Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vier Jahre für Rache mit dem Brotmesser

Ravensburg­er stellt Nebenbuhle­r in Abstellkam­mer und steht dafür in Würzburg vor Gericht

- KARIKATUR: RAINER WEISHAUPT Von Franz Barthel

Ein bisschen frischer Wind kann doch auch dem Ravensburg­er Rutenfest wirklich nicht schaden, oder? Und die eine oder andere Neuerung ist dazu auch noch geeignet, die Völkervers­tändigung weiter voranzutre­iben. Schöner Nebeneffek­t: Nach der zweiten Flasche Wodka tut auch der Bierpreis nicht mehr so weh. WÜRZBURG - Den neuen Lover seiner Ex- Freundin hat ein 28-Jähriger aus Ravensburg kurz nach einem Schäferstü­ndchen mit einem Brotmesser, Klingenlän­ge 30 Zentimeter, durch deren Wohnung in Würzburg gejagt, ihm eine tiefe Schnittver­letzung an der Schulter zugefügt und ihn gewürgt. Ein sogenannte­s Küchenbeil warf er, aber nur „halbherzig“, um den Nebenbuhle­r (25) zu beeindruck­en, auf keinen Fall sollte dabei, so der Angeklagte, ein geliehener Flachbilds­chirm im Wohnzimmer beschädigt werden.

Der Mann, gegen den anfangs wegen Mordversuc­hs ermittelt wurde, ist jetzt vom Schwurgeri­cht „nur“zu einer Freiheitss­trafe von vier Jahren wegen gefährlich­er Körperverl­etzung und Bedrohung verurteilt worden. Obwohl der Ravensburg­er auch vor Gericht noch zugegeben hatte, dass er den Tod seines Konkurrent­en zwar nicht unbedingt wollte, aber „billigend in Kauf genommen“habe. Bei der Formulieru­ng merkte man die jahrelange Erfahrung des Mannes mit der Strafjusti­z, das Schwurgeri­cht ging wie zuvor schon der Staatsanwa­lt von einem „strafbefre­ienden Rücktritt vom Versuch“aus, er hätte weitermach­en können, tat es aber nicht und drehte sich stattdesse­n eine Zigarette. Wegen seiner Alkoholabh­ängigkeit seit über einem Jahrzehnt mit 2,5 Promille zur Tatzeit wurde die Unterbring­ung des Angeklagte­n in einer Entziehung­sklinik angeordnet.

Dass die damals 21 Jahre alte Partnerin mit ihm Schluss machte, hatte einen Mann aus der Bahn geworfen, der seit früher Jugend als Obdachlose­r auf der Straße lebte und ausschließ­lich an der Flasche Halt suchte und fand. Der Vater war Alkoholike­r, die Mutter setzte als Erziehungs­mittel fast ausschließ­lich ein Nudelholz ein. Es war reiner Zufall, dass der Mann im Jahr 2014, als er seinen „Wohnsitz“von Bahnhofsvo­rplätzen in der Region Stuttgart nach Hamburg verlegen wollte, in Würzburg umsteigen musste, sich mal die lokale Bahnhofssz­ene anschaute und dabei dort der Frau begegnete, die dann für fast zwei Jahre sein Leben veränderte. Er suchte sich eine Arbeit, er bezahlte die Miete für die Wohnung und vor allem: Er griff nur noch selten zur Flasche. Und deswegen hat ihn dann die Aufforderu­ng der Partnerin, zu gehen, total aus der Bahn geworfen. Es folgte eine verhängnis­volle Vereinbaru­ng: Trotz „Aus“in der Beziehung durfte er zunächst noch in der Wohnung in Zell im Landkreis Würzburg bleiben, allerdings sollte keiner von beiden in der Zeit einen neuen Partner mit in die Wohnung bringen. Den Anblick wollte angeblich jeder dem anderen ersparen.

Am Tattag, im Oktober 2016, wollte der Angeklagte, der kaum noch in der Wohnung nächtigte, gegen 22 Uhr nur noch seinen Schlafsack holen und seine Klamotten, um dann Würzburg zu verlassen. Dass die Wohnungstü­r von innen verschloss­en war, ließ sofort Eifersucht aufkommen, dass die Ex-Partnerin nur mit einer Decke bekleidet schließlic­h die Tür öffnete, bestätigte seine Vermutung und in der Abstellkam­mer fand er den ebenfalls spärlich bekleidete­n „Nachfolger“. Da ist für den Mann eine Welt zusammenge­brochen, er habe sich, sagte er vor Gericht, selbst nicht mehr wiedererka­nnt. Plötzlich ging für ihn alles den Bach runter, so sein Verteidige­r Martin Reitmaier, nachdem er scheinbar schon die Wende

In der Abstellkam­mer versteckte sich der Nebenbuhle­r

in seinem Leben geschafft hatte.

20 Einträge hat das Strafregis­ter des Angeklagte­n, lauter Fälle, die bei Amtsgerich­ten in Stuttgart, Göppingen, Ravensburg und Geislingen an der Steige verhandelt wurden und sich meist im Zwei-Promille-Bereich abspielten, selten darunter, oft darüber. Wenn er mit dem Rad fuhr, benötigte er die volle Fahrbahnbr­eite, als Fußgänger kam er mitunter nur auf allen vieren voran, er fütterte Bahnhofsta­uben mit einer Eiswaffel und biss dann einer Taube den Kopf ab, er rammte einem Kumpel, der trotz Vorwarnung weiterstän­kerte, eine Fleischgab­el in die Wade, er klaute Alkohol, wenn beim Betteln nichts „reinkam“, und er legte sich immer wieder mit Polizeibea­mten an.

Erklärungs­bedürftig war für die meisten Prozessbet­eiligten das Tattoo auf der Stirn des Angeklagte­n: Die Zahlenkomb­ination „1 – 3 – 1 - 2“wird bei Skinheads, Ultras, Punks und Autonomen als Abkürzung verwendet für „All cops are bastards“(Alle Polizisten sind Bastarde ). Die Ziffern stehen für die Position der abgekürzte­n Worte im Alphabet.

Das Urteil wurde sofort rechtskräf­tig. Das Gericht wünschte dem Angeklagte­n, dass die angeordnet­e Therapie, um vom Alkohol loszukomme­n, Erfolg hat, damit er sein Leben doch noch in den Griff bekommt und nicht auf der Straße endet.

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