Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Tragischer Unfall in Isny beschäftigt Gericht
Schneepflugfahrer zieht Einspruch gegen das Zahlen einer Geldstrafe von 4000 Euro zurück
WANGEN/ISNY – Der 34-jährige Mann aus Leutkirch, dem vorgeworfen worden war, „durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht zu haben“, stand jetzt als Angeklagter vor dem Amtsgericht in Wangen. Er hatte gegen die verhängte Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 40 Euro Einspruch erhoben.
Es war ein tragischer Unfall, der sich da am 10. Januar 2017 kurz nach 6 Uhr im Isnyer Gewerbegebiet ereignet hatte. Ein 60-jähriger Mann war zu Fuß auf dem Geh- und Radweg entlang des Nordrings von der Neutrauchburger Straße in Richtung Leutkircher Straße unterwegs, als er von dem ebenfalls auf diesem Weg in gleicher Richtung fahrenden 34-jährigen Lenker eines Schmalspurtraktors, der hier den Winterdienst versah, vermutlich übersehen wurde.
Der Fußgänger wurde von hinten mit der im Frontbereich montierten, aber nicht in Betrieb befindlichen Schneefräse, erfasst. Dadurch stürzte er und zog sich dabei lebensgefährliche Kopfverletzungen zu. Nach ersten Wiederbelebungsmaßnahmen an der Unfallstelle wurde der 60-Jährige mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus nach Kempten gebracht, wo er noch am Vormittag seinen schweren Verletzungen erlag.
„Im Auftrag einer Isnyer Firma erledige ich im Winter den Räum- und Streudienst für verschiedene Unternehmen“, berichtete der Angeklagte und erklärte, warum sich die Schneefräse zum Zeitpunkt des Unfalls am Traktor befand, obwohl sie für die zu erledigenden Streuarbeiten gar nicht gebraucht wurde: „Ich habe die Fräse im Betrieb installiert, weil ich sie an diesem Morgen an anderer Stelle nutzen musste.“
Fußgänger zu spät bemerkt Wie es aus Sicht des Beschuldigten zu diesem schrecklichen Unfall kommen konnte, hörte sich dann so an: „Es war noch dunkel, der Scheinwerfer am Dach war eingeschaltet. Der nach vorne gerichtete Auswurfkamin der Fräse nahm mir die Sicht. Ich musste schräg sitzen, um links aus dem Traktor herausschauen zu können. Der Weg machte zudem eine leichte Rechtskurve. Ich bemerkte den Fußgänger erst, als ich ihn bereits erfasst hatte. Ich hielt an, sprach den Mann an und setzte mit dem Handy einen Notruf ab.“
Die Frage des Richters, warum er denn gegen das Verhängen einer Geldstrafe Einspruch erhoben habe, wurde von dem Rechtsbeistand des Angeklagten beantwortet: „Wir sind der Meinung, dass weder die Lichtverhältnisse noch der Gehwegverlauf eine Erkennbarkeit der Situation zuließen. Zudem fuhr mein Mandant mit einer angemessenen Geschwindigkeit.“
Um seinen Worten noch mehr Gewicht beizumessen, hatte der Rechtsanwalt Videos mitgebracht, die ein Arbeitskollege des Angeklagten von der Unfallstelle gedreht hatte. Diese und die von der Polizei erstellten Fotos wie deren Untersuchungen stimmten hinsichtlich der vorgefundenen Indizien überein: das Räumfahrzeug war nicht mehr bewegt worden, die Lampen brannten, der Auswurfkamin war nach vorne gerichtet und behinderte die Sicht.
„Nicht grob fahrlässig gehandelt“Unterschiedlich waren allerdings die Aussagen zu der möglichen Schuld beziehungsweise Unschuld des Angeklagten. Während der ermittelnde Polizeikommissar aus Kißlegg überzeugt davon war, dass sich der Fußgänger tatsächlich außerhalb der Sichtweite befunden habe, hielt der Sachverständige dagegen: „Der Traktorfahrer hätte links und rechts schauen müssen.“
Einig war man sich in der Einschätzung hinsichtlich des Fußgängers und seiner möglichen Wahrnehmung. „Der 60-Jährige hätte das Fahrzeug eigentlich hören müssen. Bei Rücksprachen beim Arbeitgeber und seiner Familie wurde mir bestätigt, dass er keine Hörbeeinträchtigung hatte“, sagte der Polizist, führte jedoch vor Augen: „Wohin hätte er aber auch ausweichen sollen? Auf der einen Seite des Weges war Schnee angehäufelt, auf der anderen ein Maschendrahtzaun.“Zum Thema „Hören“sagte der Gutachter abschließend: „Er hätte das Räumfahrzeug sicher hören können und sich umdrehen müssen. Aber er dachte wohl, dass das Geräusch von der Fahrstraße her rührte.“
Nachdem der Richter dem Angeklagten zugestand, nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben, sondern sich eher im „mittleren Bereich“zu bewegen, regte er an, den Einspruch „doch zurückzunehmen“. Nach einer kurzen Unterbrechung gab der Verteidiger sein Einverständnis.
In einem mit anwesenden Schülern des Rupert-Ness-Gymnasiums geführten Gespräch gab der Richter zu bedenken: „Wenn ich auf dem Gehweg fahre, dann muss ich und nicht der Fußgänger aufpassen.“Aber er wollte auch nicht ausschließen, „dass trotz aller Sicherheitsvorkehrungen solche bedauerlichen Dinge passieren können“.