Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Realschulen schießen seit 50 Jahren
Rund 15 000 Mädchen und Jungen haben bisher mit Pfeil und Bogen um die Schützenkönigswürde gewetteifert
RAVENSBURG - Er ist ein Schulmann mit Ecken und Kanten gewesen, eine Kämpfernatur, wenn es um Belange „seiner“Schule ging. 2013 ist Ekkehard Assfalg, der Gründungsrektor der städtischen Realschule Ravensburg und mehr als 20 Jahre ihr Leiter, 89-jährig gestorben. Es war ihm nicht vergönnt, das 50-jährige Schulbestehen im Jahr darauf noch mitzufeiern, genauso wenig wie ein nun bevorstehendes weiteres Jubiläum: 50 Jahre Bogenschießen, das es ohne ihn wahrscheinlich gar nicht gäbe.
„Vater der Realschule“hat man ihn genannt, auch „Vater des Bogenschießens“und des Schießens der Ehemaligen der Schule, denn auch das ging auf seine Initiative zurück. Dabei hatte Ekkehard Assfalg ursprünglich gar keinen gesonderten Rutenfest-Schießwettbewerb mit Pfeil und Bogen angestrebt. Vielmehr wollte er nur erreichen, dass die Mittelschüler, wie seine Schützlinge damals noch genannt wurden, am Adlerschießen der Gymnasiasten mit der Armbrust teilnehmen konnten. Doch damit biss er bei den Gymnasien auf Granit. Aber er gab nicht auf, sondern beantragte 1967 im Namen seines Kollegiums bei der Rutenfestkommission als neuen Schießwettbewerb das von ihm selbst ausgetüftelte Bogenschießen auf den Mehlsack als Hauptpreis droben auf der Stange und weitere Türme.
Die Kommission hatte ein Einsehen. Am Rutenmontag im Juli 1967 traten hinter der alten, historischen Kuppelnauturnhalle mehr als 200 Bogenschützen an, angeführt von Schützenoberst Michael Stötzler und zwei Oberschützen. Dass daraus in den vergangenen 50 Jahren insgesamt einmal 15 000 werden würden, konnte der Initiator des Bogenschießens damals unmöglich voraussehen. Realschullehrer Gerd Bogenrieder, seit über 30 Jahren beim Bogenschießen engagiert, davon 15 Jahre als Sprecher (in dieser Funktion hat ihn inzwischen sein Kollege Ludger Nückel abgelöst), ist auf diese Erfolgsgeschichte genauso stolz wie Rektorin Michaela Steinhilber. Beide rechnen diesmal wieder mit 600 bis 650 Schützinnen und Schützen.
Realschülerinnen mehr als 30 Jahre die einzigen Mädchen Seit 1969 konnte die inzwischen in Realschule umbenannte Mittelschule auch Mädchen aufnehmen. Mehr als 30 Jahre lang waren die Realschülerinnen die einzigen Mädchen, die an einem Schießwettbewerb des Rutenfests teilnehmen durften! Anfangs hielten es allerdings etliche der jungen Damen nicht für nötig, vor dem großen Ereignis immer am Rutenmontag fleißig mit Pfeil und Bogen zu üben. Entsprechend kläglich schnitten sie ab, wenn es auf der Kuppelnau um die Königswürde der Bogenschützen ging.
Das habe sich allerdings inzwischen gründlich geändert, versichert die Schulleiterin. Im Schwarzwäldle werde wochenlang emsig trainiert. Wobei inzwischen verbessertes Schießgerät im Einsatz ist. Geschossen wird mit Langbögen nach wie vor zwar ohne Zieleinrichtung, aber mit einer Einkerbung, die eine bessere Führung des Pfeils ermöglicht. Stahlsaiten sind nicht zugelassen. Die Spannkraft des Bogens darf 20 Pfund nicht überschreiten. Kenner versichern, es sei schwieriger mit Pfeil und Bogen zu treffen als mit der Armbrust. 1984 sorgte Diane Eisele, heute Dalldush, für großen Jubel, als die Siebtklässlerin als erstes Mädchen den Mehlsack erbeutete. Als erste Schützenkönigin des Bogenschießens ging sie in die Geschichte dieses Schießwettbewerbs ein. Kurioserweise hatte Diane vorher noch nie Pfeil und Bogen in der Hand gehalten, wie sie selbst einräumte. Glück muss der Mensch beim Bogenschießen eben auch haben, um auf Trommlerschultern im Triumph über die Kuppelnau getragen zu werden.
Seit 1986 wurde das erste Bogenschießen der ehemaligen Realschüler gestartet, das alle fünf Jahre wiederholt wird. Und 1992 wurde der Wettbewerb zu einer Veranstaltung aller Ravensburger Realschulen, denn fortan machte auch das Klösterle mit. Eine Schützenkönigin zu stellen, war ihm freilich noch nie vergönnt. „Wir sind mal so nett und gönnen den Mädle aus dem Klösterle diesmal den Erfolg“, beweist Rektorin Steinhilber Großzügigkeit. Wenn da nur nicht die Buben wären, die vor Ehrgeiz brennen, insbesondere die Schützentrommler, die es bereits seit 1968 gibt.
Realschülern ist Schießen mit der Armbrust anfangs verwehrt Am Anfang war der Wettbewerb mit Pfeil und Bogen nur die zweitbeste Lösung, weil den Realschülern das Mitschießen mit der Armbrust verwehrt wurde. Doch in 50 Jahren ist da eine tief verwurzelte Tradition gewachsen, an der zu rütteln sich nicht empfiehlt. Das musste jedenfalls Dieter Graf, der Vorsitzende der Rutenfestkommission, erfahren, als er 2001 bei einer Kommissionssitzung im Schwörsaal mit Unterstützung der Schulen den Antrag einbrachte, die Realschülerinnen und -schüler fortan mit der Armbrust schießen zu lassen. Er scheiterte krachend. Sein Vorgänger Albrecht Krauss, Ehrenvorsitzender der Kommission, hielt eine flammende Rede, in der er für die Beibehaltung von Pfeil oder Bogen als Schießinstrumente plädierte. Die Antragsteller mussten einen Rückzieher machen. Beschlossen wurde damals jedoch, endlich auch für die Hauptschülerinnen und -schüler einen Wettbewerb einzuführen – mit der Armbrust. Neueren Datums war der Konflikt wegen der Beteiligung der Gemeinschaftsschulen am Schießen. Doch das ist eine andere Geschichte.