Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wenn der Strom wegbleibt
Notstromversorger helfen Firmen, Zeit zu überbrücken – Gefriertruhen halten lange durch – Kerzen im Gasthaus
RAVENSBURG - „Vor allem im Südosten lokal kräftige Gewitter mit Unwetterpotenzial“– selten ist eine Wettervorhersage so präzise eingetroffen wie diese. Ist der Klimawandel schuld? Jedenfalls treten extreme Wetterverhältnisse immer häufiger auf, oft gepaart mit Stromausfall. So spukt auch der jüngste Sturm vom vergangenen Freitag in den Köpfen weiter. Und die Menschen fragen sich, welche Vorsorge es gibt, um Leib und Leben, Hab und Gut zu schützen.
Es war Freitagabend kurz vor 20 Uhr und der „Rewe“in Baienfurt noch gut besucht von Kunden, die ihren Wochenendeinkauf erledigen wollten, als binnen Minuten der Sturm losbrach, der Strom wegblieb, die Kühlgeräte über Notversorgung zwar weiter brummten, aber die Lichter ausgingen, die Kassen „abstürzten“und eine normale Geschäftstätigkeit nicht mehr möglich war. Auch für eine Lautsprecherdurchsage hätte es Strom gebraucht. Also gingen die Angestellten mit Taschenlampen durch die Regalreihen und baten die Kundschaft, den Einkaufsbereich zu verlassen. „Das ging alles ganz geordnet, die Leute wussten ja, wir konnten nichts dafür“, sagt der stellvertretende Marktleiter Michael Heinzelmann. Die Leute hätten dann im Eingangsbereich das gröbste Unwetter abwarten können. „Wir wollten sie ja nicht hinaus in den Regen schicken“, so Heinzelmann.
In anderen Häusern mit ähnlich langen Öffnungszeiten war es nicht anders, wie an der Aral-Tankstelle Grieb zwischen Weingarten und Baienfurt. Für die Kühlanlagen gab es eine Notversorgung, die automatische Tür ließ sich manuell öffnen und schließen, nur die Kasse funktionierte ohne Strom nicht, und „man konnte halt nicht mehr tanken“, sagt Nadja Klam. Ob der Firma dadurch Einbußen entstanden? – Sie hofft nicht.
Dass die Einbußen möglichst schmerzfrei bleiben, dafür haben große Firmen vorgesorgt. Als zertifizierter Betrieb, so Rainer Dollinger, im Hause zuständig für die Infrastruktur, habe Rafi einen Notfallplan, über welchen die Notstromversorgung über Aggregat, Ersatzstromversorgung durch ein Blockheizkraftwerk und batteriebetriebene Anlagen die wichtigsten Bereiche abgedeckt und die Produktion über Stunden gesichert werden.
Für den Pharmadienstleister Vetter „stellt Stromausfall ein großes Ri- siko dar“, sagt Unternehmenssprecher Markus Kirchner. Schon bei einer ganz kurzen Spanne drohe ein Produktionsausfall der aktuell abgefüllten Medikamente. Dadurch könnte die Marktversorgung und somit die medizinische Versorgung von Patienten gefährdet werden. Aus diesem Grund sei im Hause Vetter ein „umfangreiches Notfallmanagementkonzept“etabliert: An allen Produktionsstandorten gibt es eine unterbrechungsfreie Stromversorgung, die bei Stromausfall unmittelbar einspringt; an allen anderen Standorten gibt es Notstromaggregate, die nach wenigen Sekunden anspringen. Somit, so Kirchner, kann die ganze Firma „auch längere Zeit ohne von außen zugelieferten Strom überbrücken“.
