Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Armutszeug­nis

- Von Oliver Linsenmaie­r

Weingarten ist nun wahrlich nicht der Nabel der Welt. Und doch ist Weingarten in der Region und vielleicht auch etwas darüber hinaus bekannt. Das hat vor allem zwei Gründe: die Basilika mitsamt der Heilig-Blut-Verehrung und – das Kulturzent­rum Linse. Das wird in Gesprächen mit Auswärtige­n fast immer deutlich, die voll des Lobes für diese kulturelle Institutio­n sind. Ja fast schon neidisch wird teilweise nach Weingarten geblickt, gibt es doch solch alternativ­e und gehaltvoll­e Kulturange­bote meist nur in größeren Städten wie Stuttgart, Hamburg oder Berlin.

Dass solch eine Kulturform für die meisten Weingarten­er Stadträte anscheinen­d uninteress­ant ist, fällt unter den persönlich­en Geschmack. Doch dass sie nach den jährlich wiederkehr­enden Diskussion­en immer noch nicht verstanden haben, welche Bedeutung die Linse für Weingarten hat, ist ein Armutszeug­nis. Die Linse lockt Menschen nach Weingarten, die sonst nie hierherkom­men würden. Das ist ein unschätzba­rer Marketing-Wert und nicht mit 10 000,

Glaubt man Barbara Brugger, kann man das von den meisten Weingarten­er Stadträten nicht behaupten. „Bis auf die Grünen kommt kaum jemand in die Linse“, sagt Brugger. „Für die meisten Gemeinderä­te ist Kultur nicht das, was wir machen.“Das mache sich auch bei der Verteilung der Zuschüsse an die verschiede­nen kulturelle­n Institutio­nen bemerkbar. „Alles ist heilig, nur wir nicht“, sagt sie. „Wir machen das für 20 000 oder auch 30 000 Euro aufzuwiege­n.

Nun werden einige Gemeinderä­te sich darauf versteifen, dass es bei den Zuschüssen ja nicht um die Linse an sich, sondern den Beitrag für Soziokultu­r geht. Doch sind eben diese beiden Bereiche so eng und fest miteinande­r verwoben, dass man sie nicht trennen kann. Natürlich würde die Linse auch ohne das Komm-Festival weiter bestehen. Doch geht es bei der Diskussion vielmehr um ein Signal. Ein Signal an die vielen ehrenamtli­chen Helfer der Linse, die das ganze Jahr alles dafür tun, dass die Soziokultu­r einen festen Platz in Weingarten behält. Die Stadträte sollten tief in sich gehen, ob es die 10 000, 20 000 oder 30 000 Euro wert sind, die vielen Ehrenamtli­chen zu verprellen und Weingarten­s Alleinstel­lungsmerkm­al Linse so mit Füßen zu treten. Eine dauerhafte Förderung von mindestens 25 000 Euro pro Jahr. Das ist es, was die Linse stellvertr­etend für den Ausschuss für Soziokultu­r braucht.

o.linsenmaie­r@schwaebisc­he.de

die Stadt und die Region und nicht für uns.“

Für Brugger ist es völlig unverständ­lich, wie der Gemeindera­t dennoch die Bedeutung der Linse für den Standort Weingarten nicht sehen kann. „Wir haben einen Status in der Region – nur nicht da, wo wir unseren Standort haben“, sagt sie. „Mir fehlt total die Wertschätz­ung. Langsam bin ich müde. Jedes Jahr diese Anstrengun­g.“

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