Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Biber nagt sich seinen Weg

Das Nagetier erobert die Bodenseere­gion – Zuletzt wurde ein Biber im Friedrichs­hafener Yachthafen gesichtet

- Von Linda Egger

FRIEDRICHS­HAFEN - Er hat braunes Fell, ist nachtaktiv und eine ausgesproc­hene Wasserratt­e: Es „bibert“am Bodensee. An zahlreiche­n Orten in der Region wurde der emsige Nager gesichtet – oder die Spuren, die er hinterlass­en hat.

Immer wieder meldeten Landwirte in den vergangene­n Monaten Schäden an Obstbäumen: Der Biber hatte sich durch die Stämme genagt. Ein ungewöhnli­ches Bild bot sich vor rund einem Monat im Friedrichs­hafener Yachthafen: Inmitten von Booten, auf einer kleinen Mauer, saß ein Biber. „Im alten Teil des Hafens Richtung GZH saß er auf einer Mauer und hat sich geputzt“, erinnert sich Hafenmeist­er Jörg Herfurth, der das scheue Tier beobachtet hat. „Ich denke, dass er sich verschwomm­en hat und sich dort ausruhte“, vermutet er. Die Wasserschu­tzpolizei wurde verständig­t, die sich daraufhin vor Ort ein Bild machte. Wäre der Biber länger im Yachthafen verweilt, hätte man den Tierschutz­verein hinzugezog­en. Doch am nächsten Tag war das Tier offenbar bereits weitergezo­gen.

Vor rund drei Wochen machte ein SZ-Leser einen traurigen Fund beim Spaziergan­g in Langenarge­n: Ein toter, junger Biber lag am Wegesrand. Bisspuren deuteten darauf hin, dass er von einem Hund oder einem Fuchs totgebisse­n worden sein dürfte. Angenagte Bäume, die eindeutig auf das Werk eines Bibers deuteten, wurden zudem im März dieses Jahres in Fischbach gesichtet.

Für Dieter Schmid sind Vorkommnis­se wie diese ein Zeichen, dass die Besiedelun­g des Bibers stark zunimmt. Schmid ist Kreisökolo­ge und als Biberbeauf­tragter beim Umweltschu­tzamt des Landratsam­ts für den gesamten Bodenseekr­eis zuständig. Über das Donausyste­m habe sich der Biber in den vergangene­n Jahren in die Bodenseere­gion vorgearbei­tet. „Die Rotach dürfte einer der Zuwanderun­gswege gewesen sein“, sagt Schmid. Auch Angler berichtete­n ihm immer wieder, sie hätten im Uferbereic­h vor Friedrichs­hafen Biber gesichtet. An der Rotach unter der Brücke beim XXX-Lutz fällte der Biber bereits im Winter 2015 einige Weiden.

Einst war der Biber komplett ausgestorb­en. Schuld waren die Menschen, die ihn wegen seines Fells jagten. Aber seinen Lebensraum zerstörten sie nicht. „Es ist eine tolle Geschichte, wenn eine ausgestorb­ene Art wieder zurückkehr­t“, freut sich Dieter Schmid und weist darauf hin, dass das 20 bis 30 Kilogramm schwere Säugetier auch die natürliche Landschaft mitgestalt­et. „Er überstaut Randgewäss­er und schafft damit Lebensräum­e für viele weitere Arten“, erklärt der Biberbeauf­tragte.

Einige Landwirte sehen die Ausbreitun­g des Bibers weniger positiv. Im Sommer ernährt sich der vegetarisc­h lebende Nager von Gräsern oder Kräutern – „alles, was entlang des Wassers so grünt“, sagt Schmid. Im Winter bevorzugt er jedoch Weichhölze­r wie Pappel oder Weide, deren Rinde er besonders schmackhaf­t findet. Da der Biber jedoch weder klettern noch fliegen kann, legt er die Bäume kurzerhand um. So erreicht er auch die oberen Äste. „Wenn nun direkt am Bach eben keine Weide, sondern eine Obstplanta­ge steht, kann es eben sein, dass er auch mal Obstbäume fällt“, sagt Schmid.

Zäune sollen Plantagen vor dem Nager schützen Einen Schadenser­satz für die betroffene­n Landwirte gebe es bislang nicht. Jedoch greife man auf verschiede­ne sogenannte passive Schutzmaßn­ahmen zurück. Zum einen sei das Landratsam­t bemüht, Gewässerra­ndstreifen zu erwerben, damit der Biber dort ungestört leben kann. Insbesonde­re im vergangene­n Winter wurden häufig Zäune entlang von Gewässern aufgestell­t, die den Biber von den Obstplanta­gen fernhalten sollen. Dabei werden zwei Elektrozäu­ne auf zehn und etwa 30 Zentimeter­n Höhe angebracht, die das Regierungs­präsidium bezahlt. „Es gibt auch noch die Möglichkei­t, die Bäume mit sogenannte­n Verbisssch­utzmitteln zu versehen. Das ist eine Art Farbe, mit der die

„Es ist eine tolle Geschichte, wie eine ausgestorb­ene Art wieder zurückkehr­t“Dieter Schmid

Stämme bestrichen werden“, erklärt der Ökologe.

Die Staudämme, für die der Biber so berühmt ist, baut er übrigens nur, wenn er nicht genügend Wasser zum Schwimmen zur Verfügung hat. „Er versucht, immer alles vom Wasser aus zu erreichen“, klärt Schmid auf. An der Rot-ach, wo sich bereits vor einigen Jahren Biber niedergela­ssen haben, sei ein Staudamm deshalb eher unwahrsche­inlich: „Hier hat er in der Regel genügend Wasser unterm Kiel“, meint er.

An Land ist die Wasserratt­e recht unbeholfen und braucht daher das Wasser als Lebensraum und Transportm­ittel. In der Regel nicht weiter als zehn oder 20 Meter bewegt er sich vom Gewässer weg. Umso erstaunlic­her ist es, dass immer wieder Biber überfahren werden. Erst vor einigen Monaten war in der Nähe von Tettnang ein Tier unters Auto geraten. Der Mensch sei im Grunde der größte und einzige Feind des Bibers, so Schmid.

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FOTO: ARC Der Biber breitet sich derzeit in ganz Baden-Württember­g stark aus – auch an zahlreiche­n Stellen am Bodensee fühlt er sich wohl.

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