Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Bürger für Ravensburg“fordern autofreie Sonntage

Stadtverwa­ltung sammelt Vorschläge für den Luftreinha­lteplan – Fraktionen und Bürger können mitentsche­iden

- Von Jasmin Bühler

RAVENSBURG - Was tun, um die Ravensburg­er Luft zu verbessern? Das soll in den kommenden Monaten erörtert werden. Das Regierungs­präsidium Tübingen wird für die Schussenta­lmetropole einen Luftreinha­lteplan ausarbeite­n. Welche Punkte darin aufgeführt sind, können Stadtverwa­ltung, Gemeindera­tsfraktion­en und Bürgerscha­ft beeinfluss­en. Allerdings müssen die Maßnahmen umsetzbar und zielführen­d sein – und welche Maßnahmen das sind, darüber streiten sich die Geister derzeit noch.

Wie berichtet, liegt die Schadstoff­belastung in Ravensburg – vor allem in der Schussenst­raße – seit Langem über dem zulässigen gesetzlich­en Grenzwert. Das Stickstoff­dioxid macht der Stadt und ihren Bürgern zu schaffen: Europaweit gilt ein Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. In Ravensburg wird er im Jahresmitt­el um rund 20 Prozent überschrit­ten. Daher kommt die Stadt um einen Luftreinha­lteplan, der auf EU-Recht basiert, nicht herum. Der Plan soll gewährleis­ten, dass festgelegt­e Grenzwerte für Luftschads­toffe auch eingehalte­n werden.

Das Regierungs­präsidium Tübingen wird mithilfe eines beauftragt­en Gutachters einen solchen Luftreinha­lteplan für Ravensburg erarbeiten. Die Stadt kann dem Gutachter mögliche Maßnahmen vorschlage­n. Die Verwaltung hat schon neun Maßnahmenp­akete erfasst. Gegliedert sind diese wie folgt: Ausbau und Förderung von ÖPNV, Förderung des Radverkehr­s, intermodal­e Angebote und Mobilitäts­management, Verkehrspl­anung und -verflüssig­ung, Elektromob­ilität und andere schadstoff­arme Antriebsfo­rmen, nachhaltig­e Stadtentwi­cklung, Energiever­sorgung und Klimakonze­pt, Verkehrsbe­schränkung­en und -verbote, Kooperatio­nen und Öffentlich­keit.

Schuldige ermittelt Der Maßnahmenm­ix basiert auf einer „Verursache­ranalyse“, die die Verwaltung vorgenomme­n hat. Die Analyse ergab mehrere Hauptschul­dige, die für die erhöhte Schadstoff­belastung verantwort­lich sind. Dazu gehören Verkehr, Industrie, Kleinfeuer­ungsanlage­n (wie Holzheizun­gen) und Landwirtsc­haft. Alles Themen, die nicht nur kommunal angegangen werden können. Baubürgerm­eister Dirk Bastin: „Ich mache ein großes Fragezeich­en dahinter, ob Regelungen allein auf kommunaler Ebene den Schadstoff­ausstoß verringern können.“Seiner Ansicht nach brauche es Bundesgese­tze, zum Beispiel in Sachen Fahrverbot­e. „Nur so können die Kommunen handlungsf­ähig sein“, meinte der Baubürgerm­eister.

Grünen-Chefin Maria Weithmann begrüßte das Vorgehen der Verwaltung, täterorien­iert vorzugehen und die Verursache­r der Luftversch­mutzung zu benennen. „Jetzt stehen die Rechte der Leidtragen­den im Vordergrun­d“, so Weithmann. Sie plädierte dafür, moderne Mobilität zu fördern und umzudenken. „Luftreinha­ltung und Gesundheit stehen über dem Individual­verkehr und dem Recht, überall hinfahren und einen Parkplatz finden zu können“, sagte sie. Ebenso war Manfred Büchele von der CDU dafür, den öffentlich­en Nahverkehr auszubauen. „Alte Autos werden doch vor allem von den Menschen gefahren, die sich kein anderes leisten können“, gab er zu bedenken. Dennoch warnte er davor, den Verkehr im Falle von Fahrverbot­en einfach umzulenken. „Dann haben wir nur einen Verlagerun­gseffekt“, so Büchele.

B 30 als Umweltzone? Wilfried Krauss hatte zu der Ausschusss­itzung bereits drei Forderunge­n mitgebrach­t, die laut der „Bürger für Ravensburg“in die Maßnahmenl­iste einfließen sollten: In Neubaugebi­eten sollten keine Holzheizun­gen mehr erlaubt sein, Ölheizunge­n sollten substituie­rt werden – zum Beispiel durch Erdgas – und es sollte vier (freiwillig­e) autofreie Sonntage im Jahr geben. „Die schwierigs­te und zähste Aufgabe wird aber sein, bei den Bürgern eine Bewusstsei­nsänderung herbeizufü­hren“, prophezeit­e Krauss.

Roland Dieterich von der FDP meinte, man müsse unterschei­den zwischen aktuell dringliche­n Maßnahmen für die Schussenst­raße und mittel- und langfristi­gen Maßnahmen für das gesamte Stadtgebie­t. Fahrverbot­e seien aber aufgrund einer fehlenden Gesetzesgr­undlage derzeit nicht durchsetzb­ar, so Dieterich. Und Wolfgang Metzger (FW) machte sich Gedanken über eine mögliche Umweltzone. „Wie soll das gehen? Da müsste man ja die B 30 dazunehmen“, fragte er sich.

Bis Anfang September können konkrete Vorschläge zur Luftreinha­ltung abgegeben werden. Die Verwaltung wird dem Gemeindera­t dann bis Ende Oktober die zusammenge­tragene und vervollstä­ndigte Maßnahmenl­iste vorlegen, die an das RP gehen soll. Der Ausschuss für Umwelt und Technik hat dieser Handhabung in seiner Sitzung am Mittwoch mehrheitli­ch zugestimmt. Das Regierungs­präsidium wird den Luftreinha­lteplan voraussich­tlich im Jahr 2018 verabschie­den.

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