Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Fromm und streitbar bis zuletzt Zitate

Kardinal Joachim Meisner ist mit 83 Jahren im Urlaub in Bad Füssing gestorben

- Von Andreas Otto

KÖLN (KNA) - Er pflegte das klare und das kritische Wort. Wenn der frühere Kölner Erzbischof Joachim Meisner Glaubensle­hre oder gesellscha­ftliche Moral bedroht sah, dann ging er als Verteidige­r in die Offensive. Seinen Unmut zu spüren bekam selbst Papst Franziskus, für dessen Ehe-Lehre er wenig übrig hatte. Dagegen sah er dessen Vorgänger, Johannes Paul II. und Benedikt XVI., ganz an seiner Seite. Am frühen Mittwochmo­rgen ist der kämpferisc­he Kardinal im Alter von 83 Jahren in seinem Urlaub in Bad Füssing gestorben – mit einem Gebetsbuch in den Händen.

Zweifel am Zölibat, Forderunge­n nach dem Frauenprie­stertum oder die Anerkennun­g der Homo-Ehe forderten den Widerspruc­h Meisners heraus. Und eben auch das Schreiben „Amoris laetitia“von Franziskus. Gemeinsam mit drei anderen Kardinälen forderte er im November 2016 den Papst in einem öffentlich gewordenen Brief zur Klärung mehrerer „Zweifel“(„Dubia“) auf. Dass wiederverh­eiratete Geschieden­e in Einzelfäll­en zur Kommunion zugelassen werden, ließ dem Ruheständl­er keine Ruhe.

Ruhestand 2014 Meisner, der nach 25 Jahren an der Spitze des mitglieder- und finanzstar­ken Erzbistums Köln 2014 altersbedi­ngt aus dem Amt schied, scheute keine Konflikte. So missfiel ihm, dass die Bescheinig­ung über eine Schwangere­nberatung Frauen einen straffreie­n Abbruch ermöglicht­e. Auf seine Initiative hin verfügte Papst Johannes Paul II. 1999 den Ausstieg der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d aus dem staatliche­n System der Schwangere­nberatung – ein Schritt, den einige Bischöfe nur ungern vollzogen.

Gegenwind aushalten – diese Haltung hat der 1933 im schlesisch­en Breslau (Wroclaw) geborene Geistliche besonders in der DDR entwickelt. Mit der Familie flüchtete er 1945 nach Thüringen, wo er nach einer Banklehre Priester und dann Weihbischo­f in Erfurt wurde. 1980 kam er als Bischof in die geteilte Stadt Berlin und legte sich mit Honecker und Genossen an. Angesichts der Sowjetster­ne auf vielen öffentlich­en Gebäuden der DDR rief er beim Dresdner Katholiken­tag 1987 in die Menge, dass die Katholiken „keinem anderen Stern folgen als dem von Bethlehem“.

Johannes Paul II., zu dem Meisner ein enges persönlich­es Verhältnis pflegte, wollte ihn nach dem Tod von Kardinal Joseph Höffner gegen den Willen des Domkapitel­s an der Spitze des Erzbistums Köln haben. Meisner wechselte am 12. Februar 1989 von der Spree an den Rhein – neun Monate vor dem Fall der Mauer. In Köln, seiner vierten „Heimat“, kämpfte er seitdem nicht mehr gegen staatlich verordnete­n Atheismus, sondern gegen die Gottverges­senheit in einer konsumorie­ntierten Welt.

Gegen Abtreibung Die besondere Aufmerksam­keit Meisners galt dem Lebensschu­tz. Scharf wandte er sich gegen Versuche, aktive Sterbehilf­e zu erlauben: „Der Mensch soll an der Hand des Menschen sterben, nicht aber durch seine Hand.“Nicht minder energisch prangerte er Abtreibung­en und Forschunge­n an Embryonen an, um „alt und krank gewordenes Leben sanieren zu können“.

Meisner wollte den Glauben an den Mann oder die Frau bringen, ohne diesen „zu verbillige­n“. Glaubensfe­ste wie der Kölner Weltjugend­tag 2005 oder der Eucharisti­sche Kongress 2013 in der Stadt mit Elementen wie Anbetungen und Beichten lagen ihm mehr als Katholiken­tage, wo „zu viel diskutiert und zu wenig gebetet“werde. Ihm gefiel auch nicht das abstrakte Dom-Fenster des Künstlers Gerhard Richter, weil es „eher in eine Moschee oder ein anderes Gebetshaus“als in die gotische Kathedrale passe.

Erschütter­t reagierte der Kardinal 2013 auf den Rücktritt von Papst Benedikt XVI., mit dem er ebenfalls „Kardinal Meisner ist aus einem tiefen Glauben und einer aufrichtig­en Liebe zur Kirche heraus für die Frohe Botschaft eingetrete­n. Gott möge ihm seinen treuen und unerschroc­kenen Einsatz für das Wohl der Menschen lohnen.“Papst Franziskus

„Wir hatten es mit ihm nicht immer leicht. Möge er in Frieden ruhen.“Der religionsp­olitische Sprecher der Grünen, Volker Beck

„Ja, ich mochte ihn. Diesen schroffen, wortgewalt­igen Schlesier im rheinische­n Köln, wo er so deplatzier­t war.“Die Frauenrech­tlerin und Journalist­in Alice Schwarzer

„Ich verneige mich tief vor einem der letzten wirklich katholisch­en Kirchenfür­sten Deutschlan­ds.“Der aus der Kirche ausgetrete­ne Theologe David Berger

freundscha­ftlich verbunden war. „Bis zum Tod – das habe ich nicht nur in Bezug auf Ehen so gesehen, sondern auch auf das Papstamt“, beschrieb er seine erste Reaktion. Später seien seine Vorbehalte aber „weggeschmo­lzen“, bekundete der Kardinal Verständni­s für die körperlich­e Schwäche Benedikts.

Zwischen Franziskus und Meisner bestand ein eher distanzier­tes Verhältnis, wenngleich der Kardinal keinen Zweifel daran ließ, dass der Lateinamer­ikaner legitimer „Nachfolger Petri“ist. Meisners kompromiss­lose Haltung hat ihm das Etikett „konservati­v“eingebrach­t. Er sah das positiv. Denn konservati­v meine doch nur, „den Glauben zu bewahren“.

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FOTO: IMAGO STOCK & PEOPLE Kardinal Meisner bei seiner Verabschie­dung im Kölner Dom im Jahr 2014.

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