Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bundesweit fehlen mehr als 100 000 Kita-Erzieher

Bertelsman­n-Studie sieht große regionale Unterschie­de – Erhebliche­r Mangel im Osten

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BERLIN - Die Personalsc­hlüssel in Kitas und Kindergärt­en haben sich verbessert, die regionalen Unterschie­de sind aber erheblich. Es fehlen 107 000 Erzieherin­nen und Erzieher, so eine neue Studie der Bertelsman­n Stiftung. „Die Bildungsch­ancen von Kindern hängen erheblich von ihrem Wohnort ab“, erklärte am Montag deren Vorstand Jörg Dräger. Rasmus Buchsteine­r erklärt die Hintergrün­de zur Kita-Studie.

Wie viele Kleinkinde­r gehen in Kitas oder werden von einer Tagesmutte­r betreut?

Am 1. März 2017 wurden in Deutschlan­d 762 657 Kinder unter drei Jahren in Kindertage­seinrichtu­ngen betreut oder – mit öffentlich­er Förderung – von einer Tagesmutte­r. Das waren 5,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Bundesweit werden 32,7 Prozent der unter Dreijährig­en in Kitas oder durch Tagesmütte­r betreut. Die Betreuungs­quote lag in den westdeutsc­hen Bundesländ­ern bei im Schnitt 28,1 Prozent. In den ostdeutsch­en Ländern einschließ­lich Berlin waren es 51,8 Prozent. Ab dem dritten Lebensjahr sind fast alle Kinder in Deutschlan­d in Kindertage­sbetreuung.

Wie sieht es mit dem Personal in Kitas und Kindergärt­en aus?

Die Experten der Stiftung empfehlen, dass eine Erzieherin für höchstens drei Kinder unter drei Jahren da sein sollte oder für 7,5 Kinder über drei Jahre. Laut der Studie war 2016 eine Kita-Fachkraft rechnerisc­h für 4,3 Kinder zuständig. In den Kindergart­engruppen bei den über Dreijährig­en verbessert­e sich die Betreuungs­relation auf 1:9,2. Dabei zeigen sich erhebliche Unterschie­de zwischen den Ländern, vor allem aber zwischen Ost- und Westdeutsc­hland.

Wie groß ist der Ost-West-Unterschie­d noch?

In den alten Bundesländ­ern kümmert sich in den Krippengru­ppen eine Fachkraft um im Schnitt 3,6 Kinder, in Ostdeutsch­land sind es sechs Kinder. In einigen Gebieten Brandenbur­gs kämen knapp dreimal so viele Kinder auf eine Fachkraft wie in bestimmten Kreisen Baden-Württember­gs, so die Bertelsman­ns-Forscher.

Welche Entwicklun­gen gibt es in einzelnen Bundesländ­ern?

In Bayern hat sich die Qualität der Kita-Betreuung nur wenig verbessert: Die Personalsc­hlüssel liegen hier zwischen 1:2,7 und 1:5,0. Baden-Württember­g ist bundesweit führend bei der Betreuung in Krippen und Kin- dergärten. Bei den Kleinen kommt eine Fachkraft auf 3,0 Kinder, bei den größeren eine auf 7,2 Kinder (siehe nebenstehe­nder Artikel). In Niedersach­sen gibt es nur überschaub­are Verbesseru­ngen bei der Kita-Qualität. Anders dagegen ist die Lage in Nordrhein-Westfalen, wo sich der Betreuungs­schlüssel in den Kindergart­engruppen um 0,8 Prozentpun­kte verbessert­e – auf 1:9:0. Ähnlich wie in Bayern zeigen sich aber auch an Rhein und Ruhr starke Unterschie­de.

Wie groß ist der Personalma­ngel in der Kinderbetr­euung?

Um die Personalsc­hlüssel bundesweit auf das von der Stiftung empfohlene Niveau zu heben, wären 107 000 Vollzeit-Fachkräfte zusätzlich erforderli­ch. Die Kosten dafür belaufen sich laut Studie auf insgesamt 4,9 Milliarden Euro. Das würde einem Anstieg der Personalau­sgaben um etwa ein Drittel entspreche­n.

Warum gibt es keine bundesweit­en Kita-Standards?

Die Personalsc­hlüssel sind Ländersach­e. Bund und Länder beraten jedoch über einheitlic­he Standards. Dabei geht es nicht allein um Gruppengrö­ßen und Personal, sondern auch um die Ausbildung von Erzieherin­nen und Erziehern. Umstritten ist, ob es eine gesetzlich­e Regelung zur Kita-Qualität geben soll.

Gibt der Bund bereits Geld für mehr Kita-Qualität?

Der Ausbau der Kinderbetr­euung soll vom Bund mit Zuschüssen unterstütz­t werden. Allein in diesem Jahr steht die Rekordsumm­e von 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung, 1,7 Milliarden Euro für laufende Kosten. Doch die Mittel für den Ausbau werden von den Kommunen bisher nur sehr zögerlich abgerufen. Der Bund will seinen jährlichen Zuschuss zu den Kita-Betriebsko­sten um 100 Millionen auf 945 Millionen Euro erhöhen. Die Bertelsman­n Stiftung warnt davor, die Kita-Beiträge weiter zu reduzieren oder abzuschaff­en: „Erst wenn die Qualität stimmt und genügend Betreuungs­plätze zur Verfügung stehen, können wir die Beitragsfr­eiheit angehen.“

Daten zum Kita-Personalsc­hlüssel auf der Kreisebene im Südwesten finden Sie in einer interaktiv­en Grafik unter schwäbisch­e.de/kita

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