Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wie Apps soziale Probleme lösen
Studenten der PH Weingarten entwickeln Geschäftsideen, die das Leben erleichtern
WEINGARTEN - Apps sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Die meisten Menschen nutzen sie, die wenigsten programmieren sie selbst. Anders die Studenten der Pädagogischen Hochschule Weingarten (PH), die für das Projekt „Social Entrepreneurship“(soziales Unternehmertum) eigene Geschäftsideen entwickelt haben.
Thematisch sollten sich die Ideen mit sozialen Problemen im Landkreis Ravensburg auseinandersetzen, weshalb Landrat Harald Sievers bei der Präsentation auch die Moderation übernahm. Entwickelt wurde die App im Seminar von Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Wiepcke. Sievers lobte besonders die Realitätsnähe der Ideen, die tatsächliche Probleme in der Gesellschaft aufgreifen und umsetzbare Lösungen finden würden.
Besonders beliebt war die App „Easy Way“. Sie bietet Menschen mit Gehbehinderung, Senioren oder Leuten mit Kinderwagen die Möglichkeit, eine barrierefreie Strecke auszusuchen. Bei einem Test fanden die Studenten heraus, dass ein barrierefreier Weg von der Innenstadt zur PH etwa dreimal so weit ist wie der übliche Weg und wesentlich länger dauert.
Die App ist einfach zu bedienen, es lassen sich oft besuchte Ziele aussuchen, Steigung und Anzahl der Stufen werden angezeigt. Wenn man eine Strecke benutzt hat, kann man einen Kommentar zur Qualität und Machbarkeit abgeben. Dazu werden Behindertenparkplätze mit den jeweiligen Stoßzeiten angezeigt. Und wer in den Urlaub fährt, kann sich die Kartenabschnitte auch herunterladen und ohne Netz-Verbindung darauf zugreifen.
App für Alleinerziehende Die App „Care-oo“soll Alleinerziehende und Erzieher zusammenbringen. Sie ist darauf ausgelegt, Alleinerziehenden, die außerhalb der Öffnungszeiten von Kitas arbeiten, eine Möglichkeit der Kinderbetreuung zu bieten. Die Erzieher können sich ihre Arbeitszeiten flexibler einteilen oder etwa Kinder zu sich holen und dabei auch auf die eigenen aufpassen. Dabei könnten sich die Studentinnen vorstellen, dass etwa die Hälfte des Lohns vom Jugendamt gezahlt wird, um so die Alleinerziehenden zu entlasten und den Erziehern einen fairen Lohn zu sichern.
Unterstützung im Unterricht Bei dem Projekt wurden aber nicht nur Apps programmiert. Die praktische Konstruktion von „Durchblick“soll Kindern mit Sehbehinderung die Teilnahme am Regelunterricht erleichtern oder ermöglichen. Dabei wird im Werkunterricht ein leichter Holzkoffer gebaut. In diesem werden die Kamera, die die Tafel filmt, sowie das Tablet, auf das das vergrößerte Bild übertragen wird, aufbewahrt. Zusätzlich kann der Koffer als Tischaufsatz verwendet werden, und er ist flexibel zu transportieren. Landrat Sievers lobt hier besonders, dass der Koffer in der Schule selbst hergestellt werden kann. „Evergreen“greifen mit ihrem Unverpackt-Laden nicht nur einen Trend auf, sondern auch das Thema Umweltschutz. In dem fiktiven Laden würden Lebensmittel ohne Plastikverpackung verkauft werden. Beispiele dafür gibt es schon in größeren Städten wie etwa Berlin. Neu ist ein Pfandsystem, das sich die Studentinnen ausgedacht haben. Selbst wenn man spontan einkaufen geht und keine Box dabeihat, kann man diese im Laden leihen und beim nächsten Mal wieder zurückbringen. Lebensmittel würden die Studentinnen in Bio-Qualität bei hiesigen Landwirten einkaufen und ihren Laden damit bestücken.
Allen die gleiche Chance auf eine ausgeschriebene Stelle geben möchte „Second Business“. Die Studentinnen möchten einen Second-Hand-Laden für Bürokleidung eröffnen. Dort können Menschen mit eingeschränkten finanziellen Mitteln Kleidung für ein Bewerbungsgespräch besorgen. Aus den Erlösen sollen zwei Studenten bezahlt werden, die Bewerbungstraining geben und bei der Erstellung einer Bewerbungsmappe helfen. Hobbyfotografen sollen für die entsprechenden Fotos sorgen. Auch eine Kooperation mit auszubildenden Friseuren können sie sich vorstellen.
Gegen die Altersarmut „Help to help“haben es sich zum Ziel gesetzt, die Altersarmut zu bekämpfen. Mit einer Art Jobbörse möchten sie Senioren an junge Menschen vermitteln, die kleine Dienstleistungen brauchen, sich aber vielleicht keine Fachkraft leisten können. Eine naheliegende und zeitgemäße Lösung, bescheinigt Harald Sievers.
Die Studenten von „Support people 2 find property“möchten voll auf die Bedürfnisse derjenigen Mieter eingehen, die bei der Wohnungssuche sonst vielleicht benachteiligt werden. Dabei vermitteln sie Mieter an Vermieter. Das System basiert auf Vertrauen, geben sie zu. Und auch Sievers sieht hier die Realitätsnähe ein wenig außer Acht gelassen.