Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Bürger für Ravensburg“fordern autofreie Sonntage
Stadtverwaltung sammelt Vorschläge für den Luftreinhalteplan – Fraktionen und Bürger können mitentscheiden
RAVENSBURG - Was tun, um die Ravensburger Luft zu verbessern? Das soll in den kommenden Monaten erörtert werden. Das Regierungspräsidium Tübingen wird für die Schussentalmetropole einen Luftreinhalteplan ausarbeiten. Welche Punkte darin aufgeführt sind, können Stadtverwaltung, Gemeinderatsfraktionen und Bürgerschaft beeinflussen. Allerdings müssen die Maßnahmen umsetzbar und zielführend sein – und welche Maßnahmen das sind, darüber streiten sich die Geister derzeit noch.
Wie berichtet, liegt die Schadstoffbelastung in Ravensburg – vor allem in der Schussenstraße – seit Langem über dem zulässigen gesetzlichen Grenzwert. Das Stickstoffdioxid macht der Stadt und ihren Bürgern zu schaffen: Europaweit gilt ein Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. In Ravensburg wird er im Jahresmittel um rund 20 Prozent überschritten. Daher kommt die Stadt um einen Luftreinhalteplan, der auf EU-Recht basiert, nicht herum. Der Plan soll gewährleisten, dass festgelegte Grenzwerte für Luftschadstoffe auch eingehalten werden.
Das Regierungspräsidium Tübingen wird mithilfe eines beauftragten Gutachters einen solchen Luftreinhalteplan für Ravensburg erarbeiten. Die Stadt kann dem Gutachter mögliche Maßnahmen vorschlagen. Die Verwaltung hat schon neun Maßnahmenpakete erfasst. Gegliedert sind diese wie folgt: Ausbau und Förderung von ÖPNV, Förderung des Radverkehrs, intermodale Angebote und Mobilitätsmanagement, Verkehrsplanung und -verflüssigung, Elektromobilität und andere schadstoffarme Antriebsformen, nachhaltige Stadtentwicklung, Energieversorgung und Klimakonzept, Verkehrsbeschränkungen und -verbote, Kooperationen und Öffentlichkeit.
Schuldige ermittelt Der Maßnahmenmix basiert auf einer „Verursacheranalyse“, die die Verwaltung vorgenommen hat. Die Analyse ergab mehrere Hauptschuldige, die für die erhöhte Schadstoffbelastung verantwortlich sind. Dazu gehören Verkehr, Industrie, Kleinfeuerungsanlagen (wie Holzheizungen) und Landwirtschaft. Alles Themen, die nicht nur kommunal angegangen werden können. Baubürgermeister Dirk Bastin: „Ich mache ein großes Fragezeichen dahinter, ob Regelungen allein auf kommunaler Ebene den Schadstoffausstoß verringern können.“Seiner Ansicht nach brauche es Bundesgesetze, zum Beispiel in Sachen Fahrverbote. „Nur so können die Kommunen handlungsfähig sein“, meinte der Baubürgermeister.
Grünen-Chefin Maria Weithmann begrüßte das Vorgehen der Verwaltung, täterorieniert vorzugehen und die Verursacher der Luftverschmutzung zu benennen. „Jetzt stehen die Rechte der Leidtragenden im Vordergrund“, so Weithmann. Sie plädierte dafür, moderne Mobilität zu fördern und umzudenken. „Luftreinhaltung und Gesundheit stehen über dem Individualverkehr und dem Recht, überall hinfahren und einen Parkplatz finden zu können“, sagte sie. Ebenso war Manfred Büchele von der CDU dafür, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen. „Alte Autos werden doch vor allem von den Menschen gefahren, die sich kein anderes leisten können“, gab er zu bedenken. Dennoch warnte er davor, den Verkehr im Falle von Fahrverboten einfach umzulenken. „Dann haben wir nur einen Verlagerungseffekt“, so Büchele.
B 30 als Umweltzone? Wilfried Krauss hatte zu der Ausschusssitzung bereits drei Forderungen mitgebracht, die laut der „Bürger für Ravensburg“in die Maßnahmenliste einfließen sollten: In Neubaugebieten sollten keine Holzheizungen mehr erlaubt sein, Ölheizungen sollten substituiert werden – zum Beispiel durch Erdgas – und es sollte vier (freiwillige) autofreie Sonntage im Jahr geben. „Die schwierigste und zähste Aufgabe wird aber sein, bei den Bürgern eine Bewusstseinsänderung herbeizuführen“, prophezeite Krauss.
Roland Dieterich von der FDP meinte, man müsse unterscheiden zwischen aktuell dringlichen Maßnahmen für die Schussenstraße und mittel- und langfristigen Maßnahmen für das gesamte Stadtgebiet. Fahrverbote seien aber aufgrund einer fehlenden Gesetzesgrundlage derzeit nicht durchsetzbar, so Dieterich. Und Wolfgang Metzger (FW) machte sich Gedanken über eine mögliche Umweltzone. „Wie soll das gehen? Da müsste man ja die B 30 dazunehmen“, fragte er sich.
Bis Anfang September können konkrete Vorschläge zur Luftreinhaltung abgegeben werden. Die Verwaltung wird dem Gemeinderat dann bis Ende Oktober die zusammengetragene und vervollständigte Maßnahmenliste vorlegen, die an das RP gehen soll. Der Ausschuss für Umwelt und Technik hat dieser Handhabung in seiner Sitzung am Mittwoch mehrheitlich zugestimmt. Das Regierungspräsidium wird den Luftreinhalteplan voraussichtlich im Jahr 2018 verabschieden.