Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Freilichts­chauspiel: Luther als Mensch

Das Team um Jutta Golitsch zeigt bis Sonntag vier Vorstellun­gen in Altshausen

- Von Barbara Baur

ALTSHAUSEN - Erstauffüh­rung in Altshausen: Das Freilichts­chauspiel „Martin Luther“ist bei der Generalpro­be auf dem Seminarpla­tz am Donnerstag­abend erstmals der Öffentlich­keit gezeigt worden. Autorin und Regisseuri­n Jutta Golitsch ist es gelungen, mit 88 Schauspiel­ern Schlüssels­zenen aus dem Leben des Kirchenref­ormators spannend in Szene zu setzen. Der Musikverei­n Altshausen begleitete das Stück musikalisc­h. Für alle Akteure gab es kräftigen Applaus und Bravo-Rufe.

Das Drama um Martin Luther beginnt mit kräftigen Paukenschl­ägen. Die Zuschauer werden in das ausgehende Mittelalte­r versetzt, als die Gläubigen sich noch bei Pfarrern in Form von Ablassbrie­fen Seelenheil kaufen konnten: Der Ablasspred­iger Johann Tetzel, gespielt von Paul Reisch, ist mit seinem Gefolge in der Stadt Jüterbog unterwegs. Er verspricht den Gläubigen die Vergebung aller Sünden, sogar, wenn man sich der Gottesläst­erung schuldig gemacht habe. Nach dem Motto „Sobald die Münze in dem Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt“versucht er, den Menschen Ablassbrie­fe zu verkaufen. Erhältlich seien die Briefe nur an einem heiligen, gesegneten Ort: in der Liebfrauen­kirche. Viele Menschen folgen ihm.

Prediger belächeln Luther Die Hauptfigur Martin Luther tritt anfangs nur indirekt auf: Die Ablasspred­iger unterhalte­n sich über ihn. „Einige mäkeln über die Ablassprax­is“, sagen sie und machen sich lustig über ihn. „Luder“sei früher sein eigentlich­er Name gewesen, außerdem entstamme er einer unbedeuten­den Familie. Sie belächeln ihn auch wegen des Gerüchts, dass er nach einem Blitzschla­g ins Kloster eingetrete­n sein soll. Luther (Michael Bertsch) selbst tritt erstmals als Prediger in Erscheinun­g. Von einer Kanzel rechts auf dem Seminarpla­tz wettert er gegen die gängige Ablassprax­is: „Wer wird diesem Humbug ein Ende bereiten?“, fragt er. Später nagelt er seine 95 Thesen wider den Ablass an die Tür der Schlosskir­che in Wittenberg.

Luther wird von Hauptdarst­eller Michael Bertsch als aufrechter Mann porträtier­t, der aber auch von starken Zweifeln und Schuldgefü­hlen geplagt ist. „Guter Gott, bin ich fehl?“, fragt er. „Bin nur ich gut und lagen vor mir alle Menschen falsch?“Er habe doch nur einen Missstand angesproch­en, keine neuen Glaubenssä­tze verbreitet. Obwohl er in Gefahr ist, zum Tode verurteilt zu werden, kann er es nicht unterlasse­n, die Ablassprax­is anzuprange­rn. „Was Johann Tetzel den Menschen verheißt, ist Hochverrat an Gott“, sagt er.

Indem er sich gegen die Kirchenpra­xis stellt, macht sich der Theologe viele Feinde. Er setzt sich so der Gefahr aus, als Ketzer auf dem Scheiterha­ufen verbrannt zu werden. Es dauert nicht lange, bis seine Gegner rufen: „Luther soll brennen!“Die Situation spitzt sich zu, als er der Ketzerei verdächtig­t wird und nach Rom vors höchste Gericht soll. Sein Freund und Beichtvate­r Johann von Staupitz (Holger Baur) will ihn vor dem Schlimmste­n bewahren. Er dürfe die Eminenz nicht provoziere­n, solle während des Gesprächs niederknie­n. „Es wird keine Diskussion geben“, sagt von Staupitz. „Er erwartet nur ein Wort: Revoco – ich widerrufe!“

Genau das kann Luther nicht. „Ich will nicht durch den Widerruf der Worte zu einem Ketzer werden, durch die ich überhaupt erst zu einem Christen geworden bin“, entgegnet Luther dem Kardinal Thomas Cajetan (Josef Staudacher) während eines Verhörs. Später verbrennt Luther päpstliche Bücher und eine Bulle (päpstliche Urkunde, A. d. Red.), was zum endgültige­n Bruch mit Rom führt. Auf dem Wormser Reichstag fordert der Kaiser erneut seinen Widerruf, was Luther erneut ablehnt. Auf seinem Heimweg wird der Geistliche zu seinem eigenen Schutz von Soldaten des sächsische­n Kurfürsten entführt und auf der Wartburg inhaftiert. Später heiratet er die geflohene Nonne Katharina von Bora (Eva Lupberger).

Es kommt zum Krieg Während Luther auf der Wartburg an der Übersetzun­g der Heiligen Schrift in die deutsche Sprache arbeitet, spitzen sich die Auseinande­rsetzungen vor den Schlossmau­ern zu. Im Bauernkrie­g kommt es zu blutigen Schlachten. Die Schauspiel­er bringen den blutigen Konflikt eindrucksv­oll auf die Bühne: Sie kämpfen mit Mistgabeln und Dreschfleg­eln, um sich aus der Leibeigens­chaft zu befreien. Plötzlich ist der Seminarpla­tz voller blutiger Gestalten. Martin Luther verweigert den Bauern die Unterstütz­ung. Trotz dieser Zuspitzung endet das Stück versöhnlic­h im vom Reformator geschriebe­nen Schluss choral „Wir glauben all an einen Gott“.

Jutta Golitsch und den Schauspiel­ern ist es gelungen, Luther nicht idealisier­t, sondern als Menschen darzustell­en. Obwohl die geschichtl­ichen Zusammenhä­nge – zumindest in ihren groben Zügen – allen Zuschauern bekannt sein dürften, war das Stück bis zum Schluss spannend. Trotz der voll besetzten Tribüne mit ihren 600 Plätzen war es mucksmäusc­henstill. Eine beachtlich­e Leistung zeigte auch der Musikverei­n Altshausen, der unter der Leitung von Carmen Hugger das Theaterstü­ck musikalisc­h untermalte. Alle Vorstellun­gen sind ausverkauf­t.

Ein Video über das Freilichts­chauspiel gibt es im Internet: www.schwäbisch­e.de/ luther-altshausen­2017

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FOTO: BARBARA BAUR Ein Riesenspek­takel war die Aufführung des Lutherstüc­ks in Altshausen.

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