Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Freilichtschauspiel: Luther als Mensch
Das Team um Jutta Golitsch zeigt bis Sonntag vier Vorstellungen in Altshausen
ALTSHAUSEN - Erstaufführung in Altshausen: Das Freilichtschauspiel „Martin Luther“ist bei der Generalprobe auf dem Seminarplatz am Donnerstagabend erstmals der Öffentlichkeit gezeigt worden. Autorin und Regisseurin Jutta Golitsch ist es gelungen, mit 88 Schauspielern Schlüsselszenen aus dem Leben des Kirchenreformators spannend in Szene zu setzen. Der Musikverein Altshausen begleitete das Stück musikalisch. Für alle Akteure gab es kräftigen Applaus und Bravo-Rufe.
Das Drama um Martin Luther beginnt mit kräftigen Paukenschlägen. Die Zuschauer werden in das ausgehende Mittelalter versetzt, als die Gläubigen sich noch bei Pfarrern in Form von Ablassbriefen Seelenheil kaufen konnten: Der Ablassprediger Johann Tetzel, gespielt von Paul Reisch, ist mit seinem Gefolge in der Stadt Jüterbog unterwegs. Er verspricht den Gläubigen die Vergebung aller Sünden, sogar, wenn man sich der Gotteslästerung schuldig gemacht habe. Nach dem Motto „Sobald die Münze in dem Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt“versucht er, den Menschen Ablassbriefe zu verkaufen. Erhältlich seien die Briefe nur an einem heiligen, gesegneten Ort: in der Liebfrauenkirche. Viele Menschen folgen ihm.
Prediger belächeln Luther Die Hauptfigur Martin Luther tritt anfangs nur indirekt auf: Die Ablassprediger unterhalten sich über ihn. „Einige mäkeln über die Ablasspraxis“, sagen sie und machen sich lustig über ihn. „Luder“sei früher sein eigentlicher Name gewesen, außerdem entstamme er einer unbedeutenden Familie. Sie belächeln ihn auch wegen des Gerüchts, dass er nach einem Blitzschlag ins Kloster eingetreten sein soll. Luther (Michael Bertsch) selbst tritt erstmals als Prediger in Erscheinung. Von einer Kanzel rechts auf dem Seminarplatz wettert er gegen die gängige Ablasspraxis: „Wer wird diesem Humbug ein Ende bereiten?“, fragt er. Später nagelt er seine 95 Thesen wider den Ablass an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg.
Luther wird von Hauptdarsteller Michael Bertsch als aufrechter Mann porträtiert, der aber auch von starken Zweifeln und Schuldgefühlen geplagt ist. „Guter Gott, bin ich fehl?“, fragt er. „Bin nur ich gut und lagen vor mir alle Menschen falsch?“Er habe doch nur einen Missstand angesprochen, keine neuen Glaubenssätze verbreitet. Obwohl er in Gefahr ist, zum Tode verurteilt zu werden, kann er es nicht unterlassen, die Ablasspraxis anzuprangern. „Was Johann Tetzel den Menschen verheißt, ist Hochverrat an Gott“, sagt er.
Indem er sich gegen die Kirchenpraxis stellt, macht sich der Theologe viele Feinde. Er setzt sich so der Gefahr aus, als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden. Es dauert nicht lange, bis seine Gegner rufen: „Luther soll brennen!“Die Situation spitzt sich zu, als er der Ketzerei verdächtigt wird und nach Rom vors höchste Gericht soll. Sein Freund und Beichtvater Johann von Staupitz (Holger Baur) will ihn vor dem Schlimmsten bewahren. Er dürfe die Eminenz nicht provozieren, solle während des Gesprächs niederknien. „Es wird keine Diskussion geben“, sagt von Staupitz. „Er erwartet nur ein Wort: Revoco – ich widerrufe!“
Genau das kann Luther nicht. „Ich will nicht durch den Widerruf der Worte zu einem Ketzer werden, durch die ich überhaupt erst zu einem Christen geworden bin“, entgegnet Luther dem Kardinal Thomas Cajetan (Josef Staudacher) während eines Verhörs. Später verbrennt Luther päpstliche Bücher und eine Bulle (päpstliche Urkunde, A. d. Red.), was zum endgültigen Bruch mit Rom führt. Auf dem Wormser Reichstag fordert der Kaiser erneut seinen Widerruf, was Luther erneut ablehnt. Auf seinem Heimweg wird der Geistliche zu seinem eigenen Schutz von Soldaten des sächsischen Kurfürsten entführt und auf der Wartburg inhaftiert. Später heiratet er die geflohene Nonne Katharina von Bora (Eva Lupberger).
Es kommt zum Krieg Während Luther auf der Wartburg an der Übersetzung der Heiligen Schrift in die deutsche Sprache arbeitet, spitzen sich die Auseinandersetzungen vor den Schlossmauern zu. Im Bauernkrieg kommt es zu blutigen Schlachten. Die Schauspieler bringen den blutigen Konflikt eindrucksvoll auf die Bühne: Sie kämpfen mit Mistgabeln und Dreschflegeln, um sich aus der Leibeigenschaft zu befreien. Plötzlich ist der Seminarplatz voller blutiger Gestalten. Martin Luther verweigert den Bauern die Unterstützung. Trotz dieser Zuspitzung endet das Stück versöhnlich im vom Reformator geschriebenen Schluss choral „Wir glauben all an einen Gott“.
Jutta Golitsch und den Schauspielern ist es gelungen, Luther nicht idealisiert, sondern als Menschen darzustellen. Obwohl die geschichtlichen Zusammenhänge – zumindest in ihren groben Zügen – allen Zuschauern bekannt sein dürften, war das Stück bis zum Schluss spannend. Trotz der voll besetzten Tribüne mit ihren 600 Plätzen war es mucksmäuschenstill. Eine beachtliche Leistung zeigte auch der Musikverein Altshausen, der unter der Leitung von Carmen Hugger das Theaterstück musikalisch untermalte. Alle Vorstellungen sind ausverkauft.
Ein Video über das Freilichtschauspiel gibt es im Internet: www.schwäbische.de/ luther-altshausen2017