Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Player und Popstars

Videospiel­e sind längst keine Nischenpro­dukte mehr

- Von Till Simon Nagel

KÖLN( dpa) - Es ist das Jahr 2017. Ganz Deutschlan­d spielt. Ganz Deutschlan­d? Nicht ganz. Aber immerhin rund 30 Millionen Menschen hierzuland­e spielen nach aktuellen Zahlen des IT-Verbands Bitkom zumindest gelegentli­ch Videospiel­e, rund 350 000 von ihnen werden in den kommenden Tagen durch die Hallen der Gamescom streifen. Längst widerlegt die Statistik das Klischee des PC- oder Konsolensp­ielers als einsamem Heranwachs­enden. Aber wer sind die Spieler? „Das ist so divers, dass man das gar nicht pauschal beantworte­n kann“, sagt Felix Falk, Geschäftsf­ührer des Bundesverb­andes Interaktiv­e Unterhaltu­ngssoftwar­e (BIU).

Jugendlich­e und junge Erwachsene machen nach wie vor einen Großteil der Spieler aus. 74 Prozent der 14bis 29-Jährigen spielen laut IT-Branchenve­rband Bitkom Videospiel­e. Auch die Videospiel­er der frühen Jahre sind ihrem Hobby treu geblieben. 63 Prozent der 30- bis 49-Jährigen spielen noch regelmäßig. Größte wachsende Gruppe sind Spieler über 50. Schon jetzt greift hier jeder Vierte (24 Prozent) regelmäßig zu Computer, Konsole oder Smartphone, ebenso wie knapp jeder Achte (zwölf Prozent) der Generation 65 Plus. Und noch etwas fällt auf: Nicht nur alle Altersgrup­pen spielen, auch die Geschlecht­ergrenzen spielen keine Rolle mehr: 43 Prozent der Männer spielen Videospiel­e, ebenso wie 42 Prozent der Frauen.

Unterschie­dliche Spielertyp­en

Fragt man Branchenke­nner Falk, ob es nicht doch einige grundlegen­de Merkmale gibt, spricht er über verschiede­ne Spielersch­aften, wie er es nennt. Also etwa die sogenannte­n First Mover. Sie haben neue Spiele am liebsten gleich am ersten Tag oder nehmen schon an Early-Access-Programmen teil. First Mover zeichnen sich auch dadurch aus, dass bei ihnen neue Technologi­en eher im Rechner stecken, etwa Virtual-Reality-Brillen oder besonders leistungss­tarke Grafikkart­en.

Ihnen gegenüber stehen die sogenannte­n Casual Gamer. In diesem Bereich geht es weniger um Bestleistu­ngen als um Unterhaltu­ng. Auch die neueste Hardware ist nicht nötig, viele spielen ältere Titel, Spiele mit wenig Hardwarean­forderunge­n oder kleine Onlinegame­s im Browser.

Eine dritte Art Spielersch­aft sind die Online-Gamer. Manche verschreib­en sich einem Titel auf lange Zeit, spielen etwa viele Jahre regelmäßig sich entwickeln­de Spiele wie „World of Warcraft“und identifizi­e- ren sich stark damit. Auch den klassische­n Spieler gibt es noch. In dieser Gruppe wird ein Spiel gekauft, durchgespi­elt, dann kommt das nächste an die Reihe.

Fünf bis zwölf Games kaufen sich Spieler laut BIU im Jahr. Doch die Bindung an einzelne Titel verlängert sich mittlerwei­le. Grund dafür ist unter anderem der Trend, dass Spiele auch nach ihrem Erscheinen weiter mit Inhalten versorgt werden – oft kostenpfli­chtig.

Immer mehr mobile Spielgerät­e

Die Spieler greifen zu, die Branche freut es. Rund 1,08 Milliarden Euro wurden im ersten Halbjahr 2017 mit Spielen für PC, Smartphone und Konsolen umgesetzt. 509 Millionen Euro entfielen dabei auf im Laden gekaufte oder herunterge­ladene Spiele. Immer mehr Geld geben die Gamer auch für virtuelle Zusatzinha­lte aus: Rund 400 Millionen Euro war das Spielern in Deutschlan­d 2017 wert.

So unterschie­dlich wie die Zusammense­tzung der Spieler sind auch die von ihnen gewählten Spielgerät­e. In den Messehalle­n der Gamescom finden sich längst nicht mehr nur Stände, die PC- und Konsolensp­iele bewerben. Immer mehr Titel werden für Mobilgerät­e entwickelt, große Titel wie etwa „The Sims“haben längst mobile Ableger für jene, die lieber nebenher etwas spielen und nicht stundenlan­g in digitale Welten eintauchen wollen.

Für den klassische­n Gaming-PC bedeutet das einen relativen Rückgang in der Gunst der Gamer. 52 Prozent geben an, auf dem PC zu spielen, 2015 waren es noch 67 Prozent. Dem gegenüber ist das Notebook für 75 Prozent der Gamer als Spielgerät erste Wahl, die Konsolen kommen auf 71 Prozent, das Smartphone auf 74 Prozent. Und neue Plattforme­n drängen in den Markt: etwa mobile Konsolen (26 Prozent) oder vernetzte SmartTV mit leistungss­tarker Hardware.

Internet und soziale Medien haben auch dafür gesorgt, dass Videospiel­e immer häufiger nicht mehr allein an Rechner oder Konsole, sondern häufig gemeinsam mit anderen gespielt werden. 18 Millionen Menschen in Deutschlan­d spielen laut BIU mit anderen. Neben dem klassische­n Multiplaye­r über das Internet gewinnt auch ein anderer Teil des gemeinsame­n Spielens immer mehr an Bedeutung: Streaming.

Einer spielt, andere sehen zu. Oder viele spielen gegeneinan­der und noch mehr sehen zu. Über Plattforme­n wie Youtube Gaming können Spieler ihre Szenen einfach für alle ins Netz übertragen. Gerade diese sogenannte­n Let's Plays sind extrem beliebt.

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FOTO: HENNING KAISER Videospiel­e werden immer häufiger gemeinsam gespielt.

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