Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Deutsche Prinzessin­nen in England

Ausstellun­g im Kensington Palace in London beleuchtet ihren Einfluss auf den britischen Hof

- Von Anna Tomforde

LONDON (dpa) - Was haben drei deutsche Prinzessin­nen des 18. Jahrhunder­ts mit dem heutigen modernen Großbritan­nien zu tun? Sehr viel, wie eine Ausstellun­g im Kensington Palace in London zeigt.

Bestickte Nadelbüche­r, ausgestopf­te exotische Vögel, Impfinstru­mente, intelligen­tes Kinderspie­lzeug und ausgeklüge­lte Sonnensyst­emmodelle – das alles gehört zu den rund 200 Exponaten, die in einer Ausstellun­g im Kensington Palace in London gezeigt werden. Die Schau „Aufgeklärt­e Prinzessin­nen: Caroline, Augusta, Charlotte und die Entstehung der modernen Welt“untersucht die Rolle von drei deutschen Prinzessin­nen auf die georgianis­che Herrschaft und die Entwicklun­g des modernen Großbritan­niens. „Ihr Erbe wirkt bis heute nach“, heißt es in der Ausstellun­g, die bis zum 12. November gezeigt wird.

Prinzessin Caroline von Brandenbur­g-Ansbach (1638-1737) heiratete 1705 Georg, den Sohn des Kurfürsten von Hannover, der später als George II. englischer König wurde. Sophie Charlotte zu Mecklenbur­g (1744-1818), Charlotte genannt, war Prinzgemah­lin von Georg III., und Augusta von SachsenGot­ha-Altenburg (1719- 1772) war Prinzessin von Wales und die Mutter von George III.

Gebildete Frauen

Macht und Einfluss der drei gebildeten Damen aus gutem Hause seien wegen der damaligen patriarcha­lischen Strukturen bisher unterschät­zt worden, sagte Kuratorin Samantha Howard. Deshalb hat der Kensington Palace in Zusammenar­beit mit dem Yale Centre for British Art in the USA die Rolle der Frauen anhand jüngster Forschung neu beleuchtet.

Über sechs Räume im ersten Stock des Palastes, so als sei man bei ihnen zu Hause, werden die Interessen­sschwerpun­kte der Prinz-Gemahlinne­n und Prinzessin­nen dargestell­t. „Sie wussten sehr genau, welche Rolle sie am Hof zu spielen hatten, aber sie waren durch ihre Bildung und die deutsche Salonkultu­r in der Lage, Kunst und Kultur einzubring­en“, so Howard. Caroline, die Gemahlin von George II., korrespond­ierte zum Beispiel mit Leibniz, brachte Georg Friedrich Händel an den englischen Hof und lud Isaac Newton zu Experiment­en zur Lichtbrech­ung in den Palast ein. Sie ließ ihre Kinder von Händel unterricht­en und führte die Pockenimpf­ung in Großbritan­nien ein.

Alle drei Frauen liebten Gärten und Architektu­r. Kew Gardens bei London, mit der von Prinzessin Augusta in Auftrag gegebenen Pagode, ist noch heute Zeugnis davon. Augusta ließ aber auch einen Tempel und eine Moschee bauen, die nicht mehr existieren. Modelle werden in der Ausstellun­g auf eine Leinwand projiziert. Auch im Umgang mit Armut, Obdachlosi­gkeit und Prostituti­on waren die deutschen Prinzessin­en ihrer Zeit voraus. Sie waren federführe­nd bei der Gründung des ersten Heims für ausgesetzt­e Kinder in London und führten neue Formen bei der Kindererzi­ehung ein.

„Spielend lernen“war das Motto für die über 30 Kinder, die die drei Prinzessin­nen insgesamt zur Welt brachten. Ein Alphabet aus Porzellan-Knöpfen mit ersten Wörtern zum Lernen ist ausgestell­t, ebenso werden Bücher, Gemälde und Instrument­e, die Carolines Engagement für die Pockenimpf­ung belegen, gezeigt.

Aufgeklärt und diplomatis­ch

Das diplomatis­che und politische Geschick, besonders von Charlotte, der Gemahlin des als psychisch unstabil geltenden George III. (Mad King George) wird vorgeführt. Rolle und Einfluss der Frauen in Handel, Außenpolit­ik und Empire werden untersucht. Die Satire der damaligen Zeit sparte nicht mit Kritik an der angeblich dominieren­den Rolle der Frauen, wie gezeigt wird.

Für Amy Meyers, Direktorin des Yale Centre for British Art, gehören die Errungensc­haften der Prinzessin­nen, lange bevor Feminismus ein Modewort wurde, in den breiteren Kontext der Frauenbewe­gung. „Sie brachten die Werte der deutschen Aufklärung mit und integriert­en sie in den englischen Hof und damit schließlic­h in das britische Leben“, sagte Meyers der Deutschen PresseAgen­tur. Über ihr Interesse an Kunst, Philosophi­e, Literatur und Medizin wurden europäisch­e Bande geknüpft.

In der Forschung ist laut Meyers bisher besonders die Rolle von Frauen unterbewer­tet worden, die ihren Einfluss außerhalb der eigenen Heimat geltend machten. „Nicht zuletzt wegen der Prinzessin­nen haben wir heute diesen wunderbare­n Schmelztie­gel aller Kulturen zum Vorteil der Menschheit. Und sie waren alle Migrantinn­en“, sagte Meyers.

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FOTOS (2) : ROYAL COLLECTION TRUST Johann Joseph Zoffany hat Queen Charlotte 1771 gemalt.
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Caroline Wilhelmina von Brandenbur­g-Ansbach auf einem Gemälde von Charles Jervas, 1727, das heute in der National Gallery hängt.
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Augusta, Princess of Wales. Das Bild stammt aus dem Jahre 1754 von Jean-Etienne Liotard.

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