Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Morgen geht der Kaufland-Streit in Wangen weiter
Verhandlung am Verwaltungsgerichtshof in Mannheim steht an – Ein Rück- und Ausblick zum Zwist
WANGEN - Seit fünf Jahren schwelt ein Streit zwischen der Stadt Wangen und der Schwarz-Gruppe, ob der Handelskonzern am Bahndamm einen Kaufland-Markt mit rund mehreren Tausend Quadratmetern Verkaufsfläche bauen darf. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen gab vor gut zweieinhalb Jahren der Stadt recht, die – wie die ansässigen Händler – Kaufkraftabfluss und damit schädliche Auswirkungen des Marktes auf die Altstadt befürchten. Kaufland legt gegen das Urteil Berufung ein. Am Donnerstag um 14 Uhr geht der juristische Zwist deshalb in die nächste Runde. Dann in mündlicher Verhandlung vor dem 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Mannheim.
Begonnen hat die langwierige Auseinandersetzung vor einem halben Jahrzehnt. 2012 war die Stadt überrascht worden, dass sich Kaufland von dem Memminger Bauunternehmen Kutter die Grundstücksrechte für die Brache zwischen Bahngleisen und dem damals in Bau befindlichen Adler-Quartier gesichert hatte. Schnell formierte sich eine breite Front im Gemeinderat gegen die Pläne des Konzerns aus Neckarsulm, der seither dort einen rund mehrere Tausend Quadratmeter großen Markt bauen will. Die Stadtpolitik blieb mit der ablehnenden Haltung bei ihrer seit Jahrzehnten gepflegten Linie, die (Handels-)Strukturen der Altstadt schützen zu wollen.
Erste Instanz gab Stadt recht
Im Kern ging und geht es bei dem Streit um die Frage, ob ein KauflandMarkt der guten Stube Wangens abträglich ist. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen kam im Winter 2015 nach zwei Verhandlungsrunden, davon einem Vorort-Termin in Wangen, zu dieser Einschätzung. Es gab Kaufland zwar in den allermeisten Punkten recht, schloss ausdrücklich aber nicht aus, dass die Ansiedlung eines mit einem breiten Sortiments ausgestatteten Kaufland-Markts schädlich für Altstadt ist – und urteilte deshalb unter dem Strich im Sinne der Stadt.
Dieser Ansicht sind die Verantwortlichen in Wangen auch heute: Christoph Morlok, Geschäftsführer der Leistungsgemeinschaft, in der zahlreiche (Altstadt-)Händler zusammengeschlossen sind, befürchtet Geschäftsaufgaben, sollte sich Kaufland juristisch durchsetzen: „Die Folge wäre vermutlich, dass wir uns in ANZEIGE Brachland begeben“, sagte er am Dienstag.
„Nur noch zum Flanieren“
Denn der geplante Markt liege zu nah an der Altstadt, als dass dessen Bau keine negativen Konsequenzen hätte: „Ich glaube, dass die Leute dann vielleicht noch zum Flanieren in die Altstadt kommen, aber zum Einkaufen nicht mehr“, sagt er und führt die Stadt Isny als Negativbeispiel an. Dort sei es genauso gekommen, seit ein entsprechender Markt einer anderen Kette dort entstanden ist. Ganz abgesehen von dem „absoluten Verkehrschaos“, das Morlok an der B32 mit ihrem immer noch beschrankten Bahnübergang und in der Bahnhofstraße befürchtet.
Auf Folgen auf den bestehenden Einzelhandel dürfte die Stadt bei der Verhandlung am Donnerstag zum vordringlichen Thema machen: „Es geht wohl ausschließlich um die Frage, inwieweit ein Kaufland schädliche Auswirkungen auf die gute Versorgungssituation in der Innenstadt hat“, vermutet Oberbürgermeister Michael Lang. Entsprechend „gut vorbereitet“sieht er die Stadt und ihre juristischen Vertreter.
Erneut habe man erhoben, wie viele Menschen die Fußgängerbrücke über die Argen zwischen dem nach Ansicht der Stadt zum Zentrum zählenden Argen-Center und Altstadt täglich passieren. Das aktuelle Ergebnis: rund 5000. „Daran sieht man, dass die Innenstadt ein stabiler Einkaufsstandort ist, aber auch ein empfindlicher“, so Lang.
Signalwirkung für das Land?
Der Rathauschef rechnet damit, dass die vielfach Inhaber geführten, rund 180 Handelsbetriebe der Altstadt Umsatzeinbußen von rund zehn Prozent hinnehmen müssten, sollte sich Kaufland, das sich mit Antworten auf Anfragen mit Verweis auf laufende juristische Verfahren stets mit öffentlichen Äußerungen bedeckt hielt, am Ende durchsetzen: „Das würden einige wirtschaftlich nicht überleben“, glaubt Lang. „Zumindest ist das Risiko sehr groß.“Die Sorge dabei gilt vor allem den laut Lang rund 50 in der Lebensmittelbranche tätigen Geschäften. Aber auch anderen, wie Christoph Morlok mit Blick auf das große Warensortiment bestehender Kaufland-Märkte erklärt.
Wangens Rathauschef sieht den voraussichtlichen Inhalt des anstehenden Gerichtstermin übrigens nicht nur als Verhandlung über den Wangener Streitfall. Er glaubt, dass ein – wie auch immer geartetes – Urteil landesweite Ausstrahlung haben könnte. Und zwar bei der Frage, für wie wichtig das Gericht mutmaßliche Schäden für bestehenden Einzelhandelsstrukturen in Innenstädten einschätzt. „Ich erhoffe mir ein Signal, dass man Städte darauf hinweist: Seid vorsichtig!“
Wohl keine schnelle Entscheidung
Dass es am Donnerstag bereits zu einer Entscheidung kommt, gilt indes als unwahrscheinlich, wie VGHSprecher Matthias Hettich erklärt. In der Regel erfolge die Bekanntgabe des Urteils später – entweder bei einem Verkündungstermin oder schriftlich.
Möglich ist auch, dass sich – wie die Sigmaringer Richter vor rund zweieinhalb Jahren auch – der für Bauangelegenheiten zuständige 8. Senat vor Ort ein Bild von der Lage des geplanten Marktes und der Wangener Altstadt macht. Sei es, weil das Gericht dies für nötig hält, sei es auf Antrag einer der beiden Parteien. OB Lang hätte grundsätzlich jedenfalls nichts dagegen: „Es ist immer gut, sich die Situation vor Ort anzusehen.“
Es kann also sein, dass sich eine Entscheidung zum Kauflandstreit also weiter hinzieht. Zumal die zweite Instanz vor dem VGH nicht die letzte sein muss. Denn laut Sprecher Hettich kann der Verwaltungsgerichtshof Revision gegen das Urteil vor dem Bundesverwaltungsgericht zulassen. Zumindest aber wäre für die unterlegene Partei eine Nichtzulassungsbeschwerde (gegen die Revision) möglich. Ebenfalls dann vor dem Bundesverwaltungsgericht.