Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wo das Musikevent sich wie ein Familientreffen anfühlt
Berthold Igel über sein Fest in Liebenhofen: „Wir waren eines der ersten Open-Airs“
GRÜNKRAUT - Wenn sich die meisten der Gäste kennen, die Bühne mit frischen Sonnenblumen geschmückt ist, wenn ganz selbstverständlich Kinder den Musikern die Rassel stibitzen und wenn es obendrein noch den besten Wurstsalat weit und breit dazu gibt – dann ist wieder einmal Open-Air-Zeit im Igel in Liebenhofen in der Gemeinde Grünkraut. So wie am vergangenen Samstag. Bei bestem Wetter und mit wunderbar gelaunten Musikern.
Ein bisschen gewundert hat sich Wirt und Gastgeber Berthold Igel noch um 19 Uhr. Über „e wenig wenig Leut“in seinem Biergarten. Aber verunsichert hat das den 63-Jährigen nicht. Wie Berthold Igel überhaupt ein sehr entspannter Mensch ist. Gepaart mit seinem fast unheimlichen Memoriervermögen (man möge mit einer Großfamilie dort im Wirtshaus Igel das herrliche Vesper genießen und hernach um die Rechnung bitten: Die macht Berthold Igel im Kopf und zackig) und einem Musik-Studium in der Tasche ergibt das in der Summe genau jene Haltung, die für eine coole Socke beziehungsweise Berthold Igel sprichwörtlich ist.
Eine Haltung, die auch dafür sorgt, dass spontane Musikeinlagen möglich sind. So setzt sich Berthold praktisch unvorbereitet für die Zugabe von Razem (dem Opener auf dem Igel-Musikevent) ans Klavier, Igel-Tochter Elena greift sich das Mikrofon und schon findet sich die Open-Air-Fanbase mitten in einem lässigen Remix von „I can see clearly now“, das von einem extra dreckigen „Oh Darling“noch getoppt wird. Dabei hat Razem mit „der kleinsten Band der Welt“(wie er selbst sagt) auch vorher schon für fette Beats gesorgt – mit Unterstützung der IgelFamilie aber wird das Publikum schließlich richtig wach. Und erfreut sich an den herzallerliebsten Kindern, die alle zur erweiterten Igel-Familie zu gehören scheinen und ganz hemmungslos die Bühne entern und sich Mikrofon oder Schellenring schnappen – um mitzumachen.
Alles ist handgezimmert
Irgendwie beschreibt das auf ganz schlichte Weise die Art, wie der Igel und auch das Open-Air funktionieren. Natürlich sind Vorbereitungen nötig: Erst am Montag vor dem Open-Air wird spontan anhand der Wettervorhersage entschieden, ob es ein Fest gibt oder nicht. Und selbstverständlich steht wie immer fest, dass Berthold mit seiner Band „Mostrock“(most aus dem Englischen wie „das meiste“oder wahlweise auch Obstwein/„Moschd“) aufspielen wird und fix zum Programm gehören auch „Bub and the Bubbles“, die Kultband aus Ravensburg. Aber ansonsten scheint alles irgendwie handgezimmert. Und so gar nicht getrieben von falschem Ehrgeiz.
Ganz so, wie das Open-Air vor 32 Jahren auch seine Anfänge nahm. Nach seinen Musikproben kam „der Bub“aka Klaus Bender stets in den Igel, „zum Einkehre“, wie Berthold Igel sagt. Als irgendwann Bertholds ältere Schwester einen Geburtstag feierte, da spielten dann das erste Mal der Bub und Berthold zusammen auf. Damals noch für eine relativ kleine Partygesellschaft. Bis die beiden sich einig waren, dass man für so eine Fete durchaus auch ein paar mehr Menschen begeistern und Freunde einladen könnte. Und damit war die Idee zum Igel-Spektakel geboren.
„Wir waren eine der ersten OpenAirs, 1984“, erinnert sich Berthold Igel. Mittlerweile ist die Veranstaltung längst Kult geworden. Seit ein paar Jahren hat sich Igel auf den letzten Samstag im August eingeschossen. „Da ist das Wetter zuverlässiger. Meistens“, schränkt er ein. Es hat wohl schon Versuche gegeben, das Open-Air zu einem Indoor-Event zu machen – allein, die kleine Kneipe gibt halt einfach nur maximal Platz für 100 Personen her.
Und das würde die gegen halb neun Uhr auf geschätzten 800 Besucher angeschwollene Fangemeinde gar sehr bedauern. Immerhin hat ein Großteil der Gäste, der Nachbarn und der Freunde das Konzert fest im Sommerkalender eingeplant. So wie auch Anja Miller aus Ravensburg, die den meisten selbst als formidable Sängerin bekannt sein dürfte, die nur „ungern“dieses Event verpassen würde und die am Samstag extra zwei andere Einladungen hat sausen lassen. Was den Charme des IgelOpen-Airs schließlich ausmacht – abgesehen von der erstklassigen, handgemachten Musik-, das ist nur schwer zu sagen. Aber man kann es sehr pragmatisch sehen, so wie der Tischnachbar, der lapidar erklärt: „Hier gibt’s gute Musik. Und was G’scheits zum Esse und zum Trinke“.