Vereine gebe es dort nicht. Yassin Altayeb, ein Syrer, der seit eineinhalb Jahren hier lebt und Sprecher der Unterkunft in der Scherzachstraße ist, meint, dass Freizeit kein großes Thema bei seinen Landsleuten sei. Ihnen ging es nach der Flucht vor allem um eine Wohnung und um Arbeit. Oft sei es die Sprachbarriere, die Kontakte zu Einheimischen verhindere. Überdies seien Sport und Musik an syrischen Schulen ebenfalls kein großes Thema. Die Kinder spielten in ihrer Freizeit auf der Straße. Dort gäbe es auch Fitnessgeräte für Ältere. „Hobbys sind teuer. Das kann sich nicht jeder leisten“, so Yassin Altayeb.
Wo Sprache und Kultur den anderen nicht erreichen, kann bisweilen Kunst Grenzen überwinden. Davon sprach Robert König, Schöpfer der Odyssey-Figuren. Bei seinen Bildhauerworkshops in Weingarten und ganz Europa mache er die Erfahrung, dass die künstlerische Bearbeitung von Holz universal ist, und die Menschen sich bei dieser Arbeit öffnen und ihre Geschichte erzählen.
Professionelle Brückenbauer nötig Dass es noch ein weiter Weg ist, bis die Flüchtlinge tatsächlich in der Mitte der deutschen Gesellschaft ankommen – darin waren sich alle einig. Klar war auch, dass Ehrenamtliche allein das nicht stemmen können. Es brauche professionelle Brückenbauer, die Begegnungen zwischen Mehrheitsgesellschaft und Migranten ermöglichen, so Beck, und die Basisarbeit für ein gedeihliches Miteinander leisteten.
Eine große kommunale Aufgabe, die Geld koste, wie er weiß. Diese Mittel seien aber gut angelegt, wenn damit Ausgrenzung und Parallelwelten verhindert werden können.