Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Asylunterk­unft: Polizei fahndet nach Steinewerf­er

Flüchtling­e verstehen die Tat nicht – Schicksal eines Eritreers bewegt die Helfer

- Von Karin Kiesel

REUTE-GAISBEUREN - Im Küchenfens­ter der Asylunterk­unft in Reute klafft ein Loch. Grund ist ein großer Stein, den Unbekannte in der Nacht auf Samstag auf die Wohncontai­neranlage geworfen haben (die SZ berichtete). Laut Polizei und Helferkrei­s gibt es noch keine Hinweise auf die Täter, allerdings werde der Vorfall auch nicht überbewert­et. Der Helferkrei­s Reute-Gaisbeuren klagt indessen über bürokratis­che Hürden und die überrasche­nde Abschiebun­g eines jungen Mannes aus Eritrea, der schwer krank sei. „Er braucht eine neue Niere und wird lange auf die Operations-Genehmigun­g vom Landratsam­t gewartet“, berichtet Susanne Göttlich vom Helferkrei­s.

Einen „mehr als handgroßen Stein“haben die Unbekannte­n gegen das Fenster geworfen, berichtet Rebecca Stelzer von den Johanniter­n, die für die Sozialbetr­euung in der Unterkunft zuständig sind. Wie sie erzählt, seien die Täter gegen 4 Uhr nachts mit einem Auto an die Wohncontai­nteranlage herangefah­ren und hätten den Stein aus dem Auto heraus geworfen. „Es gab dann schon eine gewisse Unruhe in der Unterkunft, und wir haben seither viele Gespräche geführt. Die Bewohner verstehen nicht, warum jemand so etwas tut“, sagt Stelzer.

Noch keine konkreten Hinweise

Bei der Polizei sind noch keine konkreten Hinweise zu den Tätern eingegange­n, heißt es auf Nachfrage beim zuständige­n Polizeiprä­sidium in Konstanz. Ebenso wenig klar sei bislang, ob es einen fremdenfei­ndlichen Hintergrun­d zur Tat gebe oder ob es sich um einen freitagnäc­htlichen Unfug von Betrunkene­n handelt, so ein Polizeispr­echer. Zeugen sollen sich beim Polizeirev­ier Weingarten unter der Telefonnum­mer 0751 / 803 6666 melden.

Für Susanne Göttlich vom Helferkrei­s ist der Steinwurf zwar ärgerlich, aber kein Anlass zur Sorge. Seit dem Brandansch­lag mit Feuerwerks­körpern im Januar 2016 habe es keinerlei weiteren Vorfälle mehr gegeben. Wie berichtet, hatten damals zwei Männer zwei Feuerwerks­raketen durch das gekippte Fenster im Erdgeschos­s der Flüchtling­sunterkunf­t geworfen. Der 56-jährige Syrer im Zimmer wurde durch die explodiere­nden Raketen zwar nicht ver- letzt. Der aus einem Kriegsgebi­et geflohene Mann musste jedoch im Krankenhau­s wegen massiver Herzproble­me intensivme­dizinisch betreut werden. Außerdem waren der Linoleumbo­den, die Matratze und ein Bettlaken angesengt worden. Das Amtsgerich­t Ravensburg verurteilt­e die beiden Männer zu Freiheitss­trafen ohne Bewährung (SZ vom 15. September 2016).

Flüchtling­e sind integriert im Ort

Abgesehen von dem Brandansch­lag und dem Steinwurf vom vergangene­n Samstag sei es rund um die Flüchtling­sunterkunf­t (eine sogenannte vorläufige Unterbring­ung, für die der Landkreis zuständig ist) immer sehr ruhig gewesen, berichtet Göttlich. „Die Flüchtling­e wurden in Reute von Anfang an sehr gut aufgenomme­n, wir haben eine sehr offene Bürgerscha­ft im Ort und keine Probleme.“Die 35 jungen Männer aus Togo, Kamerun, Eritrea, Syrien, Afghanista­n und dem Irak seien in Reute bereits „absolut integriert“, würden im Fußballver­ein mitspielen oder im Liederkran­z mitsingen.

Für Frust und Ärger bei den etwa 15 aktiven Ehrenamtli­chen des Helferkrei­ses sorgen laut Göttlich jedoch immer wieder bürokratis­che Hürden. „Das ist teilweise sehr auslaugend.“Als Beispiel nannte sie die Abschiebun­g eines Eritreers von zwei Wochen zurück in die Schweiz, wo er sich bei seiner Ankunft in Europa erstmals registrier­en lassen hatte. „Er ist schwer krank. Bei ihm muss dringend eine Niere entfernt werden.“Über Wochen habe sich der Helferkrei­s beim Landratsam­t für die Genehmigun­g der Operation eingesetzt. „Das war schon hart, als die Polizei in unangemeld­et nachts abgeholt hat und wir am anderen Tag davon erfahren haben“, berichtet die Helferin. Am nächsten Tag sei die lang ersehnte OP-Genehmigun­g eingetroff­en.

Die Ankündigun­g des Landkreise­s Ravensburg, die Sozialbetr­euung in den vorläufige­n Unterbring­ungen ab 2018 wieder in Eigenregie betreiben (die SZ berichtete), treibt den Helferkrei­s ebenfalls um. Derzeit wird die Sozialbetr­euung in der Unterkunft von den Johanniter­n übernommen. „Die Zusammenar­beit klappt ausgezeich­net. Wir möchten, dass die Johanniter bleiben. Weder der Helferkrei­s, noch die Stadt können das in dieser Form bewältigen“, sagt Göttlich.

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