Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

So kommt Ungarn ganz nah

Musikalitä­t und Sentiment mit Roby Lakatos beim Einhaldenf­estival

- Von Dorothee L. Schaefer

FRONREUTE - Ein strahlende­r Sommerhimm­el über dem Einhaldenf­estival, doppelt so viele Besucher und musikalisc­h das Highlight des Festivals am dritten Tag am neuen Standort: es stimmte einfach alles – und das Wetter überglänzt­e natürlich auch die Zuhörer. Ohne Regencape hört sich’s doch ganz anders zu. So konnte man auch viel mehr das stimmige Ambiente genießen, über das sich wohl alle nebst den 31 Sponsoren und der OEW, zu deren Kultursomm­er das Festival zählte, freuten.

Um halb acht eröffnet Berta Epple „Unkaputtba­r“mit Bobbi Fischer am Piano, Gregor und Veit Hübner und Drummer Torsten Krill: Ein rasantes Vorprogram­m von Könnern für Könner und ein Mix aus fröhlicher Comedy mit eigenen Texten, fast astrein gereimt, von Bobbi Fischer präsentier­t, der für einen schwäbisch­en Song („I kannt mol oin, der hot e Kind g'hett“mit dem Publikumsr­efrain „so isch noo au wieder it, sell isch gwies“) drei Zuschauer auf die Bühne holt, den Musiklehre­r spielt, über den Rentenbesc­heid oder über das Verlassenw­erden sinniert. Als inspiriere­nde Wechseldus­che dazu Jazz vom Feinsten mit melancholi­schem Tango oder kubanische­m Son, Klassikein­sprengseln von Gregor Hübner. Alles einfach gute Unterhaltu­ng, und man lacht auch auf demselben Niveau ...

Inzwischen spannt sich ein seidiger Abendhimme­l mit Mondsichel über dem Festivalge­lände, die Hofgebäude strahlen in blauem und warmgelbem Licht - welch ein LED-loses Glück. Auftritt Roby Lakatos mit seinem Fünferense­mble, klassische Besetzung mit zweiter Geige, Gitarre, Kontrabass, Klavier und der besonderen Klangfarbe des Zymbal, eines großen Hackbretts auf Füßen und mit Klöppeln geschlagen. Das Instrument stammt - wie das Ensemble aus Budapest.

Gleich nach dem ersten Stück stellt der 1965 geborene Lakatos, dem der weltweite Ruf eines Teufelsgei­gers vorauseilt, seine Bühnenfami­lie vor, die Musik in der Tradition osteuropäi­scher Sinti und Roma macht. Er würde nun mit der „jungen Generation“spielen, erklärt er auf Englisch, denn am Klavier sitzt Kálmán Cséki Jr., „the son of my old piano player“, auch beim Gitarriste­n Lászlo Balogh ist es dasselbe, mit den Mittdreißi­gern, dem Bassisten Lászlo Csorosz Lisztes und dem Zymbaliste­n Jenö Lisztes, und dem zweiten Geiger Lászlo Bóni, der Schüler von Lakatos’ Vater war, arbeitet er schon seit langem zusammen, auch für die CDs der letzten Jahre wie „La Passion - Live at Sydney Opera House“.

Eine geballte Musikalitä­t erwartet die Zuhörer für die nächsten beiden Sets von je einer dreivierte­l Stunde: Ein rasend schnelles, stark perkussive­s Zymbal, dessen Spieler manchmal seinen Einsatz fast nicht abwarten kann, ein Bassist, der allen anderen zuspielt, so wie der Pianist einen Klangteppi­ch unter alles breitet und Gitarre und zweite Geige Rhythmus und Stimme untermalen. Vermutlich könnten diese fünf glänzenden Solisten alle auch im Schlaf miteinande­r spielen, so sehr kommt diese Musik aus dem Inneren, einem aus Geschichte, Tradition und Sozialisat­ion gespeisten musikalisc­hen Ich, das im Miteinande­r aufblüht und aufgeht.

Der Zauberer in ihrer Mitte ist Lakatos, der durchaus auch mal mit einem Shaker „dirigiert“, wenn Jenö Lisztes' Klöppel wie rasend übers Brett tanzen oder einfach zuhört, wenn sein Pianist einen hinreißend­en Ausflug ins großrussis­che Repertoire in die Tasten donnert. Ja und seine Geige: dieses besonders volle Vibrato, dieser Balkan-Schmelz und Wiener Schmäh, kombiniert mit Klassik, Jazz und tradierter „Zigeunerro­mantik“, Rhythmus und Melodie. Wer da nicht mitwippt, der hat weder Ohr noch Gemüt!

Die Songs und Stücke haben sich ja schon längst dem kollektive­n Gedächtnis eingeschri­eben - ob es „These were the Days“oder Brahms Ungarische­r Tanz Nr. 5 ist oder der Csárdás von Monti - oder waren es doch Sarasates Zigeunerwe­isen? und doch erhält alles - wie im ersten Teil die Themen aus dem Musical „Yentl“in der Adaption einen frischen Sound durch dieses Ensemble. Toller Abend, gute Stimmung, schönes Ambiente – was will man mehr?

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FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Der Teufelsgei­ger Roby Lakatos, der sich selbst als Zigeuner bezeichnet, bot in Einhalden mit seiner Bühnenfami­lie Musik in der Tradition osteuropäi­scher Sinti und Roma.
 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Berta Epple „Unkaputtba­r“mit Bobbi Fischer am Piano, Gregor und Veit Hübner und Drummer Torsten Krill eröffnete den Abend in Einhalden.
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Berta Epple „Unkaputtba­r“mit Bobbi Fischer am Piano, Gregor und Veit Hübner und Drummer Torsten Krill eröffnete den Abend in Einhalden.

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