Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Von Anfang an auf Vollgas programmiert
Die Tuning-Firma AMG, seit 1999 ein Teil von Mercedes, wird 50 – Mit „The Hammer“und der „Roten Sau“gelingt der Durchbruch
AFFALTERBACH (dpa) - Das Kürzel AMG steht seit 50 Jahren für Vollgas. Der Mercedes-Ingenieur Hans Werner Aufrecht hat damals die TuningFirma gegründet. Inzwischen bei Mercedes eingegliedert, wird AMG dennoch mehr und mehr zur eigenen Sportwagenmarke. Mit dem Modell mit dem Spitznamen „The Hammer“war der Durchbruch gelungen. Ein Rückblick.
Legendärer Ruf bei Schnellfahrern
Als Mercedes 1964 den Ausstieg aus dem Motorsport beschließt, bricht für Hans Werner Aufrecht eine Welt zusammen. Denn nichts ist dem Ingenieur lieber und wichtiger als der Bau von Rennmotoren. Statt sich in den Vorstandsbeschluss zu fügen, nimmt er in Stuttgart seinen Hut und gründet mit Erhard Melcher 1967 in Burgstall das „Ingenieurbüro, Konstruktion und Versuch zur Entwicklung von Rennmotoren“, das er nach den Anfangsbuchstaben der beiden Inhaber und seinem Geburtsort Großaspach AMG nennt. Damit kreieren die beiden ein Kürzel, das bei Schnellfahrern bis heute einen Ruf hat wie Donnerhall.
Den erarbeiten sich die beiden schnellen Schwaben erstmals 1971, als sie mit einem – wegen seines auffälligen Lacks und seines stolzen Formats als „Rote Sau“bezeichneten – AMG 300 SEL 6.8 beim 24-StundenRennen in Spa-Francorchamps souverän den Klassensieg erringen und im Gesamtklassement auf Rang zwei fahren. Zwar sind Aufrecht und Melcher mit dieser Limousine auf der Rennstrecke aus dem Stand überraschend erfolgreich. Doch merken die beiden schnell, dass ihrer Arbeit ein breiteres Interesse entgegenschlägt. Sie beschließen deshalb, auch das Tuning für Mercedes-Straßenfahrzeuge anzubieten.
Ihr größtes Pfund dafür ist ein V8 mit bis zu sechs Litern Hubraum und eigenem Zylinderkopf, den sie ab 1986 in die S- und zwei Jahre später auch in die E-Klasse bauen – und damit vollends den Durchbruch schaffen. Denn in Luxuslimousinen und Sportwagen jener Zeit mögen Achtzylinder gang und gäbe sein. Doch einer braven und biederen Baureihe wie dem W 124 hat man so ein Kraftpaket nicht zugetraut, in der Serie ist bereits bei 220 PS Schluss. Der auf sechs Liter aufgebohrte und nur mit Mühe unter die Motorhaube von Limousine und Coupé gequetschte Achtzylinder von AMG indes leistet bis zu 385 PS und kommt auf ein damals schier unvorstellbares maximales Drehmoment von 566 Newtonmetern. Damit erreicht der Wagen in kaum fünf Sekunden Tempo 100. Und die Nadel auf dem nicht ohne Grund bis 340 km/h reichenden Tacho schwingt flüssig bis auf einen Wert knapp unter 300 Sachen. „289 km/h Spitze“machen ihn zum Spitzentrumpf in jedem Autoquartett.
Aufrecht und Melcher färben dabei nicht nur den Kühler schwarz ein. Sie ziehen auch die Frontschürze beinahe bis auf den Asphalt hinab und kleben einen Flügel ans Heck. Und um die imposanten Tiefbettfelgen mit den 265er-Reifen in die hinteren Radhäuser zu bekommen, stellen sie die Kotflügel weit aus. Die Konkurrenz ist chancenlos, die Kunden sind sprachlos, und die US-Medien jubeln den 124er aus der mittlerweile nach Affalterbach umgezogenen Firma zum „Hammer“hoch. Schon damals unbezahlbar und mit Preisen von rund 335000Mark so teuer wie 20 VW Golf, ist der laut Mercedes Classic-Abteilung nur wenige hundert Mal gebaute „Hammer“heute quasi überhaupt nicht mehr zu bekommen. Wird mal einer versteigert, zahlt man dafür Unsummen.
Angebot und Absatz steigen
Für Fans und Sammler ist das schade. Aber Männer wie Tobias Moers, der das 1990 über einen Kooperationsvertrag an Mercedes gebundene und 1999 vollends einverleibte Unternehmen derzeit führt, wird das gleich doppelt freuen. Zum einen, weil es beweist, welcher Aufstieg AMG gelungen ist und welche Anerkennung die Marke mittlerweile hat. Und zum anderen, weil er lieber neue Autos verkauft – und zwar mehr denn je. Das gilt für die Stückzahlen genauso wie für die Modellreihen. Denn von der A- bis zur S-Klasse gibt es mittlerweile bald zwei Dutzend Fahrzeuge mit AMG-Logo und Acht- oder Zwölfzylindermotoren – die sogenannten Performance-Modelle der 43er-Reihen mit ihren V6-Triebwerken und die kompakten 45er noch gar nicht mitgerechnet.