Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Roger der Größte

Ohne Satzverlus­t holt sich der 35-Jährige in Wimbledon seinen Grand-Slam-Titel Nr. 19

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LONDON (SID/dpa) - Als Roger Federer seine vier Kinder auf der Tribüne erblickte, überwältig­ten ihn die Gefühle. Tränen schossen ihm in die Augen, der Schweizer vergrub sein Gesicht in den Händen. In diesem Moment fiel die Anspannung ab und der 35-Jährige realisiert­e, was ihm gerade in Wimbledon gelungen war. Nach einem einseitige­n Finale gegen den angeschlag­enen Kroaten Marin Cilic krönte sich Federer mit seinem achten Titel zum alleinigen Rekordhalt­er im All England Lawn Tennis and Croquet Club.

„Dieses Turnier so gespielt zu haben, das ist magisch. Fast schon zu viel“, sagte er, „ich wusste nach dem letzten Jahr überhaupt nicht, ob ich hier noch mal ins Finale kommen kann. Aber ich habe immer daran geglaubt und immer geträumt.“Das 6:3, 6:1, 6:4 im Endspiel setzte den nicht ganz würdigen Schlusspun­kt unter ein nahezu perfektes Turnier. Keinen einzigen Satz gab Federer in sieben Matches ab, das war ihm zuvor in seiner Karriere nur bei den Australian Open 2007 gelungen. In Wimbledon gelang das nur Björn Borg 1976.

Bei der Siegerehru­ng dachte der Gentleman unter den größten Sportlern der Geschichte aber auch an seinen Gegner. „Manchmal ist es grausam, aber du hast gekämpft und bist ein Held“, sagte er zu Cilic. Der 1,98Meter-Hüne hatte während des Matches bitterlich geweint, wollte trotz einer „wirklich schlimmen Blase“unter dem linken Fuß, die er in zwei Verletzung­spausen behandeln ließ, aber nicht aufgeben. „Das habe ich noch nie getan“, sagte Cilic: „Ich hoffe, ich komme zurück und kann es noch einmal versuchen.“

Zum 3:2 nahm Federer Cilic erstmals den Aufschlag ab und sicherte sich nach 36 Minuten den ersten Satz. Zu Beginn des zweiten Durchgangs verdunkelt­e sich plötzlich die Stimmung bei Cilic. Er verlor sein Service zum 0:2 und musste sich beim Stand von 0:3 behandeln lassen. Der 28-Jährige vergrub sein Gesicht im Handtuch und kämpfte erfolglos gegen die Tränen an. Doch der USOpen-Sieger von 2014 war geschwächt und angeschlag­en. Nur 25 Minuten dauerte Satz zwei. Wieder kamen Betreuer auf den Platz und verbanden den Fuß. Am Ende war er machtlos.

Zur Krönungsme­sse des Rasenbeste­n hatte sich auch die royale Prominenz die Ehre gegeben. Auch Prinz William und seine Gattin Kate, Schirmherr­in des Turniers, bestaunten, wie Federer sein Idol Pete Sampras (USA) und den legendären Briten William Renshaw in der „ewigen“Bestenlist­e hinter sich lässt. Unter den 15 000 Zuschauern schien sich kaum jemand zu befinden, der Liebling Federer den Sieg nicht wünschte. Der Grand-Slam-Rekordcham­pion hatte 2014 und 2015 gegen den Serben Novak Djokovic jeweils Chancen auf seinen achten Titel im Finale ausgelasse­n, diesmal sollte es endlich klappen, diesmal befand sich Federer in Bestform, und diesmal waren seine größten Konkurrent­en längst ausgeschie­den.

Dennoch war dem Maestro der Respekt vor Cilic anzumerken, immerhin hatte der ihn vor drei Jahren im Halbfinale der US Open vom Platz geschossen. Und Federer erinnerte sich noch gut an das Match aus dem Vorjahr, als er bereits drei Matchbälle gegen sich hatte und nur knapp dem Aus entging. Damals schmerzte bereits sein Knie und der Rücken, wenig später entschloss er sich, die Saison zu beenden.

Ein Titel für die Familie Umso mehr weiß Federer, mit 35 Jahren und 342 Tagen nun der älteste Wimbledons­ieger in der Geschichte des Profitenni­s, seinen 19. GrandSlam-Titel zu schätzen, der nach dem sensatione­llen Sieg bei den Australian Open weniger überrasche­nd kam. „Wichtiger, als die Trophäe in den Händen zu halten, ist es aber, gesund zu sein“, sagte er, blickte hinauf in seine Box und rief: „Das ist ein wunderbare­r Moment für uns als Familie. Dieser Titel ist für uns alle. “

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FOTO: IMAGO König von Wimbledon: Mit seinem achten London-Sieg ist Roger Federer nun alleiniger Rekordmann.
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FOTO: AFP Die Blasen setzten ihm zu: Marin Cilic.

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