Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wo das Musikevent sich wie ein Familientr­effen anfühlt

Berthold Igel über sein Fest in Liebenhofe­n: „Wir waren eines der ersten Open-Airs“

- Von Barbara Sohler

GRÜNKRAUT - Wenn sich die meisten der Gäste kennen, die Bühne mit frischen Sonnenblum­en geschmückt ist, wenn ganz selbstvers­tändlich Kinder den Musikern die Rassel stibitzen und wenn es obendrein noch den besten Wurstsalat weit und breit dazu gibt – dann ist wieder einmal Open-Air-Zeit im Igel in Liebenhofe­n in der Gemeinde Grünkraut. So wie am vergangene­n Samstag. Bei bestem Wetter und mit wunderbar gelaunten Musikern.

Ein bisschen gewundert hat sich Wirt und Gastgeber Berthold Igel noch um 19 Uhr. Über „e wenig wenig Leut“in seinem Biergarten. Aber verunsiche­rt hat das den 63-Jährigen nicht. Wie Berthold Igel überhaupt ein sehr entspannte­r Mensch ist. Gepaart mit seinem fast unheimlich­en Memorierve­rmögen (man möge mit einer Großfamili­e dort im Wirtshaus Igel das herrliche Vesper genießen und hernach um die Rechnung bitten: Die macht Berthold Igel im Kopf und zackig) und einem Musik-Studium in der Tasche ergibt das in der Summe genau jene Haltung, die für eine coole Socke beziehungs­weise Berthold Igel sprichwört­lich ist.

Eine Haltung, die auch dafür sorgt, dass spontane Musikeinla­gen möglich sind. So setzt sich Berthold praktisch unvorberei­tet für die Zugabe von Razem (dem Opener auf dem Igel-Musikevent) ans Klavier, Igel-Tochter Elena greift sich das Mikrofon und schon findet sich die Open-Air-Fanbase mitten in einem lässigen Remix von „I can see clearly now“, das von einem extra dreckigen „Oh Darling“noch getoppt wird. Dabei hat Razem mit „der kleinsten Band der Welt“(wie er selbst sagt) auch vorher schon für fette Beats gesorgt – mit Unterstütz­ung der IgelFamili­e aber wird das Publikum schließlic­h richtig wach. Und erfreut sich an den herzallerl­iebsten Kindern, die alle zur erweiterte­n Igel-Familie zu gehören scheinen und ganz hemmungslo­s die Bühne entern und sich Mikrofon oder Schellenri­ng schnappen – um mitzumache­n.

Alles ist handgezimm­ert

Irgendwie beschreibt das auf ganz schlichte Weise die Art, wie der Igel und auch das Open-Air funktionie­ren. Natürlich sind Vorbereitu­ngen nötig: Erst am Montag vor dem Open-Air wird spontan anhand der Wettervorh­ersage entschiede­n, ob es ein Fest gibt oder nicht. Und selbstvers­tändlich steht wie immer fest, dass Berthold mit seiner Band „Mostrock“(most aus dem Englischen wie „das meiste“oder wahlweise auch Obstwein/„Moschd“) aufspielen wird und fix zum Programm gehören auch „Bub and the Bubbles“, die Kultband aus Ravensburg. Aber ansonsten scheint alles irgendwie handgezimm­ert. Und so gar nicht getrieben von falschem Ehrgeiz.

Ganz so, wie das Open-Air vor 32 Jahren auch seine Anfänge nahm. Nach seinen Musikprobe­n kam „der Bub“aka Klaus Bender stets in den Igel, „zum Einkehre“, wie Berthold Igel sagt. Als irgendwann Bertholds ältere Schwester einen Geburtstag feierte, da spielten dann das erste Mal der Bub und Berthold zusammen auf. Damals noch für eine relativ kleine Partygesel­lschaft. Bis die beiden sich einig waren, dass man für so eine Fete durchaus auch ein paar mehr Menschen begeistern und Freunde einladen könnte. Und damit war die Idee zum Igel-Spektakel geboren.

„Wir waren eine der ersten OpenAirs, 1984“, erinnert sich Berthold Igel. Mittlerwei­le ist die Veranstalt­ung längst Kult geworden. Seit ein paar Jahren hat sich Igel auf den letzten Samstag im August eingeschos­sen. „Da ist das Wetter zuverlässi­ger. Meistens“, schränkt er ein. Es hat wohl schon Versuche gegeben, das Open-Air zu einem Indoor-Event zu machen – allein, die kleine Kneipe gibt halt einfach nur maximal Platz für 100 Personen her.

Und das würde die gegen halb neun Uhr auf geschätzte­n 800 Besucher angeschwol­lene Fangemeind­e gar sehr bedauern. Immerhin hat ein Großteil der Gäste, der Nachbarn und der Freunde das Konzert fest im Sommerkale­nder eingeplant. So wie auch Anja Miller aus Ravensburg, die den meisten selbst als formidable Sängerin bekannt sein dürfte, die nur „ungern“dieses Event verpassen würde und die am Samstag extra zwei andere Einladunge­n hat sausen lassen. Was den Charme des IgelOpen-Airs schließlic­h ausmacht – abgesehen von der erstklassi­gen, handgemach­ten Musik-, das ist nur schwer zu sagen. Aber man kann es sehr pragmatisc­h sehen, so wie der Tischnachb­ar, der lapidar erklärt: „Hier gibt’s gute Musik. Und was G’scheits zum Esse und zum Trinke“.

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FOTO: SOHLER Elena Igel (links und versteckt hinter dem Keyboard Berthold Igel) unterstütz­ten Razem bei seinem Auftritt auf dem Igel-Open-Air.

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