Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kreissparkasse Ravensburg gewinnt Kunden trotz Filialschließungen
Anlagevermögen wächst, obwohl Sparen kaum noch Zinsen bringt
RAVENSBURG - Es klingt paradox: Obwohl das Geld auf dem Sparkonto so gut wie keine Zinsen mehr bringt, verzeichnet die Kreissparkasse Ravensburg (KSK) ein höheres Kundengeldvermögen als im Vorjahr. Die Einlagen der Kunden sind um 3,5 Prozent auf 4,48 Milliarden Euro gestiegen. Davon sind 1 Milliarde in Wertpapieren angelegt, der Rest auf Sparund Girokonten.
„Warum sparen die Leute so viel, wenn’s doch keine Zinsen gibt?“, fragt KSK-Vorstandsmitglied Manfed Schöner und gibt die Antwort gleich selbst: „Themen wie Altersvorsorge lösen sich ja nicht in Luft auf. Und heute muss man mehr sparen als in Zeiten, in denen der Zins noch mitgearbeitet hat, um sein Sparziel zu erreichen.“Das gelte nicht nur für die Altersvorsorge, sondern auch für das neue Auto oder den nächsten Urlaub.
„Wir erleben jedenfalls keine unsinnigen Dinge derzeit. Die Leute heben nicht ihr Geld ab und legen es unters Kopfkissen, weil sie Negativzinsen fürchten“, ergänzt der KSK-Vorstandsvorsitzender Heinz Pumpmeier. Die meisten Kunden hegten wohl die Hoffnung, dass sich das schlechte Zinsniveau in absehbarer Zeit erhole. Das werde aber, wenn überhaupt, nur sehr langsam geschehen. Pumpmeier glaubt nicht, dass die Europäische Zentralbank ihre Geldpolitik in naher Zukunft ändere. Eine Trendwende wie in den USA sei derzeit nicht absehbar. Negativzinsen bräuchten Privatkunden jedoch nicht zu fürchten. Anders als Unternehmen, die mehr als eine Million Euro bei der KSK auf dem Konto liegen haben. An sie gibt das Geldinstitut den Negativzins von 0,4 Prozent, den es selbst für Gelddepots bei der Zentralbank zahlen muss, weiter. Betroffen seien 90 Firmenkunden – von insgesamt 9000. „Wir zeigen ihnen aber Alternativanlagen auf, um dem Verwahrentgelt zu entgehen“, sagt KSK-Vorstand Norbert Martin. Zum Beispiel Aktienfonds. Davon hätten fast 2000 Firmen Gebrauch gemacht, die sonst ebenfalls zur Kasse gebeten worden wären.
Obwohl die KSK seit Jahresbeginn zehn von 51 Filialen im Kreis Ravensburg geschlossen hat – sechs weitere werden bis 2019 folgen – hat sie 300 Kunden hinzugewonnen. „Die Entscheidung ist mit erstaunlich viel Verständnis aufgenommen worden“, sagt Manfred Schöner. Den meisten Kunden reiche der Geldautomat vor Ort. Wer ein Beratungsgespräch für einen Baukredit oder Ähnliches brauche, sei auch bereit, dafür einmal „fünf Minuten mit dem Auto zu fahren“. Fast überall, wo eine Filiale geschlossen wurde, sei im Gegenzug ein Geldautomat aufgestellt worden, auch an ungewöhnlichen Orten wie dem Dorfladen von Wangen-Primisweiler oder an einer Bushaltestelle in Eglofs. Nur in Arnach (Bad Wurzach) habe sich wegen der geringen Kundenfrequenz nicht einmal mehr das Aufstellen eines Geldautomaten gelohnt.
KSK-Chef Pumpmeier betont, dass wegen der Filialschließungen kein einziger Mitarbeiter entlassen worden sei. Durch natürliche Fluktuation sank die Mitarbeiterzahl im ersten Halbjahr 2017 leicht von 846 auf 837. Wegen Digitalisierung und Automatisierung verliere der Bankenbereich aber seit Jahren Arbeitsplätze. Im Sparkassenverband waren es 20 Prozent innerhalb von 15 Jahren, bei der Kreissparkasse Ravensburg 17 Prozent.
Bewerberzahlen gehen zurück
Gleichzeitig gehe auch die Anzahl an Bewerbern zurück, weil mittlerweile die Hälfte der Abiturienten lieber studieren wolle, viele Realschüler die Hochschulreife machen wollten und insgesamt wegen der demografischen Entwicklung überhaupt weniger Schulabgänger zur Verfügung stehen würden. „Früher hatten wir zehn Bewerber auf einen Ausbildungsplatz, heute sind es noch drei. Aber das ist gut, wenn man betrachtet, dass bundesweit auf 100 Ausbildungsplätze nur noch 87 Bewerber kommen.“
Um Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, lege die KSK deshalb großen Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit großzügigen Arbeitszeitmodellen, die vom Sabbatjahr bis hin zur Umwandlung von Tariferhöhungen in Freizeit reichen. Die Teilzeitquote liegt aktuell bei 37,1 Prozent. WIRTSCHAFT