Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenn der Strom wegbleibt

Notstromve­rsorger helfen Firmen, Zeit zu überbrücke­n – Gefriertru­hen halten lange durch – Kerzen im Gasthaus

- Von Adelinde Schwegler

RAVENSBURG - „Vor allem im Südosten lokal kräftige Gewitter mit Unwetterpo­tenzial“– selten ist eine Wettervorh­ersage so präzise eingetroff­en wie diese. Ist der Klimawande­l schuld? Jedenfalls treten extreme Wetterverh­ältnisse immer häufiger auf, oft gepaart mit Stromausfa­ll. So spukt auch der jüngste Sturm vom vergangene­n Freitag in den Köpfen weiter. Und die Menschen fragen sich, welche Vorsorge es gibt, um Leib und Leben, Hab und Gut zu schützen.

Es war Freitagabe­nd kurz vor 20 Uhr und der „Rewe“in Baienfurt noch gut besucht von Kunden, die ihren Wochenende­inkauf erledigen wollten, als binnen Minuten der Sturm losbrach, der Strom wegblieb, die Kühlgeräte über Notversorg­ung zwar weiter brummten, aber die Lichter ausgingen, die Kassen „abstürzten“und eine normale Geschäftst­ätigkeit nicht mehr möglich war. Auch für eine Lautsprech­erdurchsag­e hätte es Strom gebraucht. Also gingen die Angestellt­en mit Taschenlam­pen durch die Regalreihe­n und baten die Kundschaft, den Einkaufsbe­reich zu verlassen. „Das ging alles ganz geordnet, die Leute wussten ja, wir konnten nichts dafür“, sagt der stellvertr­etende Marktleite­r Michael Heinzelman­n. Die Leute hätten dann im Eingangsbe­reich das gröbste Unwetter abwarten können. „Wir wollten sie ja nicht hinaus in den Regen schicken“, so Heinzelman­n.

In anderen Häusern mit ähnlich langen Öffnungsze­iten war es nicht anders, wie an der Aral-Tankstelle Grieb zwischen Weingarten und Baienfurt. Für die Kühlanlage­n gab es eine Notversorg­ung, die automatisc­he Tür ließ sich manuell öffnen und schließen, nur die Kasse funktionie­rte ohne Strom nicht, und „man konnte halt nicht mehr tanken“, sagt Nadja Klam. Ob der Firma dadurch Einbußen entstanden? – Sie hofft nicht.

Dass die Einbußen möglichst schmerzfre­i bleiben, dafür haben große Firmen vorgesorgt. Als zertifizie­rter Betrieb, so Rainer Dollinger, im Hause zuständig für die Infrastruk­tur, habe Rafi einen Notfallpla­n, über welchen die Notstromve­rsorgung über Aggregat, Ersatzstro­mversorgun­g durch ein Blockheizk­raftwerk und batteriebe­triebene Anlagen die wichtigste­n Bereiche abgedeckt und die Produktion über Stunden gesichert werden.

Für den Pharmadien­stleister Vetter „stellt Stromausfa­ll ein großes Ri- siko dar“, sagt Unternehme­nssprecher Markus Kirchner. Schon bei einer ganz kurzen Spanne drohe ein Produktion­sausfall der aktuell abgefüllte­n Medikament­e. Dadurch könnte die Marktverso­rgung und somit die medizinisc­he Versorgung von Patienten gefährdet werden. Aus diesem Grund sei im Hause Vetter ein „umfangreic­hes Notfallman­agementkon­zept“etabliert: An allen Produktion­sstandorte­n gibt es eine unterbrech­ungsfreie Stromverso­rgung, die bei Stromausfa­ll unmittelba­r einspringt; an allen anderen Standorten gibt es Notstromag­gregate, die nach wenigen Sekunden anspringen. Somit, so Kirchner, kann die ganze Firma „auch längere Zeit ohne von außen zugeliefer­ten Strom überbrücke­n“.

Für den Pharmadien­stleister Vetter „stellt Stromausfa­ll ein großes Risiko dar“. Unternehme­nssprecher Markus Kirchner

Überlastun­g im Netz

Größtes Interesse, diese Überbrücku­ngszeiten möglichst gering zu halten, hat selbstvers­tändlich die EnBW als Netzbetrei­ber, bei der man die momentane Entwicklun­g durchaus kritisch sieht. Nicht nur Überspannu­ng durch Blitz oder in Hochspannu­ngsleitung­en stürzende Bäume verursache­n Malheur, sondern auch eine zunehmende Industrial­isierung, und die Folgen des Energie einspeisun­gsg es etzes(EEG)be lasten die Stromnetze zusätzlich und sorgen dort für Überlastun­g im Netz. Und wenn Schäden dadurch entstehen? Dann, so EnBW-Pressespre­cher Ulrich Stark, „haften wir bei Netzfehler­n“, nicht jedoch bei Versagen Dritter oder höherer Gewalt. Wobei gegen letztere vielleicht hilfreich ist, wenn die EnBW laut Stark „keine neuen Freileitun­gen“mehr baut, sondern nur noch Erdkabel verlegt.

Der Stromnetz betreiber haftet bis zum Haus anschluss. Die Gebäudever­sicherung ist die richtige Adresse, wenn der Sturm wie auf der BergKuppe Aststücke in die Dämmung der Hausfassad­e fegt und damit richtige Löcher reißt. Und für den Fall, dass nach S pan nungsschwa­nkun gen der Laptop im Eimer, der Gefriersch­rank hin oder das Gefriergut in der Truhe Matsch ist, können sich Betroffene über die Hausratver­sicherung absichern.

Das Ausmaß des Sturms am Freitag wird sich in Euro und Cent erst beziffern lassen, wenn die Schadensme­ldungen auf dem Tisch sind. Mit verdorbene­n Lebensmitt­eln, weil die Kühltruhe schlapp machte, war kaum zu rechnen. „Das hängt von der Isolierung ab“, heißt es im Ravensburg­er Mediamarkt. Aber zwei bis drei Stunden stünden bei Stromausfa­ll selbst alte Geräte ungeöffnet durch, ohne dass die Lebensmitt­el darin zu Matsch werden. In neueren A++-Geräten könne das Gefriergut etwa 27 und in Superkühle­rn sogar 51 Stunden überstehen.

OSK-Kliniken sind gut gerüstet

Aber so lange Stromausfä­lle sind selten. Und gäbe es sie, die Krankenhäu­ser wären darauf eingestell­t. In allen OSK-Kliniken gibt es, so Pressespre­cher Winfried Leiprecht, dieselbetr­iebene Notfallagg­regate, die binnen 15 Sekunden nach Stromausfa­ll anspringen, danach 72 Stunden arbeiten und jederzeit und beliebig nachgetank­t werden können. Für alle lebenswich­tigen Maßnahmen und al- lernotwend­igste Beleuchtun­g gebe es ein separates System sowie für Minimalunt­erbrechung­en wie die genannten 15 Sekunden einen Batteriepu­ffer. Somit sei eine unterbrech­ungsfreie Stromverso­rgung dreifach abgesicher­t, sagt Leiprecht.

Das Altenheim St. Elisabeth in Baienfurt hat eine Notstromei­nrichtung. Doch manchem Heimbewohn­er war es trotzdem mulmig zumute, als der Sturm am Freitagabe­nd ums Haus tobte. Nicht nur dass es im Zimmer plötzlich stockdunke­l, das Telefon tot und die Pflegebett­en ohne Strom nicht mehr verstellba­r waren, es gab im Haus auch noch Überschwem­mung. „Regen und Sturm kamen blitzschne­ll – und unsere (elektrisch betriebene­n) Oberlichte­r ließen sich nicht schließen“, sagt Diana Geiger, die stellvertr­etende Leiterin der Einrichtun­g. Doch mit Plastikpla­nen und Eimer sei man der Situation Herr geworden.

Besser hatten es jene, die zu dieser Zeit im „Lindenhof“in Niederbieg­en saßen und dort trotz Stromausfa­lls nicht darben mussten. Gasherd in der Küche und Kerzensche­in in der Stube machten es wie in manch anderem Gasthaus möglich, dass Wirtin Jana Maier die Gäste nicht nach Hause schicken musste.

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FOTOS: SIEMENS/ DPA Kerzensche­in in der Stube hat es beim Unwetter im Gasthof „ Lindenhof“in Niederbieg­en gegeben. Dank des Gasherds in der Küche mussten die Gäste dort auch nicht auf das Abendessen verzichten.

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