Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Morgen Freibier!
„Morgen Freibier!“stand zu lesen auf dem Schild an der Türe zum „Deutschen Reich“in Fildenmoos, einst legendäre Gastwirtschaft mit Garten unter alten Apfelbäumen und einem lebendigen Stammtisch. Dort trafen sich mittwochs, freitags und sonntags Handwerker, Bauern, Pensionäre und normale Bürger zum Austausch neuester Nachrichten aus ganz Oberschwaben sowie zur politischen Beurteilung der Getreide- und Obstpreise, der Lage der Nation, insbesondere der Landwirtschaft und Schnapsbrennerei. Manch einer las das Schild mehrmals, ohne dass seine diesbezüglichen Hoffnungen in Erfüllung gegangen wären.
Am Stammtisch im „ Gasthof Engel“am Marienplatz saß einst auch ein sehr unterschiedliches Publikum. Da gab’s den „Kopfschlächter“, den Lehrer, Kaufmann und Bankangestellten wie auch jenen Jäger, der dem Vernehmen nach Jahre lang fast alle Ravensburger Gastronomen mit Rehbraten versorgt haben soll. Mit am Tisch saß auch der Kriminalkommissar. Er trug einen Regenmantel auch an Tagen, an denen es nicht regnete, hörte genau zu und schmunzelte dann und wann, wenn der eine oder andere Gast nach dem zweiten Viertele Geständnisse von sich gab.
Hochkarätige Haupt-und Nebenstammtische tagten im „Obertor“, bis spät in die Nacht hinein, und auch im „Mohren“, „Storchen“, im „ Muke“und überhaupt in jeder Gastwirtschaft, die etwas auf sich hielt, existierten Stammtische. Mancher gehörte mehreren dieser erlesenen Kreise an und konnte sich so den Luxus der freien Wahl leisten. Heutzutage sind Stammtische selten geworden, aber meiner ist immer noch der beste! ANZEIGE