Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Melsungen bläst zur Attacke
Mit drei Europameistern will die MT den Platzhirschen in der Handball-Bundesliga Konkurrenz machen
HAMBURG (SID/dpa/sz) - Drei EMHelden für ein Halleluja: Aufgemotzt mit drei deutschen Europameistern will die MT Melsungen das Establishment in der Handball-Bundesliga aufmischen. „Mit dieser Mannschaft ist so einiges möglich“, sagte Rückraumspieler Julius Kühn der Handballwoche. Ziel sei ein Platz „unter den ersten fünf“, wobei sein Blick eher nach oben gerichtet ist: „Eine Übermannschaft gibt es nicht mehr.“
Mit seinen forschen Tönen steht der Neuzugang sinnbildlich für das neue Selbstverständnis in Melsungen, auch wenn der Bundesliga-Auftakt in Stuttgart gleich mit 29:27 (14:14) in die Hose ging – Göppingen siegte dagegen standesgemäß bei Aufsteiger Ludwigshafen mit 25:32 (10:15). Die Zeit der Zurückhaltung ist in Nordhessen trotzdem vorbei. Nach dem enttäuschenden siebten Platz in der Vorsaison bläst die „neue Macht“(Handballwoche) zur Attacke. „Wir wollen unter die ersten Sechs in der Liga und spätestens 2020 Champions League spielen“, sagte MT-Trainer Michael Roth und bezeichnete das neue Team als „stärkste MT-Mannschaft aller Zeiten“. Neben dem wurfgewaltigen Kühn aus Gummersbach wurden in Weltklasse-Rechtsaußen Tobias Reichmann aus Kielce und Abwehrchef Finn Lemke aus Magdeburg im Sommer zwei weitere Leistungsträger der deutschen Nationalmannschaft nach Melsungen gelotst. Möglich macht den Angriff auf die großen drei das Engagement eines ortsansässigen Pharmakonzerns, der den Klub seit Jahren großzügig unterstützt.
Melsungen ist allerdings nicht der einzige neue Jäger auf die alten Platzhirsche. Nach fünf Spielzeiten, in de- nen die Rhein-Neckar Löwen, die SG Flensburg-Handewitt und der THW Kiel die ersten drei Plätze stets unter sich ausmachten, werden auch dem ungeschlagenen Rückrundenmeister der Vorsaison, SC Magdeburg, und den Füchsen Berlin ernsthafte Chan- cen eingeräumt. Vorteil Melsungen: Die MT geht als einziges Spitzenteam ohne Doppelbelastung durch den Europacup an den Start.
„Das Rennen ist so offen wie selten zuvor“, findet Liga-Geschäftsführer Frank Bohmann. Hinter den genann- ten sechs Teams seien zudem „Mannschaften wie der EHF-Pokalsieger der letzten zwei Jahre aus Göppingen sowie Leipzig, Hannover und Wetzlar, die jeden Gegner schlagen können“.
In Kiel war der Ärger über die missglückte Löwenjagd beim Super- cup in Stuttgart auch am Tag danach nicht verraucht. Nach der unglücklichen Niederlage gegen die Rhein-Neckar Löwen kletterte der THW am Freitagmorgen mit versteinerten Mienen in den Flieger gen Heimat. Wieder kein Titel: Der Druck auf den Branchenprimus ist groß.
„Natürlich sind wir enttäuscht“, sagte Alfred Gislason zur 30:32-Pleite nach Siebenmeterwerfen, „aber ich bin stolz auf meine Mannschaft“. Europameister Rune Dahmke meinte beschwichtigend: „Wir hassen es zu verlieren, aber die Partie ist für uns trotzdem ein Schritt nach vorne.“
Grund zur Hoffnung für Kiel
Kiel hatte den Löwen einen leidenschaftlichen Kampf geliefert und keinen Zweifel am Ziel gelassen, sich den Meistertitel vom Gewinner der letzten zwei Jahre zurückzuholen. Zwei Sekunden fehlten zum Sieg, nach dem späten Ausgleich versagten im finalen Shootout die Nerven.
Angesichts des höchsten LigaEtats (9,5 Millionen Euro) und des in der Breite mit Abstand stärksten Kaders drängt die Kieler Führung auf mehr Titel als „nur“den Pokalsieg. Die Mannschaft scheint bereit zu sein. Dahmke sagt: „Wenn du beim THW spielst, machst du dir den Druck selbst, dass du jeden Titel gewinnen willst.“Entscheidend wird sein, wie Kiel der Saisonstart ohne seine verletzten Asse Domagoj Duvnjak und Rene Toft Hansen gelingt.
Mut macht der starke Auftritt des quirligen Neuzugangs Miha Zarabec, der als Spielmacher sieben Treffer erzielte. Auch der wuchtige Lukas Nilsson (6 Tore) deutete an, dass er zu einem Trumpf werden könnte.