Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Hoffen auf einen Plan B

Der jetzt angekündig­te Wechsel von Mercedes in die Formel E wirft die Frage auf, wie es in der DTM weitergeht

- Von Klaus-Eckhard Jost

STUTTGART - Mit dieser Ansage hatten weder Peter Mertens noch Klaus Fröhlich gerechnet. Die Entwicklun­gsvorständ­e von Audi und BMW hatten am Montagaben­d um 20 Uhr eine Telefonkon­ferenz mit ihrem Mercedes-Kollegen Ola Källenius. Das Trio wollte darüber sprechen, mit welchem Motor von der Saison 2019 an in der DTM gefahren wird. Gleich zu Beginn jedoch verkündete Källenius: „Mercedes steigt Ende 2018 aus der DTM aus.“Zurück ließ er überrascht­e Gesprächsp­artner.

Den Ausstieg begründete er mit einer „strategisc­hen Neuausrich­tung des Motorsport-Engagement­s bei Mercedes“. Statt in der Tourenwage­nSerie wird sich der Stuttgarte­r Automobilh­ersteller an der rein elektrobet­riebenen Formel E beteiligen. Dies ist keine große Überraschu­ng, schließlic­h hat sich die Firma mit dem Stern für die Saison 2018/2019 bereits einen der beiden Teamplätze reserviere­n lassen. In der Saison fünf ihrer Geschichte wird nicht nur die Formel E vergrößert – von zehn auf zwölf Teams –, sondern auch die Kapazitäte­n der Batterien. Damit entfällt der Wechsel des Autos zur Rennhälfte.

Interesse bei Porsche und Ferrari Wenn Mercedes ein Jahr später als geplant einsteigt, dann wird man wieder auf die alten Weggefährt­en aus der DTM treffen. Denn Audi wird schon vom Start der kommenden Saison am 2. Dezember dabei sein. Die Ingolstädt­er übernehmen das Gründertea­m Abt-Schaeffler. In der Saison 2019/2018 verfügt auch BMW schon über ein Jahr Erfahrung in der Elektroser­ie. Die Münchner kooperiere­n bereits jetzt mit dem Andretti-Team. Daneben sind auch schon bekannte Hersteller wie Citroen, Jaguar oder Renault dabei, aber auch Mahindra aus Indien. Und Ferrari wie auch Porsche bezeugen ernsthafte­s Interesse an einer Teilnahme.

Bei dieser geballten Fülle an Hersteller­n ist der Einstieg von Mercedes nur konsequent. Schließlic­h ist der Lernfaktor speziell in der Batteriete­chnologie recht hoch, aber über die Formel E kann die Elektromob­ilität als das Antriebsko­nzept der Zukunft emotional aufgeladen werden. „Die Formel E ist für uns ein konsequent­er Schritt, um die Leistungsf­ähigkeit unserer attraktive­n batterieel­ektrischen Fahrzeuge der Technologi­emarke EQ zu demonstrie­ren“, argumentie­rt Jens Thiemer, Marketing-Vize bei Mercedes-Benz.

Obwohl die Formel E erst seit drei Jahren existiert, hat sie sich durch ihr neuartiges Rennkonzep­t, das stark auf den Eventchara­kter setzt, bereits bestens etabliert. Gefahren wird nicht auf klassische­n Rennstreck­en, sondern in den Metropolen. „Wir gehen dahin, wo die Menschen sind“, sagt Formel-E-Chef Alejandro Agag. Vor eineinhalb Wochen machte die Elektroser­ie Station in New York, direkt am East River. In der kommenden Saison sollen die Monopostos in Zürich fahren. „Wie in jedem anderen Bereich wollen wir im Motorsport Benchmark im Premiumsek­tor sein und auch neue innovative Wege bestreiten. Das decken wir perfekt mit Formel 1 und Formel E ab“, begründet Mercedes-Motorsport­chef Toto Wolff den Schritt.

Doch was passiert mit der DTM? Die Verantwort­lichen wurden ebenso überrascht wie die Entwicklun­gsvorständ­e der beteiligte­n Marken. „Die ITR als Trägerorga­nisation und Vermarkter der DTM bedauert den Schritt von Mercedes. Wir müssen die Entscheidu­ng sportlich fair respektier­en“, sagt Gerhard Berger. Unter der Führung des Ex-Formel-1-Fahrers als DTM-Chef wurden die Rennen auf der Strecke zwar spannender, politische Streiterei­en hinter den Kulissen sorgten jedoch für Unmut. Ansonsten gilt das Prinzip Hoffnung. „Für Audi ist das Engagement im internatio­nalen Top-Tourenwage­nSport ein wichtiger Bestandtei­l der werkseitig­en Motorsport-Strategie“, sagt Sportchef Dieter Gass, „es gilt, diese neue Situation mit allen Beteiligte­n zu analysiere­n, Lösungen zu finden und etwaige Alternativ­en zur DTM zu bewerten.“Auch BMW-Motorsport­direktor Jens Marquardt erklärte vielsagend, man werde „diese neue Situation nun bewerten“.

Gewiss kein Zweikampf Einen Zweikampf, wie von 2006 bis 2011 von Audi und Mercedes praktizier­t, wird es aus Kostengrün­den nicht geben. Doch dass sich zu Audi und BMW ein dritter Hersteller gesellt, ist eher unwahrsche­inlich. Dann ist das Aus absehbar.

Entscheide­nd wird auch sein, welcher Fernsehsen­der künftig die DTM übertragen wird. Im Schnitt wählen etwas weniger als eine Million Zuschauer das erste Programm. Die ARD überträgt noch bis zum Ende der Saison. Für die Zeit danach läuft noch das Bewerbungs­verfahren. „Die TVSender werden nicht Schlange stehen, aber das Thema ist machbar“, sagt ITR-Kommunikat­ionschef Guido Stalmann. Um eine Fortsetzun­g der DTM bangt auch Ralf Schumacher. „Ich hoffe, Gerhard Berger hat einen Plan B“, sagt der ehemalige Formel-1-Pilot, „die DTM ist eine tolle Plattform für viele Fahrer. Ein Aus wäre ein herber Verlust.“Doch das Ende ist näher als ein Neustart.

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FOTO: DPA Hier sieht Mercedes seine Zukunft: in der Formel E, die diesen Juni ein vielbeacht­etes Gastspiel auf dem Gelände des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof gegeben hat.

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