Für den Pharmadienstleister Vetter „stellt Stromausfall ein großes Risiko dar“. Unternehmenssprecher Markus Kirchner
Überlastung im Netz
Größtes Interesse, diese Überbrückungszeiten möglichst gering zu halten, hat selbstverständlich die EnBW als Netzbetreiber, bei der man die momentane Entwicklung durchaus kritisch sieht. Nicht nur Überspannung durch Blitz oder in Hochspannungsleitungen stürzende Bäume verursachen Malheur, sondern auch eine zunehmende Industrialisierung, und die Folgen des Energie einspeisungsg es etzes(EEG)be lasten die Stromnetze zusätzlich und sorgen dort für Überlastung im Netz. Und wenn Schäden dadurch entstehen? Dann, so EnBW-Pressesprecher Ulrich Stark, „haften wir bei Netzfehlern“, nicht jedoch bei Versagen Dritter oder höherer Gewalt. Wobei gegen letztere vielleicht hilfreich ist, wenn die EnBW laut Stark „keine neuen Freileitungen“mehr baut, sondern nur noch Erdkabel verlegt.
Der Stromnetz betreiber haftet bis zum Haus anschluss. Die Gebäudeversicherung ist die richtige Adresse, wenn der Sturm wie auf der BergKuppe Aststücke in die Dämmung der Hausfassade fegt und damit richtige Löcher reißt. Und für den Fall, dass nach S pan nungsschwankun gen der Laptop im Eimer, der Gefrierschrank hin oder das Gefriergut in der Truhe Matsch ist, können sich Betroffene über die Hausratversicherung absichern.
Das Ausmaß des Sturms am Freitag wird sich in Euro und Cent erst beziffern lassen, wenn die Schadensmeldungen auf dem Tisch sind. Mit verdorbenen Lebensmitteln, weil die Kühltruhe schlapp machte, war kaum zu rechnen. „Das hängt von der Isolierung ab“, heißt es im Ravensburger Mediamarkt. Aber zwei bis drei Stunden stünden bei Stromausfall selbst alte Geräte ungeöffnet durch, ohne dass die Lebensmittel darin zu Matsch werden. In neueren A++-Geräten könne das Gefriergut etwa 27 und in Superkühlern sogar 51 Stunden überstehen.
OSK-Kliniken sind gut gerüstet
Aber so lange Stromausfälle sind selten. Und gäbe es sie, die Krankenhäuser wären darauf eingestellt. In allen OSK-Kliniken gibt es, so Pressesprecher Winfried Leiprecht, dieselbetriebene Notfallaggregate, die binnen 15 Sekunden nach Stromausfall anspringen, danach 72 Stunden arbeiten und jederzeit und beliebig nachgetankt werden können. Für alle lebenswichtigen Maßnahmen und al- lernotwendigste Beleuchtung gebe es ein separates System sowie für Minimalunterbrechungen wie die genannten 15 Sekunden einen Batteriepuffer. Somit sei eine unterbrechungsfreie Stromversorgung dreifach abgesichert, sagt Leiprecht.
Das Altenheim St. Elisabeth in Baienfurt hat eine Notstromeinrichtung. Doch manchem Heimbewohner war es trotzdem mulmig zumute, als der Sturm am Freitagabend ums Haus tobte. Nicht nur dass es im Zimmer plötzlich stockdunkel, das Telefon tot und die Pflegebetten ohne Strom nicht mehr verstellbar waren, es gab im Haus auch noch Überschwemmung. „Regen und Sturm kamen blitzschnell – und unsere (elektrisch betriebenen) Oberlichter ließen sich nicht schließen“, sagt Diana Geiger, die stellvertretende Leiterin der Einrichtung. Doch mit Plastikplanen und Eimer sei man der Situation Herr geworden.
Besser hatten es jene, die zu dieser Zeit im „Lindenhof“in Niederbiegen saßen und dort trotz Stromausfalls nicht darben mussten. Gasherd in der Küche und Kerzenschein in der Stube machten es wie in manch anderem Gasthaus möglich, dass Wirtin Jana Maier die Gäste nicht nach Hause schicken musste.