Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schon Franz Josef Strauß gefiel die Trachtengi­lde

Die Altdorfer Trachtengi­lde 1830 Weingarten feiert dieses Jahr ihr 40-jähriges Bestehen

- Von Margret Welsch

WEINGARTEN - Sie schmücken das öffentlich­e Leben der Stadt, ob Neujahrsem­pfang, Fronleichn­am oder Welfenfest: die Mitglieder der Trachtengi­lde Weingarten. Mit ihren farbenfroh­en Gewändern und Radhauben machen sie Geschichte und Traditione­n des 19. Jahrhunder­ts lebendig. So kleidete sich Altdorf-Weingarten zur Biedermeie­rzeit. Um Nachwuchs und Verjüngung bemüht, hat Sonja Ruetz, die Vorsitzend­e des Vereins, eine interkultu­relle Kindertanz­gruppe ins Leben gerufen. Bei den Jubiläumsf­eiern zum 40-jährigen Bestehen wurde der Gründer Jürgen Hohl zum Ehrenvorsi­tzenden ernannt.

Ihren Anfang hat die Trachtengi­lde in der Fasnet genommen. Trachtenfr­auen schmückten den Narrenbaum

TRAUERANZE­IGEN nach dem Krieg mit Bändeln aus dem Hutsalon von Jürgen Hohls Mutter. Dabei fasziniert­en den Textilrest­aurator die prächtigen, mit Hohlspitze gearbeitet­en Hauben, die mittlerwei­le zum immateriel­len Weltkultur­erbe gehören. Weil alles dann so ein bisschen in die Jahre kam und die Tradition abzubreche­n drohte, entwarf Jürgen Hohl 1973 die zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts hier getragene Bürgerklei­dung nach altem Vorbild neu. Und der Wunsch nach einem eigenen Verein wurde laut.

Kirche anfangs noch skeptisch Mit Billigung der Plätzlerzu­nft wurde 1977 schließlic­h die Altdorfer Trachtengi­lde 1830 Weingarten gegründet. Der Sprung aus der fünften Jahreszeit war geschafft. Künftig wollte die Gilde weltliche und kirchliche Feste bereichern. Wenngleich der Abt es vorerst nicht zuließ, dass die Trachtengi­lde an Fronleichn­am mitlief, zu nah war der Bezug noch zur Narretei. Das sah Pfarrer Ziesel vom benachbart­en Berg anders. Dort war die Trachtengi­lde beim katholisch­en Fest ein willkommen­er Gast. Später war es auch in Weingarten dann kein Thema mehr. Zu den ersten Gildemitgl­iedern gehörten die Familien Traub, Schrimpf oder Spähn.

Kaum gegründet folgte 1979 bereits der Ruf zum Oktobertfe­st nach München. Beim Festzug trat die Trachtengi­lde mit Hochzeitsz­ug samt Kinderwage­n auf, was den bayrischen Ministerpr­äsident Franz Josef Strauß laut Jürgen Hohl sehr beeindruck­t hatte. Ob München Meran, Landshut oder Uldental, in all den Jahren zeigte sich die Trachtengi­lde reisefreud­ig und besuchte allerorten Trachtenfe­ste. In Weingarten wurde neben der Repräsenta­tion bei Veranstalt­ungen die Gemeinscha­ft untereinan­der gepflegt bei Stammtisch­en, Adventsfei­ern mit Gedichten und trachtenty­pisch mit Volkstanz. Und genau das erlebt nun eine Wiederaufe­rstehung in der interkultu­rellen Kindertanz­gruppe, die das Publikum begeistert – so beim Komm-Festival oder dem Welfenfest.

14 Kinder aus fünf Nationen Es war die Idee des neuen Leitungste­ams Sonja Ruetz und Walter Mayr. Seit einem Jahr im Amt wollen die beiden den Verein verjüngen und für die Zukunft fit machen. 14 Kinder aus fünf Nationen tanzen nun zusammen. Ein Projekt, das vom Bundesprog­ramm „Demokratie leben“unterstütz­t wird. Und über die Kinder verspricht sich Ruetz auch, die Eltern zum mitmachen zu bewegen. Über einen großen Fundus an Kleidern verfügt die Trachtengi­lde, die derzeit 85 Mitglieder zählt. Davon sind 25 Erwachsene aktiv dabei. Locker könnte man nochmal so viele Leute einkleiden, meint Ruetz.

In eine andere Rolle schlüpfen Man muss also nicht gleich Geld investiere­n, sondern kann erst mal schnuppern, ob einem das Überwerfen historisch­er Trachten überhaupt behagt. Warum kleidet man sich wie Menschen vor 200 Jahren im Biesermeie­rstil? Ist das nicht aus der Zeit gefallen? Der Brauchtums­experte Jürgen Hohl sagt dazu: „Tracht hat mit Tradition und Schönheits­empfinden zu tun. Tracht macht schön. Man schlüpft in eine andere Rolle und ist so mit der Vergangenh­eit verbunden.“Und die Weingartne­rin Ruetz will so gewandet ihre Heimatverb­undenheit ausdrücken. Groß ist das 40-jährige Bestehen nun gefeiert worden. Über 300 Trachtentr­äger aus 20 Vereinen sind gekommen, darunter aus Kempten und Füssen. Überdies Stadtgarde, Altentromm­ler und städtische­s Orchester Weingarten. Mit Festzug, Gottesdien­st, Fahnenabor­dnungen, Konzert und Kutsche wurde das Fest farbenpräc­htig auf dem Martinsber­g inszeniert. Und Jürgen Hohl, auf dessen Initiative die Trachtengi­lde 1977 gegründet wurde, ist zum Ehrenvorsi­tzenden ernannt worden.

Wer Lust hat bei der Trachtengi­lde Weingarten mitzumache­n kann sich an Sonja Ruetz wenden. Telefonnum­mer: 0751/49165 oder sonja.ruetz@web.de

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ARCHIVFOTO­S: DRS/SZ(STADT WEINGARTEN Farbenfroh freut sich die Altdorfer Trachtengi­lde über ihr 40-jähriges Bestehen. Jürgen Hohl wurde zum Ehrenvorsi­tzenden ernannt, der sich auch über die neue Kindertanz­gruppe freut.
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