Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Ländliche Idylle geht bis ins Klassenzimmer hinein“
Rektor Fritz Müller geht nach 13 Jahren an der Grundschule Riedhausen in den Ruhestand
RIEDHAUSEN (bbb) - Fritz Müller, Rektor der Grundschule Riedhausen, verabschiedet sich am Ende des Schuljahres in den Vorruhestand. Er hat 44 Jahre als Lehrer gearbeitet, 13 Jahre davon leitete er die Schule. Mit SZ-Redakteurin Barbara Baur hat er sich darüber unterhalten, welche Chancen kleine Schulen auf dem Land bieten und welche Herausforderungen dort heute gemeistert werden müssen.
Herr Müller, gibt es schon einen Nachfolger für Sie? Nein. Für die Stelle hat sich kein Bewerber ernsthaft interessiert. Jetzt wurde es so geregelt, dass meine Kollegin Miriam Kärcher die Leitung ab sofort kommissarisch übernimmt. Ihre Stellvertreterin ist Jasmin Hölzer. Denn mit mir geht auch meine Stellvertreterin Erika Wekenmann in den Vorruhestand. Der Wechsel ist seit einem Jahr geplant.
Werden dann neue Lehrer eingestellt? Wir haben momentan vier Lehrerinnen in Teilzeit. Wahrscheinlich kommt noch eine Vollzeitstelle hinzu, aber es steht noch nicht fest, wer die Stelle bekommen wird.
Warum wird es immer schwieriger, Schulleiterposten neu zu besetzen? Schulleiter haben unverhältnismäßig viel Verwaltungsarbeit und relativ viel Unterrichtszeit – vor allem an kleinen Schulen. Finanziell wird das aber nicht honoriert.
Warum ist für Sie jetzt der richtige exklusiv für Abonnenten Zeitpunkt, um in den Ruhestand zu gehen? Es gibt momentan einen Schnitt. Der neue Bildungsplan muss für die Zukunft geformt und gefüllt werden und es gibt viele neue Lern- und Unterrichtsformen. Hinzu kommt, dass wir jetzt nur noch zwei kombinierte, jahrgangsübergreifende Klassen haben. Bisher habe ich aber immer Jahrgangsklassen unterrichtet, entweder die Klasse 3 oder 4. Das bedeutet, dass ich wie ein Student noch mal neu hätte durchstarten müssen. Ich habe meinen Beruf immer gerne ausgeübt und kann mir noch gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn der Wecker morgens nicht mehr klingelt und mein Tag nicht vom Stundenplan bestimmt wird. Trotzdem will ich jetzt noch die Zeit genießen, auch wenn ich die Kinder und den Unterricht vermissen werde. Sie sind seit 13 Jahren Rektor der Grundschule Riedhausen. Welche Veränderungen haben Sie in dieser Zeit erlebt? Als ich 2004 hier ankam, hatten wir 145 Schüler und acht Klassen. Jetzt haben wir 45 Schüler, die in zwei jahrgangsgemischten Klassen unterrichtet werden. In den vergangenen Jahren ist die Schülerzahl immer weiter zurückgegangen. All diese Verringerungen, die immer geringer werdenden Schülerzahlen, haben meine Zeit hier geprägt. Außerdem hat sich das Kollegium stetig verjüngt. Heute ist von den Kollegen, die in meiner Anfangszeit hier waren, niemand mehr da. Hinzu kommt, dass sich in der Zeit auch zweimal der Bildungsplan verändert hat.
Welche Chancen bieten so kleine Schulen im ländlichen Raum? Die Kinder erleben den Schulalltag in einem sehr behüteten Raum, die ländliche Idylle geht bis ins Klassenzimmer hinein. Bei uns kennt jeder Lehrer jeden Schüler. In unserem Schulhaus herrschen Harmonie und eine angenehme Ruhe, sodass stressfreies Lernen möglich ist. So empfinde es zumindest ich als Lehrer. Auf alle Probleme, sollten welche auftauchen, können wir sofort eingehen. In einer Dorfschule wie in Riedhausen haben wir außerdem nicht im Geringsten die Probleme, die Brennpunktschulen in Städten haben.
Vor welchen Herausforderungen stehen die kleinen Grundschulen auf dem Land in der heutigen Zeit? In der Nachbarschaft existieren mehrere Grundschulen. Je nach Beruf nehmen immer mehr Eltern ihre Kinder mit in den Ort, wo ihr Arbeitgeber angesiedelt ist, zum Beispiel nach Ravensburg, Wilhelmsdorf oder Altshausen. In Riedhausen haben wir kaum größere Arbeitgeber. Ein Lichtblick für die Grundschule:: Derzeit wird ein neues Baugebiet erschlossen. Auf längere Sicht könnte das der Grundschule auch wieder mehr Schüler bringen. Ein Nachteil kleiner Schulen ist auch, dass sie manchmal Defizite haben, was die technische Ausstattung anbelangt. Dem können wir nur mit gutem Unterricht entgegenwirken und, das ist uns ganz wichtig, mit einer großen persönlichen Lehrer-Kind-Zuwendung. Dieser persönliche Kontakt ist unersetzlich. Wir merken, dass die Kinder das genießen und suchen. Es geht auch darum, einfach miteinander zu reden oder zu spielen.