Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Video-Gelb fürs Schauspielern
Letzte Woche war an dieser Stelle vom Schalker Trainer Domenico Tedesco die Rede, dem Liebling aller Taktik-Hipster. Zwei hart umkämpfte Siege im DFBPokal und am ersten Spieltag der Bundesliga gegen Leipzig hatten ausgereicht, um Schalke in einschlägigen Blogs und Portalen zum Geheimfavoriten auf den Titel zu machen. Weniger wegen der Auftritte der Mannschaft oder wegen der Qualität des Kaders, sondern vornehmlich wegen Tedesco, dem einstigen Daimler-Ingenieur und Trainer-Einserschüler, der fünfsprachig ebenso leidenschaftlich wie anschaulich über Taktik referieren kann. Am Sonntag hat Schalke nun 0:1 verloren. Bei Aufsteiger Hannover 96, das bei Taktik-Hipstern ungefähr so hoch im Kurs steht wie Ultras bei 96-Boss
Martin Kind. Manche Trainer hätten sich nach dieser eher unglücklichen Niederlage vielleicht Verteidiger Thilo Kehrer zur Brust genommen, dessen grober Schnitzer zur Vorlage von Marvin Bakalorz an Joker Jonathas führte. Nicht so Tedesco, der den Fehler im System suchte: „Hannover hat uns zugestellt. Wir haben in der ersten Halbzeit jedes Luftduell verloren und auch die zweiten Bälle nicht bekommen. Wir hatten keinen Zugriff. Darüber müssen wir sprechen“, sagte er. Wäre ja schade, wenn der Hype schon vorbei wäre.
Womit wir beim Hamburger SV ● wären, der gleich aus mehreren Gründen auf der Euphoriewelle schwimmt. Da wäre zum einen Dennis Diekmeier, der auch in seinem 183. Bundesligaspiel kein Tor erzielte und somit der Torlosrekordhalter der Bundesliga ist. „Wollt ihr mir gratulieren jetzt?“, fragte der Außenverteidiger am Freitag gut gelaunt die Reporter in den Stadion-Katakomben. Wollten sie. Diekmeier bedankte sich lachend. Das wohl auch, weil sein Club nach dem überzeugenden 3:1 in Köln zumindest am Freitag die Tabellenführung übernommen hatte. Der HSV Tabellenführer, das hatte es wahrlich lange nicht mehr gegeben in der Bundesliga. Auch Tabellendritter, wie nach dem gesamten Spieltag, waren sie in Hamburg lange nicht mehr. „Es ist jetzt gut, dass erst einmal Pause ist. Sonst schwappt die Stimmung schon wieder zu sehr über“, sagte Trainer Markus Gisdol mit Blick auf die anstehende Länderspielpause. Zu spät? „Unverhofft kommt oft“, kommentierte jedenfalls Vorstandschef Heribert Bruchhagen bei Sky den prima Start. Und: „Ich hoffe, dass sich die Eigendynamik des Erfolgs fortsetzt.“
Für den, je nach Sichtweise, Lacher ● oder Aufreger des Spieltages, sorgte in Kyriakos Papadopoulos ebenfalls ein Hamburger. In der siebten Minute der Nachspielzeit (die lange Nachspielzeit war nötig gewesen, weil sich Schiedsrichter Felix Brych verletzt hatte und durch den vierten Offiziellen Sören Storks ersetzt wurde) und dem Kölner Anschlusstreffer durch Frederik Sörensen wollte FC-Stürmer Jhon Cordoba das Spiel schnell machen. Mit dem Ball unterm Arm rannte er zum Mittelkreis und stieß dabei versehentlich ganz leicht Papadopoulos an der Brust. Der guckte erst leich irritiert und ließ sich nach einer kleinen Gedenksekunde wie vom Blitz getroffen fallen. Storks, der sich auch schon zur Mittellinie orientiert hatte, erkundigte sich beim Videoschiedsrichter – und gab Papadopoulos Gelb für die dreisteste Schauspieleinlage des Jahres.
Angesichts des doch recht unterhaltsamen ● Spiels war es natürlich doppelt und dreifach blöd, dass viele Zuschauer das Spiel nicht sehen konnten. Bei der ersten Exklusivübertragung von Eurosport funktionierte bei vielen der kostenpflichtige Internetstream Eurosportplayer nicht. Statt des Spiels gab es nur ein Standbild. Dazu weiße Schrift auf blauem Grund: „Eurosport Player“. Darunter: „An error has occured.“Für die Live-Übertragung von 45 Spielen zahlen Fans 29,99 Euro im Jahr. Beziehungsweise 19,99 Euro. Denn Eurosport kündigte am Samstag an, allen Kunden zehn Euro gutzuschreiben. „Eurosport sagt noch einmal ,Sorry’ für die technischen Probleme“, teilte Sender mit. Diese seien „nicht akzeptabel“.