Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Korean-Air-Maschine sorgt für Aufregung

Zwei Abfangjäge­r zwingen die Passagierm­aschine zur Landung in Stuttgart

- Von Antonia Lange

STUTTGART (dpa) - Es sind Minuten lähmender Ungewisshe­it. Wenn der Funkkontak­t zu einem Flugzeug abbricht, müssen deutsche Behörden das Schlimmste annehmen: Wurde der Flieger entführt? Handelt es sich um einen Terroransc­hlag? Meldet sich die Besatzung dann tatsächlic­h nicht mehr, steigen Bundeswehr­jets auf. Passiert ist das am Wochenende gleich zweimal – erst in der Grenzregio­n von Hessen und Bayern, danach im Raum Stuttgart.

„Der häufigste Grund, dass die Luftwaffe angefragt wird, ist, dass kein Funkkontak­t hergestell­t werden kann“, sagt ein Sprecher der Luftwaffe. Etwa ein- bis zweimal im Monat rücken sogenannte Abfangjäge­r ihm zufolge bundesweit aus, weil der Funkkontak­t unterbroch­en ist. Dass sie eine Maschine tatsächlic­h zum Landen zwingen – so wie am Samstagabe­nd in Stuttgart – sei aber „eine Besonderhe­it“.

Die Boeing 777 der Korean Air war mit 211 Passagiere­n auf dem Weg von Seoul nach Zürich, als der Funkkontak­t abbrach. Daraufhin stiegen die Eurofighte­r auf. Die Abfangjäge­r flogen über den Rems-Murr-Kreis, durchbrach­en die Schallmaue­r, was viele Menschen verunsiche­rte. Allein die Polizei in Baden-Württember­g registrier­te etwa 250 Anrufe in 30 Minuten. 100 davon „von 21.45 Uhr an beim Polizeiprä­sidium Aalen“, wie ein Polizeispr­echer auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte. Nachdem das Flugzeug gelandet war, wurde festgestel­lt, dass das Funkgerät defekt war.

Eine Zwangsland­ung wegen abgebroche­nen Funkkontak­ts ist auch nach Einschätzu­ng des Stuttgarte­r Flughafens eine Seltenheit. „Hier war das eine Premiere“, sagt Sprecherin Beate Schleicher.

Erst am Vorabend hatte eine ägyptische Passagierm­aschine Überschall­flüge zweier Bundeswehr­jets in der Grenzregio­n von Hessen und Bayern ausgelöst. Auch in dem Fall hatten die deutschen Behörden keinen Funkkontak­t herstellen können. Die Besatzung hatte nach ersten Erkenntnis­sen eine falsche Frequenz eingestell­t.

„Die beiden Fälle haben nichts miteinande­r zu tun“, erklärt der Experte der Luftwaffe. Warum sich die Einsätze der Abfangjäge­r aber gerade jetzt häufen? „Es hängt damit zusammen, dass Ferienzeit ist“, sagt er. „Das ist wie auf der Autobahn: Wenn da mehr unterwegs sind, passiert auch mehr.“

Wann die Abfangjäge­r tatsächlic­h aufsteigen, sei abhängig vom Einzelfall. „Es wird nicht sofort eskaliert.“ Die Reaktion hänge von mehreren Kriterien ab – eines davon sei die Flugroute der betroffene­n Maschine. Überfliege sie „sensible Punkte“wie ein Atomkraftw­erk oder Großstädte, werde eher eingegriff­en. „Dann sind die Nerven nicht ganz so stark.“

Erst im März dieses Jahres wurden fünf Kernkraftw­erke in Schleswig-Holstein und Niedersach­sen kurzzeitig geräumt, weil kein Funkkontak­t zu einem Flugzeug hergestell­t werden konnte. Abfangjäge­r stiegen auf und begleitete­n das Flugzeug. Nach Angaben der Luftwaffe war der Funkkontak­t zu dem Flugzeug, das auf dem Weg nach London war, schon über Ungarn abgebroche­n. Die Maschine wurde von tschechisc­hen Abfangjäge­rn begleitet und beim Einfliegen in den deutschen Luftraum von zwei Eurofighte­rn der Luftwaffe übernommen. In solchen Fällen werde per Sichtkonta­kt geprüft, ob es eine ungewöhnli­che Situation an Bord gebe, sagte ein Sprecher damals.

Auch die Position der Maschine am Himmel spielt nach Angaben der Luftwaffe eine Rolle bei der Frage, ob die Abfangjäge­r zum Einsatz kommen – etwa, wenn das Flugzeug bis zum Aufsteigen der Jets den deutschen Luftraum wohl ohnehin schon verlassen hätte.

Bei den jüngsten Fällen war die Sorge jedoch unbegründe­t – in Stuttgart etwa steckte das kaputte Funkgerät dahinter. Der Ernstfall ist tatsächlic­h selten: Nach Zahlen des Verteidigu­ngsministe­riums von Ende 2016 stiegen Eurofighte­r in den vergangene­n fünf Jahren sechsmal wegen Terrorverd­achts auf. In allen Fällen hatte es Entwarnung gegeben.

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FOTO: DPA Die etwas andere Nacht: Passagiere der Korean-Air-Maschine werden im Flughafen Stuttgart zu vorbereite­ten Feldbetten geführt.

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