Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Vier Jahre für Rache mit dem Brotmesser
Ravensburger stellt Nebenbuhler in Abstellkammer und steht dafür in Würzburg vor Gericht
Ein bisschen frischer Wind kann doch auch dem Ravensburger Rutenfest wirklich nicht schaden, oder? Und die eine oder andere Neuerung ist dazu auch noch geeignet, die Völkerverständigung weiter voranzutreiben. Schöner Nebeneffekt: Nach der zweiten Flasche Wodka tut auch der Bierpreis nicht mehr so weh. WÜRZBURG - Den neuen Lover seiner Ex- Freundin hat ein 28-Jähriger aus Ravensburg kurz nach einem Schäferstündchen mit einem Brotmesser, Klingenlänge 30 Zentimeter, durch deren Wohnung in Würzburg gejagt, ihm eine tiefe Schnittverletzung an der Schulter zugefügt und ihn gewürgt. Ein sogenanntes Küchenbeil warf er, aber nur „halbherzig“, um den Nebenbuhler (25) zu beeindrucken, auf keinen Fall sollte dabei, so der Angeklagte, ein geliehener Flachbildschirm im Wohnzimmer beschädigt werden.
Der Mann, gegen den anfangs wegen Mordversuchs ermittelt wurde, ist jetzt vom Schwurgericht „nur“zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung verurteilt worden. Obwohl der Ravensburger auch vor Gericht noch zugegeben hatte, dass er den Tod seines Konkurrenten zwar nicht unbedingt wollte, aber „billigend in Kauf genommen“habe. Bei der Formulierung merkte man die jahrelange Erfahrung des Mannes mit der Strafjustiz, das Schwurgericht ging wie zuvor schon der Staatsanwalt von einem „strafbefreienden Rücktritt vom Versuch“aus, er hätte weitermachen können, tat es aber nicht und drehte sich stattdessen eine Zigarette. Wegen seiner Alkoholabhängigkeit seit über einem Jahrzehnt mit 2,5 Promille zur Tatzeit wurde die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsklinik angeordnet.
Dass die damals 21 Jahre alte Partnerin mit ihm Schluss machte, hatte einen Mann aus der Bahn geworfen, der seit früher Jugend als Obdachloser auf der Straße lebte und ausschließlich an der Flasche Halt suchte und fand. Der Vater war Alkoholiker, die Mutter setzte als Erziehungsmittel fast ausschließlich ein Nudelholz ein. Es war reiner Zufall, dass der Mann im Jahr 2014, als er seinen „Wohnsitz“von Bahnhofsvorplätzen in der Region Stuttgart nach Hamburg verlegen wollte, in Würzburg umsteigen musste, sich mal die lokale Bahnhofsszene anschaute und dabei dort der Frau begegnete, die dann für fast zwei Jahre sein Leben veränderte. Er suchte sich eine Arbeit, er bezahlte die Miete für die Wohnung und vor allem: Er griff nur noch selten zur Flasche. Und deswegen hat ihn dann die Aufforderung der Partnerin, zu gehen, total aus der Bahn geworfen. Es folgte eine verhängnisvolle Vereinbarung: Trotz „Aus“in der Beziehung durfte er zunächst noch in der Wohnung in Zell im Landkreis Würzburg bleiben, allerdings sollte keiner von beiden in der Zeit einen neuen Partner mit in die Wohnung bringen. Den Anblick wollte angeblich jeder dem anderen ersparen.
Am Tattag, im Oktober 2016, wollte der Angeklagte, der kaum noch in der Wohnung nächtigte, gegen 22 Uhr nur noch seinen Schlafsack holen und seine Klamotten, um dann Würzburg zu verlassen. Dass die Wohnungstür von innen verschlossen war, ließ sofort Eifersucht aufkommen, dass die Ex-Partnerin nur mit einer Decke bekleidet schließlich die Tür öffnete, bestätigte seine Vermutung und in der Abstellkammer fand er den ebenfalls spärlich bekleideten „Nachfolger“. Da ist für den Mann eine Welt zusammengebrochen, er habe sich, sagte er vor Gericht, selbst nicht mehr wiedererkannt. Plötzlich ging für ihn alles den Bach runter, so sein Verteidiger Martin Reitmaier, nachdem er scheinbar schon die Wende
In der Abstellkammer versteckte sich der Nebenbuhler
in seinem Leben geschafft hatte.
20 Einträge hat das Strafregister des Angeklagten, lauter Fälle, die bei Amtsgerichten in Stuttgart, Göppingen, Ravensburg und Geislingen an der Steige verhandelt wurden und sich meist im Zwei-Promille-Bereich abspielten, selten darunter, oft darüber. Wenn er mit dem Rad fuhr, benötigte er die volle Fahrbahnbreite, als Fußgänger kam er mitunter nur auf allen vieren voran, er fütterte Bahnhofstauben mit einer Eiswaffel und biss dann einer Taube den Kopf ab, er rammte einem Kumpel, der trotz Vorwarnung weiterstänkerte, eine Fleischgabel in die Wade, er klaute Alkohol, wenn beim Betteln nichts „reinkam“, und er legte sich immer wieder mit Polizeibeamten an.
Erklärungsbedürftig war für die meisten Prozessbeteiligten das Tattoo auf der Stirn des Angeklagten: Die Zahlenkombination „1 – 3 – 1 - 2“wird bei Skinheads, Ultras, Punks und Autonomen als Abkürzung verwendet für „All cops are bastards“(Alle Polizisten sind Bastarde ). Die Ziffern stehen für die Position der abgekürzten Worte im Alphabet.
Das Urteil wurde sofort rechtskräftig. Das Gericht wünschte dem Angeklagten, dass die angeordnete Therapie, um vom Alkohol loszukommen, Erfolg hat, damit er sein Leben doch noch in den Griff bekommt und nicht auf der Straße endet.