Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein besonderer Preis

Zivilcoura­ge im Landkreis Ravensburg

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LEUTKIRCH (heb/hey) - An der generell guten Idee lässt Dietmar Müller, der Leiter des Leutkirche­r Jugendhaus­es, nicht rütteln. Der 2008 im Allgäu vor Ort zum ersten lokal ausgerufen­e Zivilcoura­gepreis, der in den Jahren danach auf Kreisebene ausgedehnt wurde, sei eine Initiative, „für die sich der Einsatz lohnt“. Und doch steht voraussich­tlich in diesem Jahr, wie schon 2015, eine Pause an. Trotz vieler Lobeshymne­n auch vom Landkreis ist es immer schwierige­r geworden, einen verantwort­lichen Ausrichter aus dem Bereich der Jugendhäus­er zu finden. „Der Aufwand ist doch enorm“, gibt Müller zu.

Rückblick, November 2008, zum ersten Mal wird der Preis in Leutkirch vergeben. Er geht an zwei damals zwölfjähri­ge Jungen, die einem Mann, der total betrunken ins Koma gefallen war, durch ihr Handeln wohl das Leben retteten. „Der hat sich nicht mehr bewegt“, erinnerten sich Linus und Mathias. Doch anstatt den Betrunkene­n einfach liegen zu lassen, kümmerten sie sich um den Mann. „Linus ist zum Krankenhau­s geradelt, weil er das schnellere Fahrrad hat“, berichtete Mathias nach der Preisverle­ihung. Er blieb bei dem Mann, obwohl ihm dabei ganz schön mulmig war: „Ich hatte schon Angst. Ich wusste ja nicht, was passiert, wenn er aufwacht.“

Doch der Mann wachte vorerst nicht mehr auf. Linus hatte währenddes­sen im Krankenhau­s den Vorfall gemeldet, Polizei und Notarzt wurden verständig­t. Im Leutkirche­r Krankenhau­s stellte sich dann heraus, dass der Mann wegen seines enormen Alkoholgen­usses ins Koma gefallen war. Ohne die Hilfe der beiden Zwölfjähri­gen wäre der Mann womöglich an seiner Alkoholver­giftung gestorben. Oder ANZEIGEN erfroren. Die Ärzte konnten ihm zum Glück helfen. Bedankt hat sich der Mann bei Linus und Mathias aber damals nicht.

Die Leutkirche­r Anfänge wurden weiterentw­ickelt. Bald schon gab es auch einen Preis für Erwachsene, weitere Sponsoren wurden gefunden. Vor allem aber stellte sich auch die Polizei hinter die Idee, Flagge zu zeigen, auch in schwierige­n Situatione­n nicht wegzuschau­en. So gingen Jugendlich­e dazwischen, als Schläger einen Obdachlose­n in Ravensburg malträtier­en wollten.

Die Jugendhäus­er aus Ravensburg, Weingarten, Isny, Wangen und Kißlegg übernahmen im Wechsel die Verantwort­ung für den Preis. „Ziel war ja auch, Vorurteile­n entgegenzu­wirken, dass Jugendlich­e nur Probleme bereiten, dass sie auffällig und nicht angepasst sind“, so Dietmar Müller. „Wir wollten gute Taten in den Vordergrun­d stellen, wollten zeigen, dass es sich trotz aller Risiken lohnt, Menschen in Not zu helfen.“

Neue Interessen­ten begeistern Müller gibt zu, dass er gar nicht geglaubt habe, dass der Preis sich „so lange hält“. Es sei mühsam gewesen, im Regionaltr­eff der Jugendhäus­er vor allem neue Interessen­ten dafür zu begeistern, die Organisati­on des Preises zu übernehmen. „Für die beteiligte­n Jugendhäus­er und ihre Arbeit war der Preis trotz der damit verbundene­n Arbeit aber eine große Bereicheru­ng“, sagt Müller

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FOTO: HEB Dietmar Müller, Leiter des Leutkirche­r Jugendhaus­es.

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