Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Dieselfahr­er als Buhmann

- Von Sabine Lennartz s. lennartz@ schwaebisc­he. de

Der Druck auf Dieselfahr­er steigt, die Umwelthilf­e droht mit einer Klagewelle. Nun wird aber selbst der größte Umweltschü­tzer kaum nachvollzi­ehen können, warum er in Stuttgart, Ravensburg oder Berlin getrost in einem Büro mit bis zu 60 Mikrogramm Stickstoff­dioxid (NO2) sitzen und dabei sogar atmen darf, auf der Straße aber den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm strikt einhalten muss. Aber vielleicht wird noch eine Richtlinie kommen, die das Fensteröff­nen verbietet, damit die Außenluft sauberer bleibt.

Die Diskussion um Dieselfahr­verbote wird tatsächlic­h zunehmend hysterisch geführt. Natürlich müssen die Grenzwerte gesenkt werden, natürlich ist eine saubere Umwelt und eine saubere Luft Anliegen für alle. Deutschlan­d jammert zwar auf hohem Niveau, wenn man die Luft mit der anderer europäisch­er und vor allem außereurop­äischer Großstädte vergleicht – doch das ist auch gut so.

Deutschlan­d hat bereits einiges getan, um Autos sauberer zu machen. Ein Dieselfahr­verbot aber hieße nun wirklich, das Kind mit dem Bade auszuschüt­ten. Wie bitte sollten Landwirtsc­haft, Industrie und Güterverke­hr ad hoc ohne die kräftigen Dieselmoto­ren auskommen? Und wie könnte das bewerkstel­ligt werden, ohne dass der CO2-Wert in die Höhe schnellt, weil der Diesel weniger Verbrauch und damit weniger Emissionen produziert? Und wie will man es einem Dieselfahr­er, der vor Jahren genau aus diesen umweltbewu­ssten Gründen seinen Diesel gekauft hat, jetzt erklären, dass er ihn möglichst schnell verschrott­en soll?

In Deutschlan­d werden manche Debatten zu aufgeregt geführt. Dieselfahr­er ersetzen mittlerwei­le die Raucher in ihrer Buhmann-Funktion. Es ist bestimmt gut, dass es immer weniger Raucher gibt, und vielleicht wird es langfristi­g auch einmal weniger Dieselauto­s und mehr Elektromob­ilität geben. Aber bestimmt nicht von Januar 2018 an und bestimmt nicht durch flächendec­kende Klagen der Umwelthilf­e. Sondern durch eine langfristi­g vorausscha­uende Politik, die Verbrauche­r und Wirtschaft mit ins Boot holt.

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