Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Armutszeugnis
Weingarten ist nun wahrlich nicht der Nabel der Welt. Und doch ist Weingarten in der Region und vielleicht auch etwas darüber hinaus bekannt. Das hat vor allem zwei Gründe: die Basilika mitsamt der Heilig-Blut-Verehrung und – das Kulturzentrum Linse. Das wird in Gesprächen mit Auswärtigen fast immer deutlich, die voll des Lobes für diese kulturelle Institution sind. Ja fast schon neidisch wird teilweise nach Weingarten geblickt, gibt es doch solch alternative und gehaltvolle Kulturangebote meist nur in größeren Städten wie Stuttgart, Hamburg oder Berlin.
Dass solch eine Kulturform für die meisten Weingartener Stadträte anscheinend uninteressant ist, fällt unter den persönlichen Geschmack. Doch dass sie nach den jährlich wiederkehrenden Diskussionen immer noch nicht verstanden haben, welche Bedeutung die Linse für Weingarten hat, ist ein Armutszeugnis. Die Linse lockt Menschen nach Weingarten, die sonst nie hierherkommen würden. Das ist ein unschätzbarer Marketing-Wert und nicht mit 10 000,
Glaubt man Barbara Brugger, kann man das von den meisten Weingartener Stadträten nicht behaupten. „Bis auf die Grünen kommt kaum jemand in die Linse“, sagt Brugger. „Für die meisten Gemeinderäte ist Kultur nicht das, was wir machen.“Das mache sich auch bei der Verteilung der Zuschüsse an die verschiedenen kulturellen Institutionen bemerkbar. „Alles ist heilig, nur wir nicht“, sagt sie. „Wir machen das für 20 000 oder auch 30 000 Euro aufzuwiegen.
Nun werden einige Gemeinderäte sich darauf versteifen, dass es bei den Zuschüssen ja nicht um die Linse an sich, sondern den Beitrag für Soziokultur geht. Doch sind eben diese beiden Bereiche so eng und fest miteinander verwoben, dass man sie nicht trennen kann. Natürlich würde die Linse auch ohne das Komm-Festival weiter bestehen. Doch geht es bei der Diskussion vielmehr um ein Signal. Ein Signal an die vielen ehrenamtlichen Helfer der Linse, die das ganze Jahr alles dafür tun, dass die Soziokultur einen festen Platz in Weingarten behält. Die Stadträte sollten tief in sich gehen, ob es die 10 000, 20 000 oder 30 000 Euro wert sind, die vielen Ehrenamtlichen zu verprellen und Weingartens Alleinstellungsmerkmal Linse so mit Füßen zu treten. Eine dauerhafte Förderung von mindestens 25 000 Euro pro Jahr. Das ist es, was die Linse stellvertretend für den Ausschuss für Soziokultur braucht.
o.linsenmaier@schwaebische.de
die Stadt und die Region und nicht für uns.“
Für Brugger ist es völlig unverständlich, wie der Gemeinderat dennoch die Bedeutung der Linse für den Standort Weingarten nicht sehen kann. „Wir haben einen Status in der Region – nur nicht da, wo wir unseren Standort haben“, sagt sie. „Mir fehlt total die Wertschätzung. Langsam bin ich müde. Jedes Jahr diese Anstrengung.“