Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Normalität im Ausnahmezu­stand

- Von Hendrik Groth

Nach dem erneuten Terror in Europa wäre es an dieser Stelle unredlich, einen Ausweg aufzeigen oder suggeriere­n zu wollen, man wisse, mit welcher Strategie man in Zukunft diese hinterhält­ige Gewalt verhindern könne.

Die vergangene­n Jahre haben überdeutli­ch gezeigt, dass es selten einfache Antworten auf komplexe Fragen gibt. Für jede These gibt es eine Antithese – gerade wenn es um den Kampf gegen den Terror geht. Selbst das bestens überwachte London kann Anschläge nicht verhindern. Und für ein ausgewogen­es Verhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit sind genug Plädoyers gehalten worden. Eigentlich verstößt es gegen journalist­ische Regeln, in einem Text zuzugeben, dass im Prinzip bereits alles gesagt ist. Bedeutet das doch, dass der Artikel obsolet ist. Dennoch geschieht es hier.

Der Anschlag in Barcelona war nicht der erste dieser Art, und er wird auch nicht der letzte gewesen sein. Automatism­en und eine gewisse Routine stellen sich deshalb ein. Es mag zynisch klingen, aber die Wiederholu­ng von Mitgefühl und Reaktionen gehört mittlerwei­le zu den profession­ellen Reflexen. Es fühlt sich fast schon wie Normalität in einem Ausnahmezu­stand an.

Nach einer solch feigen Tat können zum Beispiel die Minuten gezählt werden, bis Politiker, Showstars oder andere Prominente sich in den sozialen Netzwerken zu Wort melden und den Opfern und ihren Angehörige­n ihre Solidaritä­t zusichern. Damit kein Missverstä­ndnis entsteht: Das alles ist angemessen und berechtigt. Empathie mit Menschen auszudrück­en, die Schlimmes durchmache­n, ist eine Selbstvers­tändlichke­it.

Was bleibt in einer solchen Situation für Journalist­en zu tun? Sie müssen berichten. Sie müssen versuchen, Hintergrün­de aufzuzeige­n. Sie müssen Sachverhal­te einordnen. Vermeintli­che oder echte Terrorismu­sexperten, die sich kurz nach den Anschlägen medienwirk­sam zu Wort melden, helfen dabei wenig.

Diese Zeilen mögen kalt wirken, aber es widerstreb­t, das Offensicht­liche zu kommentier­en.

h.groth@schwaebisc­he.de

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany