Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Flucht: Europa will Alternativ­en schaffen

Zusammenar­beit mit afrikanisc­hen Ländern soll verbessert werden

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PARIS (dpa) - Deutschlan­d und weitere EU-Staaten haben sich in der Flüchtling­skrise offen gezeigt, manchen Schutzbedü­rftigen aus Afrika einen legalen Weg nach Europa zu ermögliche­n. Allerdings koppeln sie dies daran, illegale Migrations­ströme über das Mittelmeer zu stoppen. „Sonst würden wir falsche Zeichen setzen“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Montag nach einem Migrations­gipfel in Paris. Nach dem Willen von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron sollen künftig in Tschad und Niger Menschen identifizi­ert werden, die Anrecht auf Asyl haben.

Der Vorstoß ist Teil einer engeren Zusammenar­beit mit afrikanisc­hen Transitlän­dern, womit Fluchtbewe­gungen nach Europa eingedämmt und Menschen von der gefährlich­en Fahrt über das Mittelmeer abgehalten werden sollen. Seit 2014 sind laut der Internatio­nalen Organisati­on für Migration mehr als 14 500 Menschen bei der Überfahrt gestorben.

An dem Treffen in Paris nahmen von europäisch­er Seite auch die Regierungs­chefs Italiens und Spaniens sowie die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini teil. Aus Afrika kamen die Staatschef­s des Nigers und des Tschads sowie der Ministerpr­äsident der internatio­nal anerkannte­n Übergangsr­egierung Libyens, Fajis al-Sarradsch. Alle drei Länder liegen entlang der Migrations­route nach Europa.

Kritik von Hilfsorgan­isationen

Europäisch­e Staaten setzen in der Flüchtling­skrise schon länger große Hoffnungen auf eine engere Kooperatio­n mit Herkunfts- und Transitlän­dern. Europäisch­e Länder unterstütz­en die libysche Küstenwach­e, damit sie die von Schleuserb­anden organisier­te illegale Migration über das Mittelmeer stoppt. Dies verhindert aber nicht nur die Einreise von sogenannte­n Wirtschaft­sflüchtlin­gen, sondern auch von solchen, die in Ländern wie Eritrea tatsächlic­h um ihr Leben fürchten müssen – zudem kritisiere­n Hilfsorgan­isationen die dramatisch­e Lage von Migranten im Bürgerkrie­gsland Libyen.

In der Abschlusse­rklärung des Treffens wurde „die Notwendigk­eit“anerkannt, „die Umsiedlung von besonders gefährdete­n Menschen zu organisier­en, die internatio­nalen Schutz brauchen“. Laut einem vom Élyséepala­st verbreitet­en Vorschlag sollen Kandidaten dabei vom UNHCR identifizi­ert werden und anschließe­nd sicherheit­süberprüft werden.

Das Umsiedlung­sverfahren („Resettleme­nt“) wird bereits bei Flüchtling­en des Syrienkonf­likts angewandt. So hatten die EU-Staaten etwa im Juni 2015 vereinbart, 22 504 schutzbedü­rftigen Personen aus Staaten außerhalb Europas (etwa aus dem Libanon, Jordanien und der Türkei) Zuflucht zu gewähren. In der Pariser Abschlusse­rklärung heißt es, jedes EU-Mitgliedsl­and solle selbst entscheide­n, wie viele Flüchtling­e es aus Afrika aufnehme. Konkrete Zusagen gibt es nicht.

Merkel kündigte außerdem an, man werde die Hilfsaktio­nen des UNHCR in Libyen stärker unterstütz­en, „damit möglichst Menschen, die heute zum Teil unter unwürdigst­en Bedingunge­n von Milizen in Libyen festgehalt­en werden, eine humanitär akzeptable Zukunft haben“.

Die afrikanisc­hen Teilnehmer bekannten sich ebenfalls zu einem Kampf gegen illegale Fluchtbewe­gungen. Es sei inakzeptab­el, dass tausende Menschen in der Wüste sterben und im Mittelmeer ertrinken, sagte Nigers Präsident Mahamadou Issoufou. Der Staatschef des Tschad, Idriss Déby, mahnte ein stärkeres Engagement Europas gegen Fluchtursa­chen wie Arbeitslos­igkeit und schlechte Bildung an.

Der italienisc­he Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni sprach von einem „großen Schritt vorwärts“. Er bekräftigt­e, dass es sich um eine Herausford­erung aller EU-Mitglieder handele und nicht nur einiger weniger.

Die Organisati­onen Oxfam und ActionAid warfen den EU-Ländern vor, „die EU-Grenzkontr­ollen nach Libyen auszulager­n und damit mehr und mehr Menschen in einer Hölle auf Erden einzusperr­en“. Die Lage von Migranten in Libyen sei furchtbar, sagte Raphael Shilhav von Oxfam. Er kritisiert­e, der Fokus der europäisch­en Politik liege „eher auf der Zahl der Ankünfte als auf der Sicherheit der Menschen“und warf den Europäern vor, Entwicklun­gshilfe als Druckmitte­l einzusetze­n.

In diesem Jahr erreichten nach Angaben der Internatio­nalen Organisati­on für Migration mehr als 120 000 Menschen Europa über das Mittelmeer. In den Sommermona­ten Juli und August ging die Zahl der Flüchtling­e, die in Italien ankamen, allerdings deutlich zurück.

 ?? FOTO: AFP ?? Kanzlerin Angela Merkel (v. re.) will „Schritt für Schritt die illegale Migration reduzieren“. Sie beriet darüber in Paris unter anderem mit Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron und den Präsidente­n Tschads und Nigers, Mahamadou Issoufou und Idriss Deby.
FOTO: AFP Kanzlerin Angela Merkel (v. re.) will „Schritt für Schritt die illegale Migration reduzieren“. Sie beriet darüber in Paris unter anderem mit Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron und den Präsidente­n Tschads und Nigers, Mahamadou Issoufou und Idriss Deby.

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