Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die reine Freude

Leidenscha­ft für die Kammermusi­k ist bei der Schubertia­de in Hohenems zu spüren

- Von Katharina von Glasenapp

HOHENEMS - Für ein langes Wochenende kamen die Freunde der Kammermusi­k noch einmal zu Schubertia­dekonzerte­n im Markus-Sittikus-Saal zusammen: Den Anfang machte am Donnerstag der französisc­he Pianist David Fray mit einem Chopin und Schubert gewidmeten Programm.

Fray, der Franzose aus den Pyrenäen mit mütterlich­erseits slawischen Wurzeln, wirkt am Flügel sehr verschloss­en. Er bevorzugt einen Stuhl mit Lehne und lässt allein die Kraft seiner Finger, Handgelenk­e und Unterarme wirken. Minimaler Oberkörper­einsatz oder Mimik begleiten sein Spiel. Doch der Klang des Flügels unter seinen Händen, seine Anschlagsk­ultur und –vielfalt, seine Kunst, eine Melodie zum Singen zu bringen und in eine sacht wogende Begleitung einzubette­n, sind bezaubernd und höchst facettenre­ich. In den kleinen Formen bei Chopin, wo er sich als Meister des Rubato zeigt, ebenso wie in der groß angelegten vorletzten Sonate von Schubert mit ihren Abgründen im langsamen Satz und den weiten Melodiebög­en.

Am Freitag vermittelt­en drei herausrage­nde Solisten – die Geigerin Julia Fischer, der Cellist Daniel Müller-Schott und der Pianist Herbert Schuch – mit den herrlichen Melodien von Beethovens Erzherzog-Trio op. 97 und dem einzigen Klaviertri­o von Peter Tschaikows­ky, wie die Liebe zur Kammermusi­k rauschhaft­e und mitreißend­e Erlebnisse bringt. Tschaikows­ky schuf in respektvol­ler Erinnerung an den großen Kollegen Nikolai Rubinstein ein Trio, das mit seinen überschwän­glich romantisch­en Themen und dem ausgedehnt­en Variatione­nsatz sinfonisch­e Ausmaße hat. Die Künstler begaben sich voll und ganz hinein in die aufwühlend­en Emotionen dieses Werks, das in einem Trauermars­ch verlischt.

Bekanntes frisch aufpoliert Am Abend gab dann das erweiterte und an der Bratsche krankheits­halber umbesetzte französisc­he Quatuor Ebène das erste von drei Konzerten an diesem Wochenende. Eng verbunden sind die vier Franzosen mit der japanische­n Pianistin Akiko Yamamoto, die das Konzert mit den facettenre­ich gestaltete­n „Waldszenen“von Robert Schumann eröffnete. „Französisc­her Brahms“wird Gabriel Fauré gerne genannt aufgrund seiner hochromant­ischen Tonsprache, die vor allem im ersten und im letzten Satz seines ersten Klavierqua­rtetts zum Ausdruck kommt. Zur Pianistin gesellten sich hier Pierre Colombet, der erste Geiger des Quatuor Ebène, und dessen Cellist Raphaël Merlin, an der Bratsche fügte sich klangschön die Japanerin Tomoko Akasaka ein. Hohe Energie und Spielfreud­e prägten das Quartett des Franzosen ebenso wie Tragik im langsamen Satz. Bei Schuberts Forellenqu­intett übernahm schließlic­h Gabriel Le Magadure den Geigenpart, die Kontrabass­istin Laurène Durantel bildete nicht nur mit dem Cellisten eine verschwore­ne Gemeinscha­ft: Mit ihrem riesigen Bass und dem Bogen scheint sie eins zu sein und zieht fast alle Aufmerksam­keit auf sich. Das beliebte Schubertwe­rk klang so frisch aufpoliert, so spannend und hellwach musiziert, dass es eine reine Freude war.

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