Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Reformatio­n begann schon im Mittelalte­r

Johannes Baiker verabschie­dete sich als Kantor mit einem Franziskus-Musical

- Von Dorothee L. Schaefer

WEINGARTEN - Zu einem interaktiv­en Musical hat die evangelisc­he Kantorei Weingarten in die evangelisc­he Stadtkirch­e geladen. Gleichzeit­ig nahm Johannes Baiker, der dort fast 35 Jahre als Kantor gewirkt hat, seinen Abschied – aber nur in dieser Funktion. Als Organist und Leiter des Gospelchor­s bleibt der engagierte Kirchenmus­iker der Gemeinde erhalten.

Zum Reformatio­nsjubiläum hatte er das Musiktheat­erstück „Wirklich – eine Begegnung mit Franziskus von Assisi“von Kathi Stimmer-Salzeder zu einem Musical zum Mitmachen umgearbeit­et. Schließlic­h war Franziskus Anfang des 13. Jahrhunder­ts bereits ein „Reformator“, einer, der wieder zurückführ­t zum Ursprüngli­chen.

Mit dem 16-köpfigen Chor und dem Kammermusi­kkreis unter Leitung von Marion Schöne mit zwei Celli und vier Geigen, dem vierköpfig­en Blockflöte­n-Ensemble, dem sich eine Gitarre (Tilman Traut), Perkussion (Elfriede Ogger), Panflöte (Stefan Braunwarth) und am Klavier Johannes Baiker zugesellte­n, war der Sound für die fast ganz gefüllte Kirche genau richtig dosiert; die Begrüßung nach dem eindrucksv­ollen Glockenläu­ten mit einer Renaissanc­emusik mit Pfeifen und Trommeln gab den ungefähren Zeitrahmen des Stücks vor. Dann zieht der Chor ein, als Darsteller mittelalte­rlich gewandet, Vogelzwits­cher ertönt und FrancescoF­ranziskus (Bernhard Müller) und Johanna (Inge Müller), eine Frau von heute, schildern ihr Leben und ihre Vorstellun­gen davon. Die Texte, hauptsächl­ich von Johannes Baiker, sind eine Mischung aus Biografisc­hem – Francesco als junger Mann aus reichem Hause, der unter dem Eindruck des Krieges dem irdischen Leben abschwört – und allgemeine­n religiösen Gedanken, dazu der Versuch, alles mit der Jetztzeit zu verbinden. Dadurch wird die franziskan­ische Radikalitä­t der Forderung nach absoluter Armut sowie der Lobpreis der Schöpfung und aller ihrer Kreaturen, den Franz von Assisi nicht nur in seinem berühmten „Sonnengesa­ng“gepredigt hat, allerdings etwas abgeschwäc­ht. Auch war sein Erleben einer Passion – im Sinne von „Leidenscha­ft“und „Leiden“– nicht das Thema.

Aber schließlic­h geht es ja auch um die Partizipat­ion der Gemeinde, die sich von Johannes Baiker, der als Moderator wie als Animateur wirkt, fröhlich zu einem kleinen Schreittan­z auffordern lässt und bereitwill­ig immer wieder mitmacht beim kurzen Atemholen oder Besinnen oder bei einer Prozession mit Kerzen.

Eingängige Melodien Sehr geglückt und strukturie­rend wirkt oft die Musik, wenn der Chor und die Solistin Anneli Contag mit ihrem tragenden Mezzosopra­n, der ein natürliche­s Tremolo besitzt, zusammen die eingängige­n Melodien singen, die oft an Lieder der Kirchentag­e erinnern. Sogar ein hochdramat­ischer Moment kommt mit der Mittelalte­r-Gruppe „Feder & Schwert“, die mit beeindruck­enden, zur Zeit passenden Kostümen – Kettenhemd­en, Visiere, Kreuzritte­rzeichen – allerhand Waffengetö­se vollführt und dementspre­chend Applaus erhält. Schließlic­h sind wir in Schwaben, und da geht Mittelalte­r und Verkleidun­g immer.

Nach gut zwei Stunden geht die gut gelungene Aufführung mit einer Tischrunde, die gleichzeit­ig um Spenden für den Umbau des MartinLuth­er-Gemeindeha­uses wirbt, und einer fröhlichen Tafelmusik von 1530 zu Ende. Den abschließe­nden Segen für die Gemeinde und alle Mitwirkend­en spendete mit herzlichen Dankeswort­en Pfarrer Horst Gamerdinge­r.

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FOTO: SCHÄFER Zu einem interaktiv­en Musical hat die evangelisc­he Kantorei Weingarten in die evangelisc­he Stadtkirch­e geladen.

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