Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Berufsschulen auf dem Prüfstand
Diskussion in Leutkirch mit Kultusministerin über die Zukunft der Bildungseinrichtungen
LEUTKIRCH - Kleine Klassen, unbesetzte Ausbildungsstellen und der Trend zum Studium. Themen, die neben den betroffenen Unternehmen und beruflichen Schulen auch die Politik beschäftigen. Bei einem Bildungsdialog in der GeschwisterScholl-Schule Leutkirch haben am Montag Vertreter aus Wirtschaft und Politik mit Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) über die Zukunft der Dualen Ausbildung und der beruflichen Schulen diskutiert. Dabei wurde deutlich: Das derzeitige Ausbildungsangebot der beruflichen Schulen im Landkreis wird auf lange Sicht nicht zu halten sein.
Debatte im Kreistag über regionale Schulentwicklung Die Diskussion ist nicht neu. Im Mai debattierte der Kreistag darüber, ob der Ausbildungsgang der Agrarwirtschaft von Leutkirch an den Standort Ravensburg abwandern und dort konzentriert werden soll. Im Gegenzug soll die Fachstufe für Kfz-Mechatroniker in Wangen abgeschafft, und in Leutkirch ausgebaut werden. Noch ist das Zukunftsmusik, denn einigen konnte sich der Kreistag im Mai noch nicht. Die endgültige Entscheidung soll im Herbst fallen. Eine Galgenfrist für die beiden Standorte.
Solche Pläne sind Teil der sogenannten regionalen Schulentwicklung. Denn in Zeiten von sinkenden Schülerzahlen in den Berufsschulen, muss laut den Verantwortlichen aus der Politik über die zukünftige Verteilung von Ressourcen nachgedacht werden. Das wurde auch auf dem Podium beim Bildungsdialog diskutiert. „Es geht beim Land um die Ressource Lehrer und bei uns geht es um die Ressource Investitionen. Bei uns steht eine große Modernisierungswelle an“, sagte Franz Baur, Dezernent für Schulen im Landkreis Ravensburg. „Alles werden wir auf der Fläche so nicht anbieten können. Einen Tod müssen wir sterben.“Das müsse langfristig dazu führen, dass regionale Kompetenzzentren jeweils im westlichen Teil des Landkreises und im württembergischen Allgäu entstehen müssten und diese auf die bestehenden Schulstandorte aufgeteilt werden. Soll heißen: Alle Standorte bleiben bestehen, aber nicht mehr unbedingt mit dem vollen Fachstufenangebot.
„Für mich ist eine betriebsnahe Beschulung ein wesentlicher Erfolgsfaktor, sowohl für die jungen Menschen als auch den Betrieb“, antwortete Peter Jany, Hauptgeschäftsführer der IHK BodenseeOberschwaben.
Außerdem gebe es viele intelligente Ansätze, die keine Schließung eines Standortes zur Folge haben. Als Beispiel schlug Jany Systeme vor, bei denen nicht jeder Standort in jedem Jahr jeden Ausbildungsgang anbietet.
Susanne Eisenmann sprach sich für die Bündelung von Schulstandorten aus: „Kleine Einheiten sind nicht immer gut“, sagte Eisenmann. Der Staat müsse, wie ein Wirtschaftsunternehmen auch, überlegen, wie er seine Ressourcen sinnvoll einsetzt. „Wir werden nicht alle Angebote an allen Standorten aufrechterhalten können. Attraktivität ist für mich nicht eine Frage von Ortsnähe, sondern eine Frage der Qualität. Wie modern ist die Ausbildung? Wie gut ist die technische Ausstattung?“
Wenn Kompetenzen gebündelt werden und damit sowohl der Standort als auch der jeweilige Ausbildungsberuf zukunftsfähig sind, sei zum einen die Bereitschaft für Kommunen und Kreise für Investitionen größer und zum anderen das Kultusministerium bereit, Flexibilität bei der Mindestschülerzahl pro Klasse zu zeigen. „Die Zahl 16 ist nicht in Stein gemeißelt“, sagte Eisenmann. Sie machte allerdings klar, dass das nur unter strengen Voraussetzungen gelte. „Ich glaube nicht, dass wir eine attraktive Ausbildung mit vier Auszubildenden in einer Klasse hinbekommen“, so Eisenmann. Die Zielsetzung sei aber, dass kein Schulstandort als Verlierer dastehe.
„Kompetenzzentrum klingt für mich gut“, so Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm. „Jedem muss klar sein, dass man nicht für vier Schüler ein Unterrichtssystem aufrechterhalten kann.“Man müsse nur darauf aufpassen, dass unter der Überschrift Kompetenzzentrum nicht allein Ressourcensteuerung betrieben werde. „Ich bin dafür, zu überlegen, ob man nicht an anderer Stelle Ressourcen aktivieren könnte“, sagte Mehlich und wies auf die deutlich höheren Ausgaben für die Ausbildung an Universitäten hin.
Über die Frage nach der Bündelung des Ausbildungsangebots der beruflichen Schulen hinaus diskutierte das Podium auch über die Ursachen der sinkenden Zahlen von Auszubildenden in manchen Berufen. Dabei spielte der Trend zu Abitur und Studium eine Rolle, aber auch Bezahlung und Wertschätzung. Eisenmann kündigte an, 2018 die Schulen zu einem Tag der beruflichen Orientierung zu verpflichten und ein Mentoringprogramm anzubieten. Dabei sollen Auszubildende bei Schülern für ihren Beruf werben